Neu-Ulmer Zeitung

Familie von Hamas-Führer getötet

Kinder und Enkel von Ismail Hanija sterben bei einem Luftschlag. Die Terrorgrup­pe wirft Netanjahu vor, die Verhandlun­gen mit der Attacke bewusst zu sabotieren. Die USA erwarten baldigen Angriff des Iran auf Israel.

- Von Thomas Seibert

dass Assange dafür bestraft werden solle, dass er US-Kriegsverb­rechen aufgedeckt habe. Es sei „inakzeptab­el, dass ihm dafür Jahre seines Lebens gestohlen wurden“, sagte Amnesty-Generalsek­retärin Agnès Callamard – vor seiner Verhaftung im April 2019 saß Assange über sieben Jahre in der ecuadorian­ischen Botschaft in London fest, die ihm Asyl gewährt hatte.

Gegenüber stehen sich seit Jahren Assange-Hasser – vornehmlic­h aus den USA –, die gar die Todesstraf­e als angemessen für den Australier bezeichnen, und Verehrer des Whistleblo­wers, die ihn für einen untadelige­n Journalist­en halten, der stets selbstlos im Dienste der Wahrheit Missstände aufgedeckt habe. Dass jetzt die Chance aufscheint, dass diejenigen Gehör finden, die den Fall differenzi­erter sehen, könnte letztlich ein Vorteil für Assange sein.

Der australisc­he Premiermin­ister Anthony Albanese steht exemplaris­ch für die Stimmen, die Pragmatism­us und Augenmaß einfordern: „Mr. Assange hat bereits einen erhebliche­n Preis bezahlt – und genug ist genug“, sagte der Regierungs­chef.

Trotz der Bemerkung des USPräsiden­ten geht die Hängeparti­e in diesem weltweit beispiello­sen Fall vorerst weiter. Denn darauf, wie es konkret weitergehe­n könnte, ging Joe Biden nicht weiter ein.

Teheran Die Hamas wirft Israel vor, drei Söhne und vier Enkel ihres Chefs Ismail Hanija getötet zu haben, um die Verhandlun­gen über eine Feuerpause zu sabotieren. Sie werde die Verhandlun­gen aber nicht abbrechen, erklärte die Hamas. Der israelisch­e Drohnenang­riff lässt die Spannungen im Nahen Osten noch weiter eskalieren: Die USA erwarten einen baldigen Angriff des Iran auf israelisch­e Einrichtun­gen oder auf das israelisch­e Staatsgebi­et.

Israels Armee hatte am Mittwoch mit einer Drohne im GazaStreif­en den Wagen von Hanijas Söhne Amir, Hazem und Mohammad beschossen; sie wurden nach israelisch­en Angaben angegriffe­n, weil sie Kämpfer der Hamas waren. Hanija sagte dem katarische­n Sender Al-Dschasira, seine Söhne seien zu einer Familienfe­ier zum Ende des islamische­n Fastenmona­ts Ramadan unterwegs gewesen. Laut Al-Dschasira kamen dabei auch vier Enkelkinde­r des 62-jährigen Hanija ums Leben.

Als Reaktion auf den Tod von Hanijas Familienmi­tgliedern warf der Iran der israelisch­en Regierung vor, sich an „keine menschlich­en oder moralische­n Prinzipien“zu halten. Präsident Ebrahim Raisi bekräftigt­e nach einer Meldung der staatliche­n Nachrichte­nagentur Irna zudem, Teheran werde sich für den israelisch­en Angriff auf das iranische Konsulat in der syrischen Hauptstadt Damaskus rächen, bei dem vorige Woche hochrangig­e Offiziere der Revolution­sgarde getötet worden waren. Revolution­sführer Ali Khamenei hatte gesagt, Israel müsse und werde bestraft werden.

Die USA rechnen der Nachrichte­nagentur Bloomberg zufolge in den kommenden Tagen mit einem iranischen Vergeltung­sangriff auf israelisch­e Regierungs­einrichtun­gen. In diesem Fall will Israel mit Angriffen auf Ziele im Iran reagieren. Iranische Regierungs­vertreter hatten auch angedeutet, israelisch­e Botschafte­n könnten angegriffe­n werden. US-Präsident Joe Biden sagte Israel den Beistand Amerikas zu. Der Kommandant der US-Truppen in Nahost, General Erik Kurilla, traf nach Medienberi­chten am Donnerstag zu einem Besuch in Israel ein.

Die USA hatten zuletzt die israelisch­e Kriegsführ­ung in Gaza kritisiert und eine Waffenruhe gefordert. CIA-Chef William Burns war zu Gesprächen über eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas nach Kairo gereist. Hanija ist als Chef des Politbüros seiner Organisati­on neben dem HamasAnfüh­rer in Gaza, Yahya Sinwar, der wichtigste Entscheidu­ngsträger der Terrorgrup­pe in den Verhandlun­gen über eine Waffenruhe. In den Gesprächen, bei denen Katar, Ägypten und die USA zwischen der Hamas und Israel vermitteln, hatte es in den vergangene­n Tagen Fortschrit­te gegeben. Derzeit warten die Vermittler auf eine Antwort der Hamas auf Vorschläge der USA für eine 40-tägige Kampfpause, eine Freilassun­g von israelisch­en Geiseln der Hamas und eine Haftentlas­sung palästinen­sischer Häftlinge in Israel.

Die Hamas bleibe trotz des

Drohnenang­riffs auf seine Familie bei ihren Positionen in den Verhandlun­gen, sagte Hanija im Gespräch mit Al-Dschasira. Hamas verlangt einen dauerhafte­n Waffenstil­lstand, was Israel ablehnt. Der frühere Hamas-Gesundheit­sminister Bassem Naim, Mitglied im Hamas-Politbüro, warf dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu vor, die Verhandlun­gen über eine Waffenruhe mit „schmutzige­n Tricks“sabotieren zu wollen. Israelisch­e Medien berichtete­n, der Premier sei nicht vorab über den Angriff auf den Wagen von Hanijas Söhnen informiert worden.

Hanija erfuhr während eines Besuches von Opfern des Gaza-Krieges in einem Krankenhau­s in Katar am Mittwoch vom Tod seiner Familienmi­tglieder. Im Interview mit Al-Dschasira sagte er kurz darauf, seit Ausbruch des Krieges im Oktober

Ziel des Angriffs war der Wagen von Hanijas Söhnen.

Der Hamas-Chef lebt seit Jahren in Katar.

seien rund 60 Mitglieder seiner Familie in Gaza getötet worden. Hanija hatte Gaza vor fünf Jahren verlassen und lebt seither im Exil, zunächst in der Türkei und heute in Katar.

Der Angriff auf Hanijas Söhne sei möglicherw­eise ein Versuch Israels, die Hamas zu Zugeständn­issen in den Verhandlun­gen über eine Feuerpause in Gaza zu bewegen, sagt Pinar Akpinar, Expertin für die Golf-Region an der Universitä­t von Katar. Der jüdische Staat habe demonstrie­rt, dass er willens und in der Lage sei, Anführer der Hamas ins Visier zu nehmen, sagte Akpinar unserer Zeitung. Allerdings könne Israel das Gegenteil von seinem Ziel erreichen: Wenn Hamas seine Position in den Gesprächen verhärte, könnten die Verhandlun­gen scheitern. Akpinar hält es zudem für möglich, dass der israelisch­e Angriff das Misstrauen in der Region gegenüber den USA und anderen westlichen Partnern stärken wird.

Erste Anzeichen dafür gibt es. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte Hanija in einem Beileidste­lefonat, Israel werde wegen seiner „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“zur Rechenscha­ft gezogen werden.

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Foto: Mustafa Hassona, Anadolu/afp Ismail Hanija, hier bei einer Rede im Jahr 2018.

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