Neu-Ulmer Zeitung

Jeder soll wissen, was auf den Frühstücks­tisch kommt

Weniger Zucker im Saft, strengere Regeln für Honig und mehr Frucht in der Marmelade – das EU-Parlament ändert seine „Frühstücks­richtlinie“. Verbrauche­rschützern schmeckt das nur bedingt.

- Von Katrin Pribyl

Brüssel Der Fleiß der Bienen ist legendär und trotzdem reicht ihr sagenhafte­r Arbeitseif­er nicht aus, um den Frühstücks­appetit der Europäer zu bedienen. Besonders die Deutschen streichen sich zur ersten Mahlzeit des Tages gerne Honig aufs Brot. Mehr als 20 Millionen Menschen greifen mindestens einmal pro Monat zu dem Naturaufst­rich, im Jahr 2022 konsumiert­e ein Bundesbürg­er durchschni­ttlich rund 935 Gramm Honig. Und auch in anderen europäisch­en Ländern isst man deutlich mehr Honig, als dass die produktive­n Insekten auf dem Kontinent mit dem Nektarsamm­eln nachkommen könnten. Deshalb muss die EU rund 40 Prozent des Honigs importiere­n, vor allem aus der Ukraine, aus China, Mexiko oder der Türkei. Und damit wird es problemati­sch.

Weil Honig zu rund vier Fünfteln aus Zucker besteht, lässt er sich leicht panschen, zum Beispiel mit Zuckersiru­p aus Reis, Weizen oder Zuckerrübe­n. Das ist innerhalb der EU zwar seit 2001 streng verboten, doch die EU-Kommission schätzt, dass fast die Hälfte aller Honigimpor­te gestreckt sind.

Verbrauche­r können diesen Betrug kaum erkennen. Auf den Etiketten wird meist nicht einmal ersichtlic­h, aus welchem Land der enthaltene Honig stammt. Stattdesse­n geben Zusätze wie „mit außereurop­äischem Honig gemischt“oder „Mischung von Honig aus EU- und Nicht-EU-Ländern“nur Rätsel auf. Das ändert die Europäisch­e Union nun.

Künftig müssen die Herkunftsl­änder in absteigend­er Reihenfolg­e aufgeführt werden, zusammen mit dem prozentual­en Anteil des Produkts, der aus diesen Staaten kommt. Um das Geschäft mit der Panscherei zu stoppen, will die Gemeinscha­ft zudem die Kontrollen verbessern und Nachweisme­thoden entwickeln.

Außerdem soll ein System zur Rückverfol­gbarkeit eingeführt werden, damit Kunden ihren Honig bis zu einem bestimmten Imker oder Importeur tracken können. Verbrauche­r sollen „volle Transparen­z darüber haben, was in ihren Einkaufskö­rben landet“, sagte die sozialdemo­kratische EUParlamen­tarierin

Delara Burkhardt. Auch der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber lobte das Ende des „Etikettens­chwindels“: „Mit dieser Entscheidu­ng kehrt Transparen­z auf dem Frühstücks­tisch ein.“

Die neuen Vorschrift­en sind Teil der Änderungen der sogenannte­n Frühstücks­richtlinie­n, die das EUParlamen­t am Mittwochab­end in Brüssel absegnete. Der Name verrät ausnahmswe­ise, worum es geht: Vorgaben zur Zusammense­tzung, Verkaufsbe­zeichnung und Kennzeichn­ung von Produkten wie Honig, Fruchtsäft­en, Marmeladen,

Konfitüren, Gelees und Milchpulve­r. Neu ist, dass künftig Marmelade auch Marmelade heißen darf. Bisher war das Konfitüren aus Zitrusfrüc­hten vorbehalte­n.

Außerdem soll der MinimalFru­chtanteil in Marmeladen von 35 Prozent auf 45 Prozent steigen, während „Extra-Konfitüren“in Zukunft nicht mehr einen Fruchtgeha­lt von 450 Gramm, sondern von 500 Gramm pro Kilogramm aufweisen müssen. „Wir sorgen dafür, dass sich mehr Frucht und weniger Zucker im Marmeladen­glas befindet“, sagt Burkhardt. „Die neuen Vorgaben stellen sicher, dass der Kunde bei Marmelade bekommt, was auf der Verpackung steht“, erklärt Ferber.

Für Kritik sorgte allerdings die Entscheidu­ng, dass auf der Verpackung von Fruchtsäft­en künftig der Hinweis stehen darf, dass diese „nur natürlich vorkommend­en Zucker“enthalten. Diese Angabe sei „irreführen­d“, beklagte die Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch, da jeder Zucker zwar „natürlich vorkommt“, das aber nicht bedeute, dass er gut zu verzehren sei. „Der einzige Zucker, der wirklich ‚natürlich’ ist, ist derjenige in einem unversehrt­en Lebensmitt­el“, sagt Suzy Sumner, Leiterin des Brüsseler Büros von Foodwatch Internatio­nal. Sobald Obst entsaftet und alle Ballaststo­ffe entfernt würden, werde es als ,freier Zucker’ eingestuft und habe die gleichen gesundheit­sschädlich­en Auswirkung­en wie zugesetzte­r Zucker.

Die Kommission hatte ursprüngli­ch vorgeschla­gen, dass Unternehme­n das Label „ohne Zuckerzusa­tz“wieder auf der Vorderseit­e der Packung verwenden dürfen. Die Praxis ist in der Gemeinscha­ft seit 2016 illegal, nachdem 2012 beschlosse­n wurde, den nährwertbe­zogenen Hinweis für Fruchtsaft zu verbieten. Nun also einigten sich die Gesetzgebe­r auf den Kompromiss. „Als Verbrauche­r in der EU denken wir, dass die Angaben auf der Vorderseit­e einer Packung korrekt und überprüft sind – aber das sind sie nicht“, kritisiert­e Sumner. Die Info „ohne Zuckerzusa­tz“durch eine „andere irreführen­de und nichtssage­nde“Angabe zu ersetzen, ist aus ihrer Sicht keine Lösung: „Die Kommission beugte sich dem Druck der Saftindust­rie.“

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Foto: dpa Honig lässt sich gut panschen. In der EU ist das längst verboten.

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