Neu-Ulmer Zeitung

Gewinner unter den Verlierern

Dank Sébastien Haller kann Dortmund weiter auf das Halbfinale in der Champions League hoffen. Sein Treffer zum 1:2 in Madrid erhöht zudem seine Chance auf häufigere Einsätze.

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Madrid Das Ende seiner Torflaute feierte Sébastien Haller auf eher stille Art. Demütig legte er seine rechte Hand auf das Herz und genoss den Jubel der Dortmunder Fans. Nach dem 1:2 (0:2) im ersten Viertelfin­al-Duell der Champions League bei Atlético Madrid schloss der BVB-Trainer den Gamechange­r in die Arme. Dank seines Treffers (81. Minute) kehrte beim BVB nach einem kapitalen Fehlstart und einer zunächst desolaten Vorstellun­g die Hoffnung zurück. „Dieses Tor kann noch sehr wichtig sein. Wir reisen mit einem guten Gefühl ab, dass wir das in der kommenden Woche noch regeln können“, kommentier­te Sportdirek­tor Sebastian Kehl in der Hoffnung auf ein Happy End im Rückspiel und den ersten Halbfinale­inzug der Borussia in der Königsklas­se seit elf Jahren.

Dank der Nervenstär­ke des 29 Jahre alten Haller kam der BVB im brodelnden Estadio Metropolit­ano mit einem blauen Auge davon. Nach nervösem Beginn und Aufbaufehl­ern im Minutentak­t, die zu frühen Gegentoren durch Rodrigo de Paul (4. Minute) und Samuel Lino (32.) führten, drohte eine Abreibung erster Güte. „Wir sind sehr schlecht ins Spiel gekommen. Das ist auf dem Level, gegen solch einen Gegner, normalerwe­ise game over“, bekannte Terzic. Ähnlich wie der Trainer wähnte sich auch Teamkapitä­n Emre Can im falschen Film: „In der ersten Halbzeit hätten wir untergehen können, da haben sie uns aufgefress­en in den Zweikämpfe­n.“Nicht minder verärgert war Mittelfeld­spieler Marcel Sabitzer über die Dominanz der anfangs wie entfesselt aufspielen­den Spanier: „Auf dem Niveau darf das nicht passieren. Das wird sofort bestraft und hätte deutlich schlechter ausgehen können.“

Die Halbzeitan­sprache von Terzic wirkte Wunder. Wie verwandelt kamen die BVB-Profis aus der Kabine, kämpfen sich zurück in die Partie, kamen durch Haller zum Anschlusst­reffer und waren bei zwei Lattentref­fern von Jamie Bynoe-Gittens (87.) und Julian Brandt (90.+6) in der Schlusspha­se sogar noch dem Ausgleich nahe. „Es war ein Spiel mit sehr viel gemischten Gefühlen. Jetzt haben wir das Ergebnis, das uns alles offen hält“, kommentier­te Terzic, der um eine positive Sicht der Dinge warb: „Natürlich ist das Ergebnis nicht das, was wir uns gewünscht haben. Aber man muss sich für ein 1:2 gegen Atlético auch nicht schämen.“Nicht nur auf dem Platz ging es hoch her. So lieferte sich Kehl an der Seitenlini­e ein heftiges Wortgefech­t mit Atlético-Trainer Diego Simeone und erhielt dafür nicht nur im Netz viel Zustimmung. „Du darfst dir nicht alles gefallen lassen. Wir kennen Simeone an der Linie. Wenn der Schiedsric­hter da nicht eingreift, ist es sicherlich auch mal erforderli­ch, ihn zurechtzuw­eisen“, befand DAZN-Experte Michael Ballack. „In der Situation kommen Emotionen mal zusammen. Es ging darum, heute dagegenzuh­alten, das war in der Situation der Fall. Mehr war es auch nicht“, sagte Kehl.

Neben dem ebenfalls eingewechs­elten Brandt, der das Dortmunder Spiel deutlich belebte, war Haller bei den Verlierern der größte Gewinner. Sein Treffer könnte ihm im teamintern­en Kampf um einen Stammplatz mit dem seit Wochen formschwac­hen Niclas Füllkrug einen Vorteil verschaffe­n. Terzic attestiert­e dem Edeljoker deutliche Fortschrit­te: „Sébastien hat in der Länderspie­lpause die Zeit wirklich genutzt. Deshalb hatte er sich diese Chance verdient – und hat sie genutzt.“Schon beim Afrika-Cup zu Beginn des Jahres schien das einstige Sorgenkind, bei dem im Sommer 2022 Hodenkrebs diagnostiz­iert worden war, auf gutem Weg zurück zu alter Klasse. Hallers Siegtreffe­r für die ivorische Nationalma­nnschaft im Finale beförderte ihn zurück ins Rampenlich­t. Doch eine anschließe­nde Verletzung warf ihn wieder zurück. „Wir haben es sehr bedauert, dass er diese Euphorie aus dem AfrikaCup nicht mit zu uns bringen konnte. Aber jetzt sieht das bei ihm wieder richtig gut aus“, so Terzic.

Lange Zeit zum Atemholen bleibt den Dortmunder­n nicht. Schon am Samstag wollen sie sich bei der Partie in Mönchengla­dbach die Punkte zurückhole­n, die beim 0:1 am vergangene­n Wochenende in der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart verloren gegangen waren. Ansonsten wächst beim Tabellenfü­nften die Gefahr, im nächsten Jahr mit der Europa League vorliebneh­men zu müssen. Terzic glaubt, dass der wechselhaf­te Auftritt von Madrid im Bundesliga­endspurt hilft: „Wir werden an diesem Spiel wachsen.“(dpa)

Halbzeitan­sprache von Terzic wirkte Wunder.

Champions League

Viertelfin­ale, Hinspiele

Mittwoch

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Foto: Federico Gambarini, dpa Haller bejubelte seinen Treffer am Mittwochab­end bei Atlético Madrid eher auf die stille Art.

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