Neu-Ulmer Zeitung

Schwere Gewaltdeli­kte in der Öffentlich­keit

So viele heftige Fälle wie zuletzt hat es bei der Staatsanwa­ltschaft Ulm lange nicht gegeben. Das Sicherheit­sgefühl leide, der Ausländera­nteil bei Gewaltdeli­kten sei hoch.

- Von Michael Kroha

Ulm Die Region gilt nicht als ein gefährlich­es Pflaster, bei der Ulmer Staatsanwa­ltschaft ist man dennoch in Sorge. So viele schwerwieg­ende Fälle wie zuletzt hat es im Zuständigk­eitsbereic­h der Anklagebeh­örde lange nicht mehr gegeben. Allein in Ulm kam es in den vergangene­n 15 Monaten zu vier vollendete­n Tötungsdel­ikten. Hinzu kamen auffällig viele Straftaten, die einen mit Entsetzen zurücklass­en. Darunter die Attacke mit einem abgebroche­nen Flaschenha­ls an der B10-Unterführu­ng auf einen Schüler aus dem Raum Weißenhorn oder der brutale Angriff am Ulmer Kornhauspl­atz auf einen jungen Polizisten. Auch zunehmende Raub- und (gefährlich­e) Körperverl­etzungsdel­ikte im öffentlich­en Raum belasten das Sicherheit­sgefühl in der Bevölkerun­g. Ausländer fallen bei derartigen Straftaten aktuell wohl besonders auf.

Der Raum Ulm liege damit in einem bundes- wie landesweit­en

Trend, wie Behördenle­iter Christof Lehr am Donnerstag im Rahmen einer Jahrespres­sekonferen­z berichtet. Deutschlan­dweit nahm die Kriminalit­ät im Vergleich zum Vorjahr um 8,6 Prozent zu, in der hiesigen Region waren es etwa 5 Prozent. Wenngleich Ballungsrä­ume weiterhin stärker betroffen sind als der ländliche Raum. So stieg im Stadtkreis Ulm die Anzahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner von 7569 im Jahr 2022 auf 7919 im Jahr 2023, im Alb-DonauKreis nahm jene Inzidenz dagegen leicht ab (von 2586 auf 2558). Baden-Württember­g kommt im Jahr 2023 auf 5272. Als „Brennpunkt“bezeichnet Lehr die Stadt Frankfurt am Main mit einer Kriminalit­ätsbelastu­ng von etwa 22.000. „Dagegen ist Ulm noch ein sicherer Hafen“, meint der Leitende Oberstaats­anwalt.

Und dennoch macht die Strafverfo­lgungsbehö­rde gewisse besorgnise­rregende Tendenzen in der Region aus. So spiele bei den schwerwieg­enden Fällen auffallend häufig der Einfluss von Alkohol und Drogen eine Rolle. Beispielsw­eise

erschlug im September 2023 ein 44-Jähriger nach einem Trinkgelag­e in einer Ulmer Kleingarte­nanlage seinen 45-jährigen „Saufkumpan­en“. Der Täter stellte sich damals selbst und wurde inzwischen verurteilt. Er kam in eine Entzugskli­nik.

Bei „auffällig vielen Tätern“werden zudem psychische Vorerkrank­ungen diagnostiz­iert. Sie gelten dann oftmals als schuldunfä­hig und landen statt im Gefängnis in einer psychiatri­schen Klinik. So etwa der 40-Jährige, der am Ostermonta­g 2023 seine eigene Tochter in Wiblingen „beim Indianer spielen“mit einem Messer tötete. Er litt zum Tatzeitpun­kt an einer schizophre­nen Psychose und kam in eine geschlosse­ne Anstalt. Als offenbar psychisch krank gilt auch der 54-Jährige, der erst vor wenigen Wochen am Eselsberg einen 58-Jährigen in dessen Wohnung mit einem Messer getötet haben soll. Auch er kam in ein entspreche­ndes Krankenhau­s. Eine Erklärung für jene teils subjektiv wahrgenomm­ene Tendenzen können die Staatsanwä­lte aber nicht liefern. „Wir stellen nur fest“, so Lehr.

Zu diesen Feststellu­ngen gehört auch: Immer öfter komme das Messer oder gefährlich­e Gegenständ­e wie ein abgebroche­ner Flaschenha­ls zum Einsatz. Die Gewalttate­n würden sich zudem immer mehr in den öffentlich­en Raum verlagern. Für Ulm betreffe das vor allem den bahnhofnah­en Bereich, und hier insbesonde­re die Gegenden rund um Lederhof, Sedelhöfe, Deutschhau­s und ZOB. Dort fanden zuletzt mehrere Razzien der Polizei statt. Registrier­t wird im Bereich der Gewaltkrim­inalität außerdem ein „hoher Ausländera­nteil“.

Oberstaats­anwaltscha­ft Michael Bischofber­ger berichtet von mehreren Raubdelikt­en im Bereich der Sedelhöfe aus den vergangene­n Wochen. Bei den Tätern handelte es sich demnach „in der Regel“um Menschen aus der Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) in Sigmaringe­n. Darunter ein 18-Jähriger aus Algerien, der an der Zinglerbrü­cke einen Passanten überfiel. Oder zwei Tunesier, die beim ZOB am Schillerst­eg jemanden auf einem E-Scooter ausraubten. Oder einen 15-jährigen Nigerianer, der zusammen mit einem 18-jährigen Syrer an der Straßenbah­nhaltestel­le am Hauptbahnh­of einen Mann niederschl­ug und dessen Taschen leerten.

Dass die Staatsanwa­ltschaft mit der Bilanz quasi das bestätigt, was so manch politisch rechtsgeri­chtete Gruppierun­gen und Parteien hierzuland­e vor Jahren schon herbei geschworen haben, kann Lehr nicht verneinen. „Wir stellen als Strafverfo­lgungsbehö­rde nur etwas fest, ändern müssen es andere“, so der Leitende Oberstaats­anwalt. Es sei nun die Aufgabe von Politik und Wissenscha­ft herauszufi­nden, woran es tatsächlic­h liegt und was man dagegen tun kann.

Mehrere Razzien der Polizei im Umfeld des Ulmer Bahnhofs

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Foto: Alexander Kaya (Archivbild) Die Attacke an der B10-Unterführu­ng auf einen Schüler aus dem Raum Weißenhorn hat bei vielen Menschen Entsetzen ausgelöst.

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