Schwere Gewaltdelikte in der Öffentlichkeit
So viele heftige Fälle wie zuletzt hat es bei der Staatsanwaltschaft Ulm lange nicht gegeben. Das Sicherheitsgefühl leide, der Ausländeranteil bei Gewaltdelikten sei hoch.
Ulm Die Region gilt nicht als ein gefährliches Pflaster, bei der Ulmer Staatsanwaltschaft ist man dennoch in Sorge. So viele schwerwiegende Fälle wie zuletzt hat es im Zuständigkeitsbereich der Anklagebehörde lange nicht mehr gegeben. Allein in Ulm kam es in den vergangenen 15 Monaten zu vier vollendeten Tötungsdelikten. Hinzu kamen auffällig viele Straftaten, die einen mit Entsetzen zurücklassen. Darunter die Attacke mit einem abgebrochenen Flaschenhals an der B10-Unterführung auf einen Schüler aus dem Raum Weißenhorn oder der brutale Angriff am Ulmer Kornhausplatz auf einen jungen Polizisten. Auch zunehmende Raub- und (gefährliche) Körperverletzungsdelikte im öffentlichen Raum belasten das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Ausländer fallen bei derartigen Straftaten aktuell wohl besonders auf.
Der Raum Ulm liege damit in einem bundes- wie landesweiten
Trend, wie Behördenleiter Christof Lehr am Donnerstag im Rahmen einer Jahrespressekonferenz berichtet. Deutschlandweit nahm die Kriminalität im Vergleich zum Vorjahr um 8,6 Prozent zu, in der hiesigen Region waren es etwa 5 Prozent. Wenngleich Ballungsräume weiterhin stärker betroffen sind als der ländliche Raum. So stieg im Stadtkreis Ulm die Anzahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner von 7569 im Jahr 2022 auf 7919 im Jahr 2023, im Alb-DonauKreis nahm jene Inzidenz dagegen leicht ab (von 2586 auf 2558). Baden-Württemberg kommt im Jahr 2023 auf 5272. Als „Brennpunkt“bezeichnet Lehr die Stadt Frankfurt am Main mit einer Kriminalitätsbelastung von etwa 22.000. „Dagegen ist Ulm noch ein sicherer Hafen“, meint der Leitende Oberstaatsanwalt.
Und dennoch macht die Strafverfolgungsbehörde gewisse besorgniserregende Tendenzen in der Region aus. So spiele bei den schwerwiegenden Fällen auffallend häufig der Einfluss von Alkohol und Drogen eine Rolle. Beispielsweise
erschlug im September 2023 ein 44-Jähriger nach einem Trinkgelage in einer Ulmer Kleingartenanlage seinen 45-jährigen „Saufkumpanen“. Der Täter stellte sich damals selbst und wurde inzwischen verurteilt. Er kam in eine Entzugsklinik.
Bei „auffällig vielen Tätern“werden zudem psychische Vorerkrankungen diagnostiziert. Sie gelten dann oftmals als schuldunfähig und landen statt im Gefängnis in einer psychiatrischen Klinik. So etwa der 40-Jährige, der am Ostermontag 2023 seine eigene Tochter in Wiblingen „beim Indianer spielen“mit einem Messer tötete. Er litt zum Tatzeitpunkt an einer schizophrenen Psychose und kam in eine geschlossene Anstalt. Als offenbar psychisch krank gilt auch der 54-Jährige, der erst vor wenigen Wochen am Eselsberg einen 58-Jährigen in dessen Wohnung mit einem Messer getötet haben soll. Auch er kam in ein entsprechendes Krankenhaus. Eine Erklärung für jene teils subjektiv wahrgenommene Tendenzen können die Staatsanwälte aber nicht liefern. „Wir stellen nur fest“, so Lehr.
Zu diesen Feststellungen gehört auch: Immer öfter komme das Messer oder gefährliche Gegenstände wie ein abgebrochener Flaschenhals zum Einsatz. Die Gewalttaten würden sich zudem immer mehr in den öffentlichen Raum verlagern. Für Ulm betreffe das vor allem den bahnhofnahen Bereich, und hier insbesondere die Gegenden rund um Lederhof, Sedelhöfe, Deutschhaus und ZOB. Dort fanden zuletzt mehrere Razzien der Polizei statt. Registriert wird im Bereich der Gewaltkriminalität außerdem ein „hoher Ausländeranteil“.
Oberstaatsanwaltschaft Michael Bischofberger berichtet von mehreren Raubdelikten im Bereich der Sedelhöfe aus den vergangenen Wochen. Bei den Tätern handelte es sich demnach „in der Regel“um Menschen aus der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Sigmaringen. Darunter ein 18-Jähriger aus Algerien, der an der Zinglerbrücke einen Passanten überfiel. Oder zwei Tunesier, die beim ZOB am Schillersteg jemanden auf einem E-Scooter ausraubten. Oder einen 15-jährigen Nigerianer, der zusammen mit einem 18-jährigen Syrer an der Straßenbahnhaltestelle am Hauptbahnhof einen Mann niederschlug und dessen Taschen leerten.
Dass die Staatsanwaltschaft mit der Bilanz quasi das bestätigt, was so manch politisch rechtsgerichtete Gruppierungen und Parteien hierzulande vor Jahren schon herbei geschworen haben, kann Lehr nicht verneinen. „Wir stellen als Strafverfolgungsbehörde nur etwas fest, ändern müssen es andere“, so der Leitende Oberstaatsanwalt. Es sei nun die Aufgabe von Politik und Wissenschaft herauszufinden, woran es tatsächlich liegt und was man dagegen tun kann.
Mehrere Razzien der Polizei im Umfeld des Ulmer Bahnhofs