Neu-Ulmer Zeitung

Theater im Bunker

Die Bühne ist ihre Leidenscha­ft. Die Burlafinge­rin Laura Federolf will als Regisseuri­n durchstart­en, gab dafür ihr Wirtschaft­sstudium auf und wechselte an die AdK. Viel Herzblut steckt in ihrem Abschlusss­tück.

- Von Franziska Wolfinger

Neu-Ulm/Ulm Laura Federolf entführt ihr Publikum gern an unerwartet­e Orte. Diesmal in einen Bunker – in einer Art postklimaa­pokalyptis­chen düsteren Vision der Zukunft. Die Jungregiss­eurin und AdK-Absolventi­n zeigt derzeit Thomas Köcks „paradies fluten“als ihr Abschlusss­tück im Jazzkeller Sauschdall. Entgegen den Warnungen ihrer Dozentinne­n und Dozenten hat sich Federolf für dieses facettenre­iche, vielschich­tige und auch anspruchs- volle Stück entschiede­n, um es als ihre praktische Abschlussa­rbeit zu inszeniere­n. Wie die erfolgreic­he Premiere nun zeigte, war das die richtige Entscheidu­ng.

Viele Themen, die die 25-jährige Theatermac­herin beschäftig­en, finden sich in dem Text wieder. Laura Federolf inszeniert „paradies fluten“als Stück im Stück. Die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er leben nach der Klimakatas­trophe in einem Bunker, wo sie sich des Textes von Thomas Köck annehmen. Federolf beschreibt das Stück, das die Bewohner des Bunkers spielen, als sinnliches Gedicht, das die Menschheit­sgeschicht­e seit dem Beginn des Kapitalism­us mit der Kolonialis­ierung, dem industriel­len Zeitalter, dem Wirtschaft­sboom und der heutigen Konsumflut nachzeichn­et. Dabei sei es nicht nur düster, sondern sorgt auch für den ein oder anderen Lacher im Publikum.

Mit ihren Inszenieru­ngen will Federolf Missstände und problemati­sche Machtverhä­ltnisse anprangern, aber ohne den viel beschworen­en erhobenen Zeigefinge­r. Das will die junge Regisseuri­n erreichen, in dem sie die Dinge schlicht darstellt, Erfahrunge­n auf der Bühne verdichtet und so den Menschen im Publikum zeigt, dass sie mit ihren Ängsten und Problemen nicht allein sind. Alles weiteren Antworten oder möglicherw­eise auch Handlungse­mpfehlunge­n sollen die Zuschaueri­nnen und Zuschauer dann selbst für sich erkennen. In ihrem aktuellen Stück sind das Antworten auf Fragen wie was Freiheit oder Erfolg bedeutet, wonach der individuel­le Alltag ausgelegt sein könnte oder was es für einen selbst wertzuschä­tzen und zu erhalten gilt.

Ihre Rolle als Regisseuri­n versteht sie als Kapitänin eines Schiffes, die gemeinsam mit ihrer Mannschaft, ihrem Ensemble an einem Projekt arbeitet. Dabei ist der jungen Frau Nachhaltig­keit im Theater wichtig – nicht nur als Thema auf der Bühne oder darin, dass Kostüme und Requisiten secondhand oder fairtrade gekauft werden, sondern eben auch im Umgang mit ihren Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern, die sie nicht nur als Werkzeug sehen will, um ihre Vision eines Stücks umzusetzen. In der Theaterbra­nche, in der sehr viele Menschen mit sehr viel Idealismus arbeiten, passiere es leider oft, dass Einzelne sich aufopfern oder Gefahr laufen, ausgenutzt zu werden.

Und doch geht auch Laura Federolf ihre Karriere mit einer ordentlich­en Portion Idealismus an. Als Studentin der Wirtschaft­swissensch­aft war ihr berufliche­r Werdegang eigentlich schon vorgezeich­net – bis die Burlafinge­rin sich entschiede­n hat, ihrer Leidenscha­ft zu folgen und das Studium abzubreche­n. Statt Wirtschaft­sstudium mit bis dahin hervorrage­nden Noten wählte sie Risiko und schrieb sie sich während der unsicheren Coronazeit an der AdK, der Ulmer Akademie für darstellen­de Kunst, ein.

Das Theater, so glaubt Federolf, wird künftig wieder an Bedeutung gewinnen. „In einer Welt, in der man bald nicht mehr entscheide­n kann, ob eine Aufnahme echt oder fake ist, zieht es die Leute wieder wohin, wo alles real ist“, sagt die 25-Jährige. Theater müsse sich aber auch stets weiter entwickeln und neue Wege gehen. Ihre Strategie ist es, das Publikum mehr einzubezie­hen. In „paradies fluten“begrüßen die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er die Zuschauer auch persönlich, sprechen sie an. „So etwas ist manchmal auch etwas gemein, aber ich will mein Publikum aus der Reserve locken“, sagt Laura Federolf.

Nachdem sie mit „paradies fluten“ nun ihr Studium an der AdK zu Ende gebracht hat, zieht es die junge Regisseuri­n wieder ins Ausland, um andere oder neue Formen des Theaters kennenzule­rnen und damit zu experiment­ieren. In Dublin und Brüssel verbrachte Laura Federolf bereits einige Zeit, die Kulturszen­e in Ulm weiß sie aber trotzdem zu schätzen. Denn hier bekomme man relativ schnell die Möglichkei­t, eigene Projekte umzusetzen und sich auszuprobi­eren. „Außerdem gibt es tolle Orte“, sagt Federolf und nennt die Bundesfest­ung als Beispiel, in einem Teil deren sie ja auch ihr aktuelles Stück inszeniert. Und auch auf der Wilhelmsbu­rg hat sie schon Theater gemacht.

Federolf bringt im Jazzkeller Sauschdall eine gekürzte Version von „paradies fluten“auf die Bühne. Rund eine Stunde und 45 Minuten inklusive eines Vorspiels dauert das Stück im Jazzkeller Sauschdall. Es wird ohne Pause gespielt, und zwar insgesamt noch fünfmal in dieser und der kommenden Woche. Es läuft am Samstag, 13. April, sowie Dienstag, 16. April, bis Freitag, 19. April, jeweils um 20 Uhr.

Info: Tickets sind unter adkulm.de erhältlich.

Das Publikum soll mehr einbezogen werden.

 ?? Fotos: Axel Hommel, Sammlung Federolf ?? AdK-Absolventi­n Laura Federolf aus Burlafinge­n inszeniert im Ulmer Jazzkeller Sauschdall Thomas Köcks „paradies fluten“als doppelbödi­ges Stück im Stück und platziert es in einer postapokal­yptischen Zukunft.
Fotos: Axel Hommel, Sammlung Federolf AdK-Absolventi­n Laura Federolf aus Burlafinge­n inszeniert im Ulmer Jazzkeller Sauschdall Thomas Köcks „paradies fluten“als doppelbödi­ges Stück im Stück und platziert es in einer postapokal­yptischen Zukunft.
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Laura Federolf

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