Debatte über Abtreibung darf nicht zum Kulturkampf werden
Ohne echte Not löst die Regierung einen Konflikt aus in einer ohnehin aufgeheizten Zeit. Will sie den Frauen helfen, sollte sie sich lieber um andere Dinge kümmern.
Zu „Keine unnötigen Diskussionen übers Sternchen!“(Bayern) vom
11. April:
Solang es einer Zeitung, auch dieser, einfällt, „die erste Frau“in irgendeinem Job zu verschlagzeilen (die erste Astronautin, die erste Dirigentin, die erste Präsidentin …), so lange sind die Sternchen und Doppelpunkte und dergleichen eher für die Katz. Wer war eigentlich die erste Äbtissin? Die erste Frau an einer Supermarktkasse? Ein langer Weg noch für die Genderschreibverfechter aus den universitären Laberfächern, die gesellschaftliches Gleichstellungsbewusstsein durch Äußerlichkeiten, also Schreibmoden, und damit von hinten aufgezäumt erreichen möchten. Wie wäre es erst mal mit gleichem Lohn?
Heinz Brückner, Neusäß
Schutz für die Schöpfung
Zum Titelbild „Ausweitung der Kampfzone“vom 12. April:
Schön, dass Sie als Beitrag zur Abtreibungsdebatte ein Bild des Kindes im Mutterleib dargestellt haben. Bei jeder Abtreibung stirbt ein kleiner hilfloser Mensch, den Gott, der Schöpfer allen Lebens, der Mutter anvertraut hat. Aber auch Väter stehen in der Verantwortung und dürfen in Problemfällen die Mütter nicht im Stich lassen.
Sofie Christoph, Aindling
Munition zum Sonderpreis
Zu „Richter stärken Rechte von Vätern“(Politik) vom 10. April: Hoffentlich wird bei der Stärkung der Rechte von leiblichen Vätern auch bedacht, dass alle Väter genauso Pflichten gegenüber ihren Kindern haben. Vor allem, wenn sie Mutter und Kind im Stich lassen, sich ihrer Verantwortung entziehen. Und liebe Mutter, lege dem Vater, der sich wirklich um sein Kind kümmern will, keine Steine in den Weg. Schließlich geht es um das Kind, nicht um den Ex-Partner. Karin Leinfelder, Nördlingen
Kinderkram auf dem Platz
Zu „Was für ein eigentümliches Team“(Sport) vom 11. April:
Es ist natürlich nicht toll, wenn ein Viertelfinale in der Champions League durch so einen Elfmeter entschieden wird. Trotzdem meine Frage: Welche Regeln sind Kinderkram und welche nicht? Jeden Samstag sehe ich etliche nicht korrekt ausgeführte Einwürfe. Schiri, Linienrichter, vierter Offizieller, VAR schreiten trotz manch gefährlicher Situation nicht ein. Also auch eine Kann-Regel. Mag der Schiri die Mannschaft, pfeift er nicht, mag er sie nicht, dann pfeift er halt. Regeln, die man nur einhalten „soll“, gehören abgeschafft. Edwin Berchtenbreiter, Augsburg
Schreiben Sie Ihre Meinung
Es gibt wenige Themen, für die es schwieriger ist, einen Kompromiss zu finden. Wenn es um die Frage nach Leben oder Tod geht, gibt es schlicht keinen Mittelweg. Und doch war es vor 30 Jahren gelungen, so etwas wie eine gesellschaftliche Einigung in der Debatte um Abtreibung zu erzielen. Zum einen stellte der Gesetzgeber durch den Paragrafen 218 klar, dass ein Schwangerschaftsabbruch immer eine Ausnahme ist und niemals ein normales Instrument der Familienplanung werden kann. Zum anderen wurde betroffenen Frauen ein Weg angeboten, eine Entscheidung über den eigenen Körper zu treffen, indem Abbrüche straffrei sind. Nun will die Bundesregierung an diesem mühsam errungenen Konsens rütteln und überlegt, ob sie Abtreibungen legalisiert.
Der Schritt ist mindestens gewagt. Es ist leider zu befürchten, dass alte Kämpfe neu ausgefochten werden. Und dass vor allem Frauen darunter leiden werden. Also jene, für die die Ampel sich doch eigentlich einsetzen will.
Nun darf uns die Angst vor den dunklen Seiten einer Debatte nicht davon abhalten, Themen neu auszuhandeln. Und das Thema Abtreibung ist gesellschaftlich so hoch relevant, dass es sogar eine Pflicht gibt, Für und Wider immer wieder in den Blick zu nehmen. Nur: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür? Schon ohne neuen Konfliktstoff sind die Gräben im Land tief wie lange nicht. Das Vertrauen in die politischen Institutionen ist mindestens angeknackst. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten senden ihre Schockwellen bis auf die Straßen und in die Wohnzimmer unserer Republik. Es darf nicht sein, dass die Debatte um den Paragrafen 218 für einen Kulturkampf missbraucht wird.
Gerade in Zeiten der Krise ist die Versuchung in bestimmten Gruppen
einfach zu groß, mit einem „Früher war alles besser“auch einen Angriff auf feministische Errungenschaften zu verbinden. Wer das nicht glaubt, dem sei ein Blick in die USA empfohlen, wo ein Mann, der vor herabwürdigenden Äußerungen gegenüber Frauen nicht zurückschreckt, die Chance hat, zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt zu werden. Genauso
sollten sich Befürworter einer legalen Abtreibung davor hüten, das Thema zu banalisieren. Die Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen, mag privat erscheinen – doch die Leitplanken, innerhalb derer das Selbstbestimmungsrecht ausgeübt wird, bestimmt der Staat aus gutem Grund.
Will die Regierung den betroffenen Frauen wirklich helfen (und dies kann man wohlmeinend annehmen), sollte sie einen Blick auf die Praxis werfen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn nicht der juristische Unterschied zwischen „straffrei“und „legal“ist das Hauptproblem vieler ungewollt Schwangerer. Vielmehr die Tatsache, dass kaum mehr Ärztinnen und Ärzte überhaupt einen Abbruch vornehmen. Nun verbietet es sich, in einer dermaßen ethisch heiklen Frage Zwang auf Mediziner auszuüben. Kein Arzt sollte dazu verpflichtet werden, ein Leben zu beenden.
Was die Politik hingegen tun kann, ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern, für all jene, die sich dieser schwierigen Aufgabe stellen. Dass Abtreibungsgegner vor Praxen aufmarschieren, dass sie Mediziner bedrängen, dass sie Frauen auflauern – all das darf nicht sein. Wenn die Gesellschaft sich auf einen so schwierigen Ausgleich von Grundrechten, wie es bei Schwangerschaftsabbrüchen der Fall ist, geeinigt hat, haben das alle Seiten zu akzeptieren.
Kaum ein Arzt nimmt überhaupt noch Abtreibungen vor.