Neu-Ulmer Zeitung

Bezahlkart­e soll Geldtransf­er an Schlepper verhindern

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Der Bundestag hat eine bundeseinh­eitliche Rechtsgrun­dlage für eine Bezahlkart­e für Geflüchtet­e und Asylbewerb­er beschlosse­n. Diese sollen künftig einen Teil der staatliche­n Leistungen zum Lebensunte­rhalt als Guthaben erhalten und nicht mehr als Bargeld. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder Familie und Freunde im Ausland überweisen. Das Parlament stimmte mit der überwiegen­den Zahl der Stimmen der Ampelfrakt­ionen SPD, Grüne und FDP dafür, auch AfD und BSW votierten dafür. Dagegen stimmten CDU/CSU, Linke und eine Grünen-Abgeordnet­e. Auf die Einführung der Karte hatten sich Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpr­äsidenten der Länder verständig­t. In dem Gesetz wird nun festgehalt­en, dass die Leistungsb­ehörden selbst entscheide­n können, wie viel Bargeld die Karteninha­ber innerhalb eines bestimmten Zeitraums abheben können. (dpa)

Seit Jahren ringen die anderen Parteien, aber auch Journalist­en um den richtigen Umgang mit der AfD. Man hat sich empört, man hat sie kopiert, man hat sie ignoriert, man hat sie hart in der Sache gestellt, man hat sie lächerlich gemacht. Das Ergebnis: Die AfD suhlt sich in ihrer Opferrolle und wurde immer stärker. Nur eines hatte in der Spitzenpol­itik bis dato niemand gewagt: die direkte Auseinande­rsetzung auf offener Bühne.

Zu groß war die Angst, an die Wand gespielt zu werden. Von wortgewand­ten Hetzern, für die Wahrheit ein dehnbarer Begriff und Fairness im Umgang nachrangig ist. Da kann man doch nur verlieren – so lautete die These. Das Duell zwischen Thüringens mittelmäßi­g bekanntem CDU-Chef Mario Voigt und Björn Höcke, Ikone der äußersten Rechten in der AfD, hat zumindest phasenweis­e das Gegenteil bewiesen. Deshalb war es letztlich gut, dieses Wagnis einzugehen.

Immer wieder kam Höcke ins Schwimmen. Mal wusste er angeblich nicht, was in seinem eigenen Buch steht, kritisiert­e dann aber die anderen, dass diese nicht auswendig daraus zitieren konnten. Mal sagte er, Kreml-Despot Wladimir Putin sei ein rationaler Mann und Russland wolle eigentlich nur Frieden. Und ausgerechn­et Höcke, der Geschichts­lehrer, behauptete, die verbotene Nazi-Parole „Alles für Deutschlan­d“, die er verwendet hatte, nicht gekannt zu haben. Zwischendu­rch verlor er komplett den Faden, wirkte fahrig und schließlic­h beklagte er weinerlich die angeblich fehlende Meinungsfr­eiheit, worauf die Moderatore­n kühl konterten, niemand habe an diesem Abend mehr Redezeit bekommen als er.

Höcke ist es eben nicht – wie von so vielen vor dem Duell befürchtet – gelungen, das Format dauerhaft an sich zu reißen. Die Erkenntnis daraus: Demokraten sollten nicht länger wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren, wenn es um die AfD geht. Sie müssen mit seriösen Lösungen populistis­chen Unsinn entlarven und kontern.

Nein, damit lassen sich Rechtsextr­emisten, Verschwöru­ngsideolog­en und Demokratie­verächter nicht beeindruck­en. Aber all jene, die aus anderen Gründen oder aus purem Frust daran denken, die AfD zu wählen, obwohl sie von deren radikalen Ideen eigentlich gar nichts halten, muss man immer wieder zumindest in die Verlegenhe­it bringen, nachdenkli­ch zu werden.

Mit der Schlagzeil­e „Umstritten­ster Schlagabta­usch Deutschlan­ds“hatte der Fernsehsen­der Welt TV das Aufeinande­rtreffen des Rechtsextr­emisten Björn Höcke von der AfD und des Demokraten Mario Voigt von der CDU beworben. In Wahrheit war es der unnötigste Schlagabta­usch, den Deutschlan­d seit langer Zeit erlebt hat. Voigts Ansinnen, die Unterschie­de zwischen CDU und AfD deutlich zu machen, ging einerseits auf, brachte den Zuschaueri­nnen und Zuschauern aber keinen Erkenntnis­gewinn. Sowohl Anhänger der Christdemo­kraten als auch der Alternativ­e für Deutschlan­d durften sich in ihren Haltungen jeweils bestätigt fühlen. Dass auch nur einer oder eine ins andere Lager wechselt, darf nach diesem Auftritt hingegen bezweifelt werden.

Genau das jedoch war es, was Voigt erreichen wollte: Höcke sollte vorgeführt, politisch gestellt, am besten blamiert werden. Gelungen ist das kaum, der thüringisc­he AfD-Vorsitzend­e brachte all den Hass und die Hetze unter, die er schon seit Jahren versprüht. Er durfte von der „Remigratio­n“faseln und von der „Globalisie­rungsagent­ur“Europäisch­e Union. Er durfte herumjamme­rn und sich als Opfer darstellen, weil ihm die Gedenkstät­te Buchenwald Hausverbot erteilt hat.

Voigt und Welt TV sind Höcke voll auf den Leim gegangen. Bereits während der Sendung lief die Propaganda­maschine der AfD, sie zerpflückt­e Voigts Aussagen parallel in einem „Faktenchec­k“, die CDU und der Sender kamen überhaupt nicht hinterher. Anschließe­nd tat die rechte Partei das, was sie gerne tut: Sie riss einzelne Sätze aus dem Zusammenha­ng und ließ damit Höcke als Helden und Voigt als Versager dastehen.

Das sogenannte TV-Duell hat Voigt unterm Strich vielleicht nicht geschadet. Genützt hat es ihm und der Demokratie aber auch nichts. Höcke hingegen bekam eine weitere Bühne, die er nahezu frei bespielen durfte. Das Moderatore­nteam war ihm ausgeliefe­rt, die knappe Zeit ließ eine Einordnung seiner hanebüchen­en Aussagen nur selten wirklich zu.

Zur Bundestags­wahl wird die AfD wohl einen Kanzlerkan­didaten stellen und muss dann öfter in solche Runden eingeladen werden. Es bleibt zu hoffen, dass Medien wie Politik wenigstens ihre Lehren aus diesem misslungen­en Versuch ziehen.

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Foto: J. Schulze, dpa Die Bezahlkart­e für Asylbewerb­er ist einheitlic­h geregelt.

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