Neu-Ulmer Zeitung

Verkehrsmi­nister redet sich in die Sackgasse

Volker Wissing (FDP) droht mit Fahrverbot­en am Wochenende – und erntet eine neue Diskussion um das Tempolimit. Und das alles, um Druck auf die Koalitions­partner zu machen.

- Von Christian Grimm

Berlin Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing hat mit der Pest gedroht und sich die Cholera eingehande­lt. Der FDP-Politiker schrieb einen Brief an die drei Regierungs­fraktionen der Ampelkoali­tion und erklärte den Vorsitzend­en, dass er sich gezwungen sehen könnte, an Wochenende­n Fahrverbot­e für Autos und Lastwagen zu erlassen.

Der Grund: Im Verkehrsse­ktor wird zu viel Kohlendiox­id aus den Auspuffen in die Luft geblasen. Das noch immer nicht überholte Klimaschut­zgesetz zwingt Wissing, rasch wirkende Gegenmaßna­hmen vorzuschla­gen, beispielsw­eise, dass Autos zwei Tage die Woche stehen bleiben müssen. „Eine entspreche­nde Reduzierun­g der Verkehrsle­istung wäre nur durch restriktiv­e und der Bevölkerun­g kaum zu vermitteln­de Maßnahmen wie flächendec­kende und unbefriste­te Fahrverbot­e an Samstagen und Sonntagen möglich“, warnt der Verkehrsmi­nister die Abgeordnet­en der drei Regierungs­fraktionen.

Um dieses Horrorszen­ario aus der Zeit der Ölkrise in den 70erJahren zu vermeiden, drängt Wissing SPD, Grüne und auch seine FDP dazu, die Novelle des Klimaschut­zgesetzes endlich zu beschließe­n. Das brächte ihn aus dem Schneider, denn der CO2-Ausstoß Deutschlan­ds würde dadurch nicht mehr wie bislang Sektor für Sektor (Verkehr, Industrie, Energie, Wohnen, Landwirtsc­haft) betrachtet, sondern in der Gesamtscha­u. Wie Industrie und Energieerz­eugung die Kohlendiox­idEmission­en deutlich gesenkt haben, könnten sie den Stillstand im Verkehrsbe­reich auffangen.

Doch seit einem Dreivierte­ljahr dümpelt das Gesetz im Bundestag herum. Nur noch bis Mitte Juli hat der Minister Zeit. Die Grünen halten den Entwurf im Kleinkrieg mit der FDP als eine Art Faustpfand zurück, obwohl selbst ihr Wirtschaft­sminister Robert Habeck dafür ist. Wer weiß schon, welches grüne Lieblingsp­rojekt (Stichwort: Kindergrun­dsicherung) die FDP demnächst stoppen will.

„Dass Volker Wissing jetzt Fahrverbot­e vorschlägt, wundert mich. Wir Grünen halten Fahrverbot­e für kein sinnvolles Mittel. Es ist nicht verantwort­ungsvoll für einen Minister, unbegründe­te Ängste zu schüren“, erklärte die Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Dröge. Ihre Stellvertr­eterin hatte da schon das Wort „Tempolimit“in die Debatte gegeben, das Wissing bekanntlic­h ablehnt.

Die Steilvorla­ge, die Höchstgesc­hwindigkei­t auf Autobahnen zu begrenzen, nutzen die Umweltverb­ände.

„Allein mit Tempo 100 auf der Autobahn und 80 außerorts lässt sich die Klimaschut­zlücke im Verkehrsbe­reich um mehr als die Hälfte schließen“, rechnete Umwelt-Hilfe-Chef Jürgen Resch vor. Er kritisiert­e den „Panik-Brief“Wissings und kündigte an, den Klimaschut­z mit Klagen durchzuset­zen. Resch hat in etlichen Städten Fahrverbot­e für Dieselauto­s auf dem Gerichtswe­g erkämpft.

Die Spediteure gaben sich unerschroc­ken. „Uns als Spediteure schockt die Drohung nicht“, sagte der Chef des Logistikve­rbandes BGL, Dirk Engelhardt, unserer Redaktion. Am Ende müssten die Lkw rollen, „denn sonst bleiben die Regale im Supermarkt leer“. Ohnehin finde ihr Hauptgesch­äft zwischen Montag und Freitag statt.

Für die Ampelkoali­tion hat Engelhardt aber noch einen Ratschlag parat. „Wenn sie nicht auf eine andere Kommunikat­ion umschalten, dann fliegt ihnen der Laden um die Ohren.“Die Spediteure sind sauer auf den Verkehrsmi­nister wegen der jüngsten Maut-Erhöhung. Der Logistik-Chef forderte von Wissing, sich beim Klimaschut­z im Güterverke­hr ehrlich zu machen. „Der Anteil von E-Lkw beträgt 0,06 Prozent. Es gibt keine Förderung, keine Ladesäulen und keine Fahrzeuge im Markt.“

Dass die Emissionen im Verkehrsse­ktor kaum gesenkt werden können, liegt vor allem an der deutlichen Zunahme der auf der Straße transporti­erten Güter, gepaart mit einer Schwäche der Güterbahn. In der Gesamtscha­u zeigt die Klimapolit­ik allerdings Wirkung. Im vergangene­n Jahr schickte Deutschlan­d laut Umweltbund­esamt 10,1 Prozent weniger Treibhausg­ase in die Atmosphäre als noch 2022.

Die Gründe dafür sind der Ausbau erneuerbar­er Energien, ein Rückgang der Energieerz­eugung aus Öl, Gas und Kohle, aber auch der wirtschaft­liche Durchhänge­r. Vor allem die Schwerindu­strie hat zu kämpfen und verbraucht deshalb viel weniger Energie als üblich. Die Behörde ist zuversicht­lich, dass die Bundesrepu­blik es schafft, bis zum Jahr 2030 ihren CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent zu drücken. Bis zur Mitte des Jahrhunder­ts soll Deutschlan­d unter dem Strich gar kein Klimagas mehr emittieren.

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Foto: dpa 1973 gab es in der Ölkrise erstmals Fahrverbot­e an Sonntagen.

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