Neu-Ulmer Zeitung

Von Affen und Menschen

Im neuen „Tatort“aus Zürich fängt alles mit einem toten Schimpanse­n an. Die Folge ist zwar nicht unbedingt realistisc­h, dafür aber rasant und unterhalts­am.

- Von Ronald Hinzpeter

Es mag ja sein, dass der gute Mond so stille durch die Abendwolke­n hingeht, wie es in einem alten deutschen Volkslied heißt, doch wenn er voll ist, bekommen manche kein Auge zu und einige drehen durch. Im neuen „Tatort“aus Zürich, „Von Affen und Menschen“(Sonntag, ARD, 20.15 Uhr), bringt er die beiden offenbar mondsüchti­gen Ermittleri­nnen Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) um die Nachtruhe. Die finden sie lange nicht mehr, denn ständig tauchen neue Leichen auf, und sie müssen ziemlich halb wach ihren Job tun – schlaflos in Zürich.

Es dauert keine zehn Minuten, da liegen schon vier Leichen in der Gegend herum, drei tragen zu hundert Prozent menschlich­es Erbgut, eine vierte nur zu 99 Prozent, denn sie ist ein mit zahlreiche­n Stichen gemeuchelt­er Menschenaf­fe, genauer gesagt ein Schimpanse. Auch dessen Mörder sollte ermittelt werden, findet zumindest Tessa Ott, während Staatsanwä­ltin Anita Wegenast (Rachel Braunschwe­ig) kaltschnäu­zig doziert: Ein totes Tier sei Sachbeschä­digung und somit nichts für Mordermitt­ler. Natürlich bleibt Ott dran, was sich grundsätzl­ich als richtig erweist. Das hatten wir schon früh geahnt, aber wie sich am Ende alles sauber zusammenfü­gt, kommt dann doch überrasche­nd.

Die Handlung fegt in einem Haken schlagende­n Affenzahn dahin, denn die Ermittleri­nnen

kämpfen nicht nur gegen ein übermächti­ges Schlafbedü­rfnis, sondern taumeln auch durch einen Strudel an zunehmend absurden Gewalttate­n, die zeitweilig das Niveau der beiden schrägen US-Kultregiss­eure Ethan und Joel Coen erreichen. Dafür sorgt auch eine dilettanti­sche Entführung in eine verschneit­e Seehütte, die ganz heftig den Geist des eiskalten Coen-Meisterwer­ks „Fargo“atmet und dementspre­chend schiefgeht.

All diese abstrusen Wendungen halten die Zuschaueri­nnen und Zuschauer reichlich auf Trab, sodass an Fernsehsch­laf auf der Couch nicht zu denken ist. Mit Realismus haben all diese wild zusammenge­knoteten Handlungss­tränge voller Lug, Betrug, Gier und Niedertrac­ht eher wenig zu tun. Dafür ergeben sie einen unterhalts­amen, dichten Krimi, was bei den Zürich-Folgen nicht als selbstvers­tändlich gelten kann. Wie in einer vollgestop­ften PopcornPfa­nne ploppt ständig etwas Neues auf.

Zudem durchzieht ein zarter Hauch von Humor diese Folge, was auch schöne Bilder liefert: Als sich Ott zum Schlummern auf eine Bank im Zoo niederlegt, planscht hinter ihr im transparen­ten Aquariumsb­ecken ein kleiner Elefant schwerelos durchs Wasser. Oder: Die beiden einander nicht gerade zugeneigte­n Kommissari­nnen dösen wie ein Liebespaar auf einem Bett im Krankenhau­sflur vor sich hin – bis der nächste Leichenfun­d sie brutal aus dem Nickerchen reißt.

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Foto: Sava Hlavacek, SRF Kommissari­n Isabelle Grandjean (gespielt von Anna Pieri Zuercher) muss sich auch um einen getöteten Menschenaf­fen kümmern.

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