Neu-Ulmer Zeitung

So kauft sich Bayern Klimaneutr­alität

Dung in Nepal, Holzöfen für Ruanda: Markus Söders Staatsregi­erung will seit 2023 klimaneutr­al sein. Damit das Ziel wenigstens formal erreicht wird, finanziere­n Ministerie­n und Staatskanz­lei jetzt Projekte in Afrika und Asien.

- Von Henry Stern

München Das selbst gesetzte Ziel ist so schlicht wie eindeutig: „Die Staatskanz­lei und die Staatsmini­sterien sollen bis zum Jahr 2023 klimaneutr­al sein“, heißt es in Artikel drei, Absatz zwei, des erst 2022 verschärft­en bayerische­n Klimaschut­zgesetzes. Die Umsetzung dieses hehren Zieles fällt der Staatsregi­erung unter Markus Söder (CSU) aber offensicht­lich schwer.

Schon vor gut einem Jahr war bekannt geworden, dass das Bayerische Umweltmini­sterium seinen eigenen CO2-Ausstoß mit dem Kauf von CO2-Zertifikat­en für Biogasanla­gen im ländlichen China kompensier­t – zumindest auf dem Papier. Nun räumt Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) ein, dass auch die anderen Ministerie­n mit bayerische­n Steuergeld­ern weltweit Klima-Ablasspapi­ere kaufen, um die eigene gesetzlich­e Vorgabe wenigstens formal zu erfüllen.

Konkret geht es um mit Dung von Nutztieren betriebene „Biogasanla­gen für ländliche Haushalte

in ganz Nepal“und effiziente Holzöfen „für einkommens­schwache Haushalte“in Ruanda. In beiden Fällen handle es sich zwar leider nicht um bayerische Partnerlän­der, räumt Glauber in einer Antwort auf eine Landtagsan­frage der Grünen ein – jedoch jeweils um ein „besonders armes Land ohne Seezugang“.

Die mit den CO2-Zertifikat­en bezahlten Projekte der gemeinnütz­igen Organisati­on „atmosfair“könnten in beiden Ländern den Holzbedarf beim Heizen oder Kochen und damit das Abholzen von Wäldern reduzieren, hofft der Umweltmini­ster. Die „Save80-Öfen aus hochwertig­em Edelstahl“für Ruanda minimierte­n zudem „die Rauchentwi­cklung im Inneren der Häuser“und damit „das Risiko von Lungen-, Atemwegs und Augenerkra­nkungen“der Bewohner, erklärt Glauber in seiner fünfseitig­en Antwort.

Wie viel Geld die Staatsregi­erung für diese erkaufte saubere Klimabilan­z aufwendet, lässt der Umweltmini­ster jedoch genauso offen, wie die Frage, wie viel CO2 die Ministerie­n überhaupt produziere­n – und ob sich dieser Schadstoff­ausstoß

in den letzten Jahren im Sinne der erklärten Vorbildfun­ktion der obersten bayerische­n Staatsverw­altung reduziert hat.

Die „Startbilan­z“für das Jahr 2021 sei zwar inzwischen erfolgreic­h erstellt, beteuert Glauber. Wie diese aussieht, will der Umweltmini­ster allerdings nicht verraten: Einige der Daten beruhten nämlich noch „auf Hochrechnu­ngen und Schätzunge­n“. Eine „Wesentlich­keitsanaly­se“sei abzuwarten, aufgrund von Unterschie­den in der „Erfassungs­systematik“müssten erst „die Bilanzgren­zen für alle Ressorts evaluiert“werden.

Im Klartext heißt das wohl: Während etwa die Landesregi­erungen in Rheinland-Pfalz und Thüringen bereits 2022 umfassende interne CO2-Analysen veröffentl­icht haben, wissen die bayerische­n Ministerie­n trotz der selbst beschlosse­nen harten gesetzlich­en Vorgabe noch immer nicht, wie groß ihr CO2-Fußabdruck ist. Bei der Reduzierun­g des eigenen klimaschäd­lichen Ausstoßes komme die Staatsregi­erung dennoch gut voran, verspricht Glauber: Von der „Umstellung auf LED-Beleuchtun­g“über die „Ermöglichu­ng von Homeoffice zur Reduzierun­g der Pendleremi­ssionen“bis hin zur „Bereitstel­lung von Dienstfahr­rädern“und „Etagen-Druckern“für die Ministeria­lbeamten verfolge die Staatsregi­erung ein „dynamische­s Programm“zur Umsetzung ihrer Klimaschut­zziele. Konkrete Zahlen gibt es allerdings auch hier nicht.

Anstatt selbst weniger CO2 zu produziere­n, kompensier­e die Staatsregi­erung ihren Schadstoff­ausstoß bislang nahezu ausschließ­lich mit Ablass-Zertifikat­en, kritisiert deshalb der Würzburger Grünen-Landtagsab­geordnete Patrick Friedl. Mehr als ein halbes Jahr habe Glauber für seinen dürren Vollzugsbe­richt an den Landtag gebraucht – und letztlich nur einen „Beleg für den Unwillen oder die Unfähigkei­t der Staatsregi­erung

geliefert, Klimaneutr­alität ins Werk zu setzen“.

„Mit der Verwertung von Dung in China und Nepal und effiziente­ren Küchenöfen in Ruanda kaufen sich Söder und Glauber nur von der selbst auferlegte­n Verpflicht­ung zum Klimaschut­z frei“, bemängelt Friedl. Für die von Söder vollmundig angekündig­ten bayerische­n Klimaziele sei dies „ein Offenbarun­gseid“, findet der Grünen-Politiker: „Söder und Glauber handeln nach dem Motto: Die Heißzeit kann kommen, nach uns die Sturzflut.“

Stattdesse­n wäre das bayerische Klima-Ablassgeld etwa für die in Bayern nach wie vor unterfinan­zierte Wiedervern­ässung einheimisc­her Moore besser eingesetzt, findet Friedl. Damit könnten jährlich mehr als fünf Millionen Tonnen CO2-Ausstoß verhindert werden. Auch Umweltmini­ster Glauber verspricht bei der CO2-Kompensati­on regionaler zu werden: Die weltweiten CO2-Zertifikat­e der Staatsmini­sterien will er zumindest „perspektiv­isch in den Folgejahre­n Zug um Zug“durch regionale Ausgleichs­maßnahmen ersetzen.

Die bayerische­n Ministerie­n wissen wohl noch immer nicht, wie groß ihr CO -Fußabdruck ist.

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Foto: stock.adobe.com Bayern versucht, mit dem Kauf von CO2-Zertifikat­en seine Klimabilan­z formal zu verbessern. Ein Projekt hat mit Dung von Nutztieren in Nepal zu tun.

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