Der Atommüll bleibt in Gundremmingen
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat auch die zweite Klage gegen das Zwischenlager auf dem ehemaligen Kernkraftwerksgelände abgewiesen. Die Lagerung sei „hinreichend sicher“. Die Genehmigung gilt bis 2046.
München/Gundremmingen Kurz vor dem ersten Jahrestag des Atomausstiegs in Bayern haben Atomkraftgegner in Schwaben vor Gericht erneut eine Niederlage erlitten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hat die Klage von fünf Nachbarn gegen das Atommüll-Zwischenlager in Gundremmingen (Landkreis Günzburg) abgewiesen.
Die atomrechtlichen Genehmigungen für die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände, die vorerst bis zum Jahr 2046 gelten, müssen nicht aufgehoben werden, entschied das Gericht. Die Kläger reagieren enttäuscht. „Die Richterinnen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs haben die Megagefahren des Zwischenlagers Gundremmingen nicht wahrhaben wollen“, kommentiert Raimund Kamm, Vorstand des „FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e. V.“.
Es waren nicht die ersten Klagen gegen das Zwischenlager in Schwaben, das den Gegnern als das strahlungsintensivste in ganz Deutschland gilt. Bereits im Jahr 2006 waren Kläger aus der Nachbarschaft nach der Einlagerung der ersten Castoren in Gundremmingen und den beiden anderen Zwischenlagern in Unterfranken und Niederbayern vor dem VGH gescheitert. Mittlerweile lagern in Gundremmingen 127 dieser Spezialbehälter zur Aufbewahrung von hoch radioaktivem Atommüll. Ausgelegt ist das Zwischenlager auf 192 Castoren.
Zur Begründung des neuen Urteils teilte der VGH am Freitag mit: „Nach Auffassung des Gerichts ist die erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen (zum Beispiel durch Störfälle im Lager, Materialermüdung) sowie der erforderliche Schutz gegen sogenannte Einwirkungen Dritter (zum Beispiel gezielte Angriffe von außen, etwa durch Flugzeugabstürze) auf das Zwischenlager hinreichend gewährleistet.“Die Einlagerung der Kernbrennstoffe in den Castoren sei für die genehmigte Lagerdauer von 40 Jahren hinreichend sicher.
Die Kritik der Kläger, das Lager sei nicht hinreichend gegen einen möglichen Flugzeugabsturz oder einen terroristischen Angriff geschützt, ließen die Richterinnen und Richter nicht gelten. Das Zwischenlager, so argumentieren sie, müsse nicht eigens gegen den zufälligen Absturz eines schnell fliegenden, mit Bomben bewaffneten Militärflugzeugs während eines Übungsflugs geschützt werden, weil ein solches Szenario extrem unwahrscheinlich sei. Militärische Übungsflüge mit „scharfen“Bomben würden nur ganz ausnahmsweise und nicht in der Region des Zwischenlagers durchgeführt.
Die Hoffnung der Kläger, im zweiten Anlauf doch noch Recht zu bekommen, war bereits zu Beginn der Verhandlungen nicht groß. Wie Raimund Kamm vom FORUM unserer Redaktion sagte, sahen sich die fünf Kläger vor Gericht einem „Atom-Goliath“gegenüber – bestehend aus mehr als 30 Vertretern, Anwälten und Sachverständigen der Bundesgesellschaft für Zwischenlager (BGZ), des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS), des TÜV, des bayerischen Umweltministeriums sowie der Landesanwaltschaft. „Das war“, so Kamm, „tatsächlich wie David gegen Goliath – nur mit dem Unterschied, dass Goliath diesen Kampf noch einmal gewonnen hat.“Außerdem sei schon in der mündlichen Verhandlung im Dezember vergangenen Jahres zu spüren gewesen, „dass zwei Richterinnen unsere Klage abweisen wollten“.
Mit ihren Argumenten jedenfalls drangen die Kläger nicht durch. Sie hatten auf die weltweit wachsende Gefahr überraschender Terrorangriffe ebenso hingewiesen wie auf die ihrer Meinung nach gegebenen Sicherheitslücken im internationalen Flugverkehr. Auch Angriffe von Hackern würden immer brisanter.
Der VGH dagegen stützt sein Urteil auf verschiedene Gutachten. In der Mitteilung heißt es: „Selbst bei Einsturz des Lagergebäudes infolge eines absichtlich herbeigeführten Absturzes eines großen Verkehrsflugzeuges (zum Beispiel Airbus A380) würden die Castoren laut Gutachten den auftretenden mechanischen und thermischen Belastungen so weit standhalten, dass radioaktive Strahlung allenfalls in äußerst geringem Umfang austreten würde.“Durch die ab 2014 umgesetzten baulichen Maßnahmen sei das Zwischenlager zudem so gut gegen das Eindringen von Personen geschützt, dass unmittelbare Angriffe auf die Castoren, etwa mit panzerbrechenden Waffen, bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen seien, bis die Polizei vor Ort sei und ihrerseits gegen die Angreifer vorgehen könne.
Die Debatte über die Gefahren durch den Atommüll ist nach Ansicht der Grünen mit dem Urteil noch nicht beendet. Der energiepolitische Sprecher der Landtagsfraktion,
Vor einem Jahr wurde das letzte Kernkraftwerk im Freistaat vom Netz genommen.
Martin Stümpfig, erklärte dazu am Freitag: „Es ist zu befürchten, dass mit dem Urteil die Probleme der Atommülllagerung jetzt erst recht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Die Gefahren durch Flugzeugabsturz und terroristische oder kriegerische Angriffe steigen aber von Jahr zu Jahr.“
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) habe in den vergangenen sechs Jahren im Rahmen seiner Atomaufsicht keine Initiative gezeigt, sagte Stümpfig und forderte: „Wir brauchen eine ehrliche Debatte um die Gefahren der Zwischenlagerung. Insbesondere angesichts der Aussicht, dass die Zwischenlager noch viele Jahre bestehen werden.“
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs fällt fast auf den Tag genau zusammen mit dem Jahrestag des Atomausstiegs in Bayern. Am 15. April 2023 wurde das Kernkraftwerk Isar 2 in Essenbach (Landkreis Landshut) vom Netz genommen. Ein Schritt, der weiterhin für Diskussionsstoff sorgt. Während CSU und Freie Wähler bis zuletzt für einen Weiterbetrieb plädiert hatten, sind die Grünen froh über das Aus und fordern von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mehr Einsatz für den Ausbau erneuerbarer Energien. Klar ist jedenfalls: Hochgefahren werden kann der Meiler Isar 2 nicht mehr. Der Rückbau hat begonnen, wie eine Sprecherin des Betreibers PreussenElektra sagte. (mit dpa)