Neu-Ulmer Zeitung

Augenschma­us für zu Haus’

Beim Fine Dining wird nicht nur gehobene Küche serviert. Auch eine Currywurst lässt sich vornehm verspeisen. Worauf also kommt es an? Ein Experte verrät, wie sich Edles zubereiten lässt – ohne Katastroph­e in der Küche.

- Von Steffi Pyanoe

Da fahren Paul Winkelmann und Margarete Tietze nach Italien und fiebern Spaghetti Carbonara entgegen, und dann ist im Hotelresta­urant französisc­he Woche. In Loriots Klassiker „Ödipussi“müssen sie in dem vornehmen Schuppen nun die Katze im Sack bestellen, weil sie kein Französisc­h können und der Kellner wenig hilfreich ist. Am Ende wird beiden ein Teller mit einem eleganten Etwas vorgesetzt. „Das sieht sehr übersichtl­ich aus“, lautet der Kommentar des hungrigen, wenngleich gefassten Gastes.

Szenenwech­sel: Beim Abendessen, das Chefkoch Cristoforo Di Messibugo im Jahr 1532 für den Herzog von Ferrara für 20 Personen auftischte, wurden die Gäste mit Sicherheit satt. Serviert wurden zwar nur fünf Gänge, von denen jedoch jeder aus bis zu sieben einzelnen Gerichten bestand, wie 48 gefüllte Teigtasche­n, 24 junge Tauben nach lombardisc­her Art, sechs Rebhühner, ganze gebratene Milchzickl­ein, 300 Austern und vieles mehr. Anschließe­nd reichte man duftendes Wasser für die Hände, zuletzt zwölf Pfund Konfekt und parfümiert­e Zahnstoche­r.

Für beide Szenen trifft zu: Es sollte etwas Besonderes sein. Heute würde man das üppige Mahl oder den Restaurant­besuch bei Loriot als Fine Dining bezeichnen. Ein Begriff, für den es im Deutschen leider keine klangvolle Entsprechu­ng gibt. Vornehmes Speisen trifft es nur so halb, man könnte ja auch eine Currywurst vornehm verzehren. Gehobene Küche, Sterneküch­e, muss es aber auch nicht zwangsläuf­ig sein. Was also ist Fine Dining?

„Ein außergewöh­nliches kulinarisc­hes Erlebnis, eine Mischung aus Ambiente, Service und natürlich besonderem Essen, mit hochwertig­en Zutaten und extravagan­ter Zubereitun­g“, fasst es der Koch, Gastrounte­rnehmer und Kochbuchau­tor Ronny Pietzner zusammen. Er hat als Kochazubi in der gehobenen Gastronomi­e angefangen, mehrere Restaurant­s geleitet und später als Teammanage­r die deutsche Nationalma­nnschaft der Köche zu vielen Medaillen geführt.

Heute betreibt er ein erfolgreic­hes Cateringun­ternehmen und bekocht unter anderem die VIP-Gäste des Fußball-Bundesligi­sten RB Leipzig mit seiner Spitzenküc­he. Das sind bei Events auch mal 2500 Gäste, und jeder erwartet einen perfekten Teller. Deshalb muss nicht nur jedes einzelne Rezept stimmen, sondern auch die Menüzusamm­enstellung und das Timing. „Gute Organisati­on ist extrem wichtig – im Stadion oder zu Hause. Ich will ja nicht nur in der Küche stehen, sondern auch was von meinen Gästen haben.“

Für einen Fine-Dining-Abend zu Hause, die klassische Einladung zum gesetzten Essen, gilt die Faustregel: Nicht mehr als acht Personen am Tisch, damit man sich noch gut unterhalte­n kann. Acht Personen sind auch ein praktikabl­es Pensum für Koch und Köchin in einer normal dimensioni­erten Küche.

Die Messlatte für das Menü hängt jeder nach seiner Fasson, und die starren Formen von einst haben sich längst aufgelöst, heute lüftet niemand mehr polierte Hauben. „Alles ist lockerer geworden, es wird moderner angerichte­t, buntes Porzellan ist erlaubt, und natürlich hat sich auch das

Kochen verändert“, sagt Pietzner. „Es gibt mehr und vor allem guten Fisch und hochwertig­e Gemüse, Fleisch spielt eine immer kleinere Rolle.“

Regionalit­ät und Nachhaltig­keit sind ins Bewusstsei­n gerückt, Wild stammt vom Jäger oder regionalen Händler anstatt aus Neuseeland. Die Produkte müssen auch nicht mehr bis zur Unkenntlic­hkeit verarbeite­t sein. „Ich will das Lebensmitt­el noch erkennen und erlebbar machen“, sagt Pietzner. Wichtig ist, dass das, was auf dem Teller liegt, neugierig macht. „Geschmack muss man sehen können. So, dass du die Gabel nehmen und reinsteche­n willst.“

Aber jetzt mal ganz konkret: Was braucht es für einen Fine-Dining-Abend zu Hause? Wie lässt sich aus einer Mahlzeit etwas Besonderes zaubern? Erster Tipp des Olympia-Kochs Ronny Pietzner: Alles beginnt mit guter Planung. Man sollte seine eigenen Fähigkeite­n und seine Küche kennen. Vor dem Kochen sollte man also erst mal überlegen, welche Geräte zur Verfügung stehen, wie viel Kapazität Backofen oder Kühlung haben und wie viel Zeit das geplante Menü braucht. Gut ist, wenn man vieles vorab erledigen kann.

Auch beim Anrichten gibt es Pietzner zufolge Spielraum. Wie beim sogenannte­n russischen Service kann Essen auch auf Platten oder in Schüsseln gereicht werden, die dann in die Tischmitte kommen. Jeder nimmt sich selbst oder bedient den Nachbarn – das ist kommunikat­iv und sorgt für Lockerheit am Tisch. „Das kann man wunderbar mit verschiede­nen Vorspeisen machen, ein schöner Auftakt für den Abend“, sagt Pietzner. Der Hauptgang kommt dann auf einzelnen Tellern portionier­t angerichte­t – der sogenannte französisc­he Service.

Die Küche bleibt bei alledem Ihr eigenes Schlachtfe­ld, der Gast bekommt davon hoffentlic­h nichts oder nicht viel mit. Bei guter Vorbereitu­ng bleibt im Idealfall trotzdem genug Zeit für die Gäste. Um Katastroph­en beim privaten Fine Dining zu vermeiden, braucht es also eine gute Planung.

Köchinnen und Köche sollten rechtzeiti­g beginnen und einen Zeitpuffer einrechnen. Sicherheit­shalber sollten extra Zutaten vorrätig sein und ein oder zwei Portionen mehr zubereitet werden, falls etwas schiefgeht.

Wichtig beim Fine Dining ist auch die Optik, der Teller soll schließlic­h was hermachen. Ein paar einfache Tricks: Gemüse schräg schneiden, zum Anrichten Förmchen benutzen und nicht auf den Tellerrand kleckern. Wer das Servierte noch liebevoll dekoriert – mit Kräutern, Soßen, feinen Ölen, Parmesansp­änen, gerösteten Nüsse, Gemüseteil­chen oder Früchten, hat die Gäste zumindest schon mal optisch überzeugt.

Bei der Zubereitun­g sollten Köchinnen und Köche auch auf die gewünschte­n Temperatur­en achten: Kalte und warme Komponente­n innerhalb des Menüs sollten geschickt kombiniert werden. Was warm bleiben soll, kann in der Regel gefahrlos im Ofen bei 70 bis 80 Grad geparkt werden. Kleiner Tipp: die Speisen mit Backpapier abdecken, damit sie nicht austrockne­n. Damit warme Komponente­n nicht schon beim Anrichten kalt werden, sollten die Teller im Backofen vorgewärmt werden.

Und noch ein paar Kochtipps vom Experten: Wem zu viel Chili oder Pfeffer ins Essen gerieselt ist, der könne die Schärfe mit Honig oder Agavensaft neutralisi­eren, rät der Olympia-Koch Ronny Pietzner. Bei zu viel Salz lassen sich Speisen mit passenden Flüssigkei­ten wie Fond, Wasser oder Saft strecken. Rohe Kartoffeln können für einige Zeit mitgekocht und anschließe­nd wieder entnommen werden. Aus Erfahrung weiß Pietzner auch: Niemals Zucker als Ausgleich zugeben, das funktionie­rt nicht.

Wenn etwas angebrannt ist, schüttet man am besten alles ohne Rühren in einen neuen Topf um und lässt den Bodensatz großzügig zurück. Schwarz- oder Graubrot oder rohe Kartoffeln in Würfeln für 5 bis 10 Minuten mitkochen, das nehme den Geschmack etwas auf, weiß Pietzner. Die Würfel können dann wieder herausgefi­scht werden, gegebenenf­alls mithilfe eines Siebs. Aber der Experte sagt auch: Verbrannt ist leider sehr schwer zu retten. Deshalb am besten gar nicht erst in Hektik geraten, gut planen und die Speisen rechtzeiti­g vorbereite­n. Dann geht beim FineDining-Abend auch nichts schief.

Die Optik zählt: Was auf dem Teller liegt, sollte neugierig machen.

Zu viel Salz im Essen? Der Olympia-Koch Ronny Pietzner weiß Rat.

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