Neu-Ulmer Zeitung

Das Handy schadet dem Hirn

Die meisten Menschen haben ihr Smartphone immer dabei. Doch die ständige Nutzung kann sich negativ auswirken – vor allem bei Kindern gilt: So wenig wie möglich am Gerät.

- Von Carla Benkö

Zu Hause, unterwegs oder auf der Arbeit: Die meisten haben das Smartphone immer mit dabei. Der ständige Gebrauch könne nicht nur ein Zeitfresse­r sein, sondern sich auch negativ auf das Gehirn auswirken, befürchten Fachleute. „Der Effekt, den Handynutzu­ng auf unser Gehirn hat, hängt davon ab, wie wir die Geräte nutzen und was wir an diesen Geräten machen“, sagt Hirnforsch­er Martin Korte von der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig.

Viele Menschen nutzen das Handy in einem Multitaski­ng-Modus. „Das kann man kaum voneinande­r trennen, weil die Geräte uns ständig begleiten, wir immer darauf schauen oder wir es, wenn wir nicht darauf schauen, aktiv unterdrück­en müssen, das Handy in die Hand zu nehmen“, sagt Korte. Smartphone­s können einer Studie zufolge selbst dann die Aufmerksam­keit beeinfluss­en, wenn man sie nicht nutzt. Zudem hat das Handy negativen Einfluss auf die Arbeitsges­chwindigke­it und die kognitive Leistungsf­ähigkeit. Anders gesagt: Mit dem Smartphone arbeiten Menschen langsamer.

„Einige Studien zeigen, dass man im Multitaski­ng-Modus doppelt so lange braucht, um etwas zu lernen. Man macht 40 Prozent mehr Fehler und kann das, was man gelernt hat, schlechter abrufen“, sagt Korte. „Menschen, die sehr häufig im Multitaski­ng-Modus arbeiten, haben ein schlechter­es Gedächtnis.“Dies sei jedoch reversibel, betont er. „Wenn man sein Verhalten ändert, wird nach einiger Zeit die Gedächtnis­leistung wieder genauso gut wie vorher.“

Zudem gehen dem Experten zufolge mit übermäßige­r Handynutzu­ng Zeiten des Tagträumen­s und Nichtstuns verloren. „Studien zeigen, dass digitale Medien einen auch weniger kreativ machen können, wenn wir sie zu viel nutzen, weil der Leerlauf verloren geht“, sagt Korte. Dabei seien gerade dies die Zeiten, in denen man auf die besten Ideen komme.

Besonders bei Kindern könne zu viel Zeit vor dem Smartphone oder Tablet negative Auswirkung­en haben. „Man sieht an Kindern, die bereits in der Kindergart­en- und Grundschul­zeit intensiv Zeit vor Tablets und Smartphone­s verbringen, dass ein wichtiger Verbindung­sstrang zwischen den beiden großen Spracharea­len, dem Broca-Areal und dem Wernicke-Areal, leidet“, erklärt der renommiert­e Hirnforsch­er. Eine Folge davon könnten Sprachentw­icklungsst­örungen sein. Zudem könnten sich die Kinder oft weniger gut in die Lage anderer Menschen hineinvers­etzen.

Auch Isabel Brandhorst, Leiterin der Forschungs­gruppe internetbe­zogene Störungen und Computersp­ielsucht am Universitä­tsklinikum Tübingen, sieht den Trend mit Sorge: „Die Nutzergrup­pe wird gerade auch mit TikTok immer jünger. Es wird immer weniger geschriebe­ne Sprache eingesetzt und entspreche­nd sind die sozialen Netzwerke immer zugänglich­er für Kinder, die die Schriftspr­ache noch nicht beherrsche­n.“

Internet- und Handynutzu­ng kann auch abhängig machen. Computersp­ielsucht wurde bereits 2017 von der Weltgesund­heitsorgan­isation als Krankheit anerkannt. Zu den Kriterien gehöre etwa eine vermindert­e Kontrolle über das Nutzungsve­rhalten, erklärt Brandhorst. Außerdem: „die Priorisier­ung gegenüber anderen Lebensbere­ichen wie Schule, Familie, Freunde, aber auch Körperhygi­ene, Gesundheit und Schlaf. Das dritte Kriterium ist die Fortsetzun­g des Verhaltens trotz negativer Konsequenz­en.“Um von einer Erkrankung zu sprechen, müsse dieses Verhalten in der Regel über zwölf Monate auftreten und bedeutsame­s Leiden hervorrufe­n, erklärt Brandhorst. Diese Kriterien ließen sich analog auf eine Soziale-Netzwerk-Nutzungsst­örung übertragen. Offiziell anerkannt ist diese Störung aber bisher nicht.

Die übermäßige Nutzung von Smartphone­s und sozialen Medien, die vorwiegend per Handy konsumiert werden, steht auch im Verdacht, sich negativ auf die Psyche auszuwirke­n. Studien deuten auf einen Zusammenha­ng mit Depression­en und Angststöru­ngen hin, doch andere stellen keine Korrelatio­n fest. Daten, die benötigt werden, um eine eindeutige Einschätzu­ng zu treffen, würden „von großen Firmen wie Meta oft unter Verschluss gehalten“, heißt es in einem Statement des Science Media Center.

Die Nutzung eines Handys ist laut Hirnforsch­er Korte nicht per se schädlich. „Aber die Art, wie wir die Geräte nutzen, tut uns nicht gut.“Ein gesunder Umgang bedeute, dass die „Barriere zwischen uns und dem Gerät so groß ist, dass wir nur auf den Knopf drücken, wenn das auch wirklich notwendig ist“, so Korte. Dafür könne man etwa die räumliche Distanz vergrößern: das Handy zum Beispiel beim Lesen abends nicht direkt neben sich legen oder das Gerät in sozialen Interaktio­nen einfach ausschalte­n.

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Foto: Tobias Hase, dpa Kinder, die viel am Handy hängen, können sich oft weniger gut in die Lage anderer Menschen hineinvers­etzen.

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