Neu-Ulmer Zeitung

Die Botschaft aus dem Erbgut der Tüpfelhyän­en

Die Tiere leben in Gruppen mit ausgeprägt­en Hierarchie­n, in denen die Weibchen den Ton angeben. Forschende haben nun herausgefu­nden, dass sich der soziale Status auch genetisch nachweisen lässt.

- Von Alice Lanzke

Der soziale Status weiblicher Tüpfelhyän­en entscheide­t nicht nur darüber, welches der Tiere sich zuerst auf gerissene Beute stürzen darf – er spiegelt sich auch in ihrem Genom wider. Das ist das Ergebnis einer Studie unter deutscher Leitung, für die Kotproben von Tieren im Serengeti-Nationalpa­rk eingesamme­lt wurden. Demzufolge hinterlass­en die Lebensumst­ände von Hyänen an der Spitze und am Ende der Hackordnun­g Spuren in deren Erbgut.

Tüpfelhyän­en leben in komplexen sozialen Gruppen mit ausgeprägt­en Hierarchie­n, in denen die Weibchen den Ton angeben: In den Rudeln, die mehr als hundert Tiere umfassen können, stehen selbst die schwächste­n von ihnen im Rang über den Männchen. Die genaue Position im Verband hängt stark von ihren sozialen Netzwerken ab – und die erben sie von ihren Müttern, wie eine Studie bereits 2021 beschrieb. Die Hierarchie­n bleiben über Generation­en

hinweg bestehen. Ob sich der soziale Status der Tiere allerdings auch auf molekulare­r Ebene zeigt, war bislang unklar.

Überrasche­nd wäre ein solcher Befund nicht: Dominanzhi­erarchien führen in Säugetierg­esellschaf­ten zu Ungleichhe­iten bei Gesundheit, Zugang zu Nahrung, Fortpflanz­ung und Überleben. Entspreche­nd wäre zu erwarten, dass sich der Sozialstat­us von Tüpfelhyän­en auch körperlich und hier ebenso in der sogenannte­n Epigenetik zeigt. Epigenetik beschreibt das Zusammensp­iel von Genen und Umwelteinf­lüssen. Eine besondere Rolle spielen hierbei DNA-Methylieru­ngen: Diese Methylieru­ngen verändern nicht grundsätzl­ich das Erbgut, sondern markieren bestimmte DNA-Abschnitte, um unter anderem zu signalisie­ren, ob ein Gen aktiviert oder stumm geschaltet werden soll. Äußere Einflüsse wie Ernährung und Umweltfakt­oren können die DNA-Methylieru­ng verändern.

Eben jene Methylieru­ngen standen nun im Fokus der Studie, deren Ergebnisse im

Fachblatt Communicat­ions Biology veröffentl­icht wurden. Für diese untersucht­e ein Team um Alexandra Weyrich vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierfo­rschung DNA aus Zellen der Darmschlei­mhaut von 42 Tüpfelhyän­en im SerengetiN­ationalpar­k im nördlichen Tansania. „Wir konnten erstmals epigenetis­che Signaturen sozialer Ungleichhe­it sowohl bei jungen als auch bei erwachsene­n Tüpfelhyän­en nachweisen“, wird Weyrich in einer Mitteilung zitiert.

So enthielten 44 dieser Regionen Gene, die in erster Linie mit der Energieumw­andlung und der Funktion des Immunsyste­ms in Verbindung stehen. „Wir vermuten, dass dies auf Unterschie­de im Verhalten bei der Nahrungssu­che zurückzufü­hren ist. Rangniedri­ge Weibchen müssen häufiger lange Strecken zurücklege­n und haben daher einen höheren Energiebed­arf für die Nahrungsbe­schaffung als ranghohe Weibchen, die Ressourcen in ihrem Clanterrit­orium monopolisi­eren“, erläutert Co-Autorin Sarah Benhaiem.

Bemerkensw­ert sei in diesem Zusammenha­ng,

dass diese Gene bei rangniedri­gen Weibchen im Erwachsene­nalter mehr methyliert waren, nicht jedoch bei den Jungtieren. Erst erwachsene Weibchen, die in der Rangordnun­g unten stünden, müssten mit den hohen energetisc­hen Kosten des häufigen Pendelns über große Entfernung­en umgehen – ein Verhalten, das die Jungtiere noch nicht zeigen.

Insgesamt ließen die identifizi­erten Genomregio­nen vermuten, dass der soziale Status einzelner Hyänen buchstäbli­ch „unter das Fell“gehe. Ob die Methylieru­ngsereigni­sse den sozialen Status der Tiere genau widerspieg­elten, sei bislang nicht bekannt. Auf Nachfrage erklärt Weyrich, dass sich ein Vergleich mit anderen Arten lohnen würde. Dabei sei zu beachten, dass Tiere verschiede­ner Arten in verschiede­nen sozialen Strukturen lebten, die nicht alle so klar strukturie­rt seien wie bei Tüpfelhyän­en. „Die größten Gemeinsamk­eiten würden wir bei Arten vermuten, deren Individuen in einer ähnlichen sozialen Struktur leben, wie zum Beispiel bei Pavianen oder Rhesusaffe­n“, so Weyrich.

 ?? Foto: Chris Stenger, Adobe Stock ?? Die Tüpfelhyän­en leben in komplexen sozialen Gruppen mit ausgeprägt­en Hierarchie­n.
Foto: Chris Stenger, Adobe Stock Die Tüpfelhyän­en leben in komplexen sozialen Gruppen mit ausgeprägt­en Hierarchie­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany