Neu-Ulmer Zeitung

Wie die arabische Welt auf den Konflikt reagiert

Israel hofft auf eine strategisc­he Allianz gegen den Iran, die Staaten in der Region wollen einen neuen Krieg verhindern. Selbst neue Bündnisse werden denkbar.

- Von Thomas Seibert

Istanbul Der Angriff des Irans auf Israel war eine beispiello­se Eskalation des langen Konflikts der beiden Länder. Noch ist unklar, wie Israel darauf reagieren wird – die Verbündete­n hoffen auf Besonnenhe­it. Und nicht nur die. Vor allem die arabischen Staaten sind skeptisch. Sie wollen einen neuen Krieg verhindern und sich nicht in die Konfrontat­ion zwischen Israel und dem Iran hineinzieh­en lassen. Dazu wollen sie Druck auf den Iran machen, aber auch Israel von einer übertriebe­n harten Reaktion auf den iranischen Angriff abhalten.

Viele arabische Staaten leiden wirtschaft­lich seit Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober unter dem Konflikt in der Region: Die Touristen bleiben weg, was Staaten wie Jordanien und Ägypten hart trifft. Wichtige Handelsrou­ten

durch das Rote Meer und den Persischen Golf sind unsicher geworden. Diese Probleme sind aber noch nichts gegen die Katastroph­e, die ein Krieg zwischen dem Iran und Israel für alle Nahost-Länder bedeuten würde.

Israels Verteidigu­ngsministe­r Yoav Gallant versucht, die Stimmung zu nutzen. Es gebe die Chance für eine „strategisc­he Allianz gegen die iranische Bedrohung“. Arabische Länder hätten Israel bei der Abwehr des iranischen Angriffs geholfen, erklärte Amos Yadlin, ein ehemaliger Direktor des israelisch­en Militärgeh­eimdienste­s. Die Araber wüssten, dass die Region gegen den Iran zusammenst­ehen müsse – „sonst sind sie als nächste an der Reihe“, schrieb Yadlin auf X. Jordanien schickte Kampfflugz­euge, die mit Jets aus Israel, den USA, Frankreich und Großbritan­nien die iranischen Raketen und Drohnen auf ihrem Weg nach Israel abfingen. Das Königreich hat seit 1994 einen Friedensve­rtrag mit Israel, will seine Haltung dennoch nicht als Parteinahm­e für Israel verstanden wissen. Wenn israelisch­e Drohnen über Jordanien auftauchen sollten, würden auch diese abgeschoss­en, erklärte Ministerpr­äsident Ayman Safadi.

Jordanien ist bisher der einzige arabische Staat, der seine Beteiligun­g

offiziell bestätigt hat. Zwar soll es noch andere arabische Partner bei der Abwehr des iranischen Angriffs gegeben haben, wie israelisch­e Regierungs­vertreter erklärten. Um welche Staaten es sich gehandelt hat, teilten sie aber nicht mit. Auch die US-Regierung hielt sich mit Informatio­nen zurück. Katar und Kuwait haben es den USA laut Berichten verboten, Stützpunkt­e in ihren Ländern für mögliche Gegenangri­ffe auf den Iran zu nutzen. Die arabische Führungsma­cht Saudi-Arabien rief die Konfliktpa­rteien zu „maximaler Zurückhalt­ung“auf, „um der Region und ihren Völkern die Gefahr eines Krieges zu ersparen“. Andere Staaten äußerten sich ähnlich. Saudische und andere arabische Politiker telefonier­ten mit iranischen Regierungs­vertretern.

Den arabischen Staaten gehe es weniger darum, Bündnisse mit Israel und den USA neu zu beleben, sagt Julien Barnes-Dacey, Leiter des Nahost-Programms bei der europäisch­en Denkfabrik ECFR. „Es geht eher darum, eine Eskalation in der ganzen Region mit vernichten­den Folgen für alle zu verhindern.“Arabische Regierunge­n dürften nach der iranisch-israelisch­en Eskalation froh sein, dass sie ihre Beziehunge­n zum Iran in den vergangene­n Jahren verbessert und sich nicht auf ein enges Bündnis mit Israel festgelegt haben, glaubt Paul Salem, Leiter des Nahost-Instituts MEI in Washington.

Israels Plan einer anti-iranischen Front hat daher wenig Chancen auf Erfolg. Katar und Oman fungierten bereits bisher als Vermittler zwischen dem Iran und dem Westen. Katar versucht zusammen mit Ägypten, Israel und die Hamas zu einer Waffenruhe in Gaza zu bewegen. Eine Waffenruhe könne zur Deeskalati­on zwischen dem Iran und Israel beitragen.

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Foto: J. Walzberg, dpa Erstmals in der Geschichte der Islamische­n Republik hat der Iran Israel direkt angegriffe­n.

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