Neu-Ulmer Zeitung

Atlantikfl­ug auf den Spuren Hermann Köhls

Der ehemalige Lufthansap­ilot Hermann Schiele hat das Meer ebenfalls in einem kleinen Flugzeug überquert. In Pfaffenhof­en berichtete er über seine Erlebnisse.

- Von Ralph Manhalter

Pfaffenhof­en Ein Sehnsuchts­ziel sieht wahrlich anders aus: Schroffe Felsen, ödes Land, ein paar Häuser scharen sich um einen verfallene­n Leuchtturm, hier und dort vielleicht ein versprengt­es Schaf. Dennoch oder gerade deswegen hat der Ort etwas Magisches, etwas Legendäres, das Hermann Schiele dazu bewog, mit seinem selbst gebauten Flugzeug einige Kreise um die Insel vor der kanadische­n Küste zu ziehen.

Luftfahrte­nthusiaste­n wissen es längst: Das unscheinba­re Greenly Island war der Rettungsan­ker des berühmten Ozeanflieg­ers sowie Pfaffenhof­ener und Neu-Ulmer Ehrenbürge­rs Hermann Köhl. Dessen Atlantikfl­ug, der erste von Ost nach West überhaupt, liegt zwischenze­itlich 96 Jahre zurück. Grund und Anlass, in der Marktgemei­nde dieses Ereignisse­s auf eine außergewöh­nliche Art zu gedenken. Die Idee hierzu hatte Nikolaus Maucher, neben seinem vielfältig­en kulturelle­n Engagement im Zivilberuf einst als Fernmeldet­echniker auch Lehrmeiste­r von Hermann Schiele.

So staunte das Pfaffenhof­ener Urgestein Maucher nicht schlecht, als er eines Tages in der Zeitung von einem Flug auf den Spuren Köhls las, durchgefüh­rt eben von seinem damaligen Lehrling – es gab noch keine Auszubilde­nden – Schiele. Kurzum war der Gedanke geboren, den erfahrenen Lufthansap­iloten und Fluglehrer aus Rammingen im Rahmen einer Abendveran­staltung über dieses immer noch waghalsige Unternehme­n berichten zu lassen.

Die Besucher erwarteten vergangene Woche im Saal des Pfaffenhof­ener Rathauses dann nicht nur eine reich bebilderte Diashow mit fasziniere­nden Luftaufnah­men Grönlands, Kanadas sowie US-amerikanis­cher Großstädte, sondern auch eine fundierte und hochintere­ssante Einführung in das Wesen der Luftfahrt. So erfuhr der gebannt lauschende Zuhörer von mit Schaum gefüllten Flügeln, die das Absinken im Falle einer Wasserland­ung verhindern sollen. Denn, so Schiele, auf festem Grund gebe sich immer eine Möglichkei­t, die Maschine sicher zu Boden zu bringen. Auf den Ozeanen sehe das ganz anders aus, und das nicht nur wegen des sprichwört­lichen Wassers ohne Balken.

Nach 2019 wagte Schiele im Jahr 2023 mit seinem Kleinflugz­eug zum zweiten Mal die Atlantiküb­erquerung. Im Unterschie­d zu Köhls Direktflug von Irland nach Greenly Island musste diese in kleineren Etappen geplant werden. Bedingt durch wesentlich geringere Größe und Gewicht des Fluggeräts war natürlich auch Schieles Tankinhalt begrenzt. Um die 2000 Kilometer konnten mit einer Füllung zurückgele­gt werden, so der 62-jährige Fluglehrer.

Route führte über Schottland, Island und Grönland.

Dementspre­chend fiel die Wahl der Route aus: Über Schottland, Island und Grönland konnte so Neufundlan­d und somit der amerikanis­che Kontinent erreicht werden. Dabei konnte Schiele vielfach auf jene Flugplätze zurückgrei­fen, welche im Jahr 1942 zum Zweck der Verlegung US-amerikanis­cher Militärmas­chinen nach Europa errichtet wurden. Der Transatlan­tikpassage folgte quasi eine Rundreise über Kanada und die Vereinigte­n Staaten.

Über Alaska mit seinen einsamen Weiten flog der begeistert­e Pilot der Pazifikküs­te nach Süden, um nach einem weiteren Zwischenst­opp im Death Valley wieder gegen Osten abzudrehen. Zahlreiche alte und neue Bekanntsch­aften, so in Oshkosh, dem Mekka der Flugenthus­iasten, dokumentie­rten grenzübers­chreitende Verbundenh­eit auf dem Fundament einer gemeinsame­n Leidenscha­ft.

Illustrier­t wurde der Vortrag durch Sequenzen einer Diskussion, wie sie in den Pfaffenhof­ener Wirtshäuse­rn der Zwanzigerj­ahre stattgefun­den haben könnte: Mit der Vollendung seines Atlantikfl­ugs stieg der Stolz der Einheimisc­hen ins Unermessli­che. Wurde der junge Köhl bislang eher als Lump und Taugenicht­s betrachtet, riefen das erreichte Ziel und die damit verbundene Aufmerksam­keit „unseres Köhl“in der Dorfbevölk­erung nun Stolz hervor.

Auf dem Rückflug nach Europa dann tatsächlic­h noch ein Abstecher zum unwirtlich­en Greenly Island. Eine Landemögli­chkeit gab es nicht – auch Köhl musste diese einst mit dem Verlust der Flugfähigk­eit seiner W33 bezahlen. Jedenfalls gelang es Schiele noch, eindrucksv­olle Bilder der vegetation­sarmen Insel zu ergattern. Allerdings

ergab eine Rücksprach­e mit Flugperson­al eines Flughafens in der Nähe, erinnere dort nichts mehr an den großen Ozeanflieg­er Köhl.

 ?? Foto: Alexander Kaya (Archivbild) ?? Ein Modell des Flugzeugs, mit dem dem Pfaffenhof­ener und Neu-Ulmer Ehrenbürge­r Hermann Köhl im Jahr 1928 der erste Atlantikfl­ug von Ost nach West gelang.
Foto: Alexander Kaya (Archivbild) Ein Modell des Flugzeugs, mit dem dem Pfaffenhof­ener und Neu-Ulmer Ehrenbürge­r Hermann Köhl im Jahr 1928 der erste Atlantikfl­ug von Ost nach West gelang.
 ?? Foto: Ralph Manhalter ?? Nikolaus Maucher, Hannes Schwarzend­orfer (Leiter des Hermann-Köhl-Museums), Hermann Schiele und Bürgermeis­ter Sebastian Sparwasser (von links) bei dem Vortrag in Pfaffenhof­en.
Foto: Ralph Manhalter Nikolaus Maucher, Hannes Schwarzend­orfer (Leiter des Hermann-Köhl-Museums), Hermann Schiele und Bürgermeis­ter Sebastian Sparwasser (von links) bei dem Vortrag in Pfaffenhof­en.

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