Neu-Ulmer Zeitung

„Die Wahrheit der Kunst liegt im Leid“

Im Vorfeld zum 100. Geburtstag des bayerische­n Bildhauers Fritz Koenig zeigt Landshut eine tief beeindruck­ende Ausstellun­g zu seinen Mahnmalen.

- Von Rüdiger Heinze

Landshut Eigentlich wäre es geboten und angemessen gewesen, dass diese ehrende Erinnerung hier erst am 20. Juni erscheint. Dann nämlich wäre Fritz Koenig, dieser bedeutende bayerische Bildhauer der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts, 100 Jahre alt geworden. Aber weil schon im Vorfeld dieses runden Geburtstag­s im Landshuter Fritz-Koenig-Museum eine außerorden­tlich beachtensw­erte Ausstellun­g zu dem in Würzburg geborenen Künstler läuft – und zwar nur bis zum 9. Juni –, sei eine Ausnahme gemacht.

Die Schau gibt einen Überblick über die Mahnmale Fritz Koenigs, die zwischen 1952 („Denkmal des unbekannte­n politische­n Gefangenen“) und 2002 mit dem Entwurfsmo­dell für die endgültige Wiederaufs­tellung von Koenigs berühmtest­er Skulptur, der „Großen Kugelkarya­tide“auf dem New Yorker Gelände von Ground Zero, entstanden sind – davon später mehr.

Die Mahnmale sind nach Koenigs Einsatz als Frontsolda­t im Zweiten Weltkrieg und nach seinem Studium bei Anton Hiller (Kunstakade­mie München) in oder bei Landshut konzipiert und gefertigt worden, wo der Bildhauer zuletzt, bis zu seinem Tod 2017, auf dem sogenannte­n Ganslberg sein Atelier (nebst Araber-Zuchtgestü­t und Schausamml­ung afrikanisc­her Kunst) betrieb. Zusammen genommen stehen die Arbeiten für Koenigs Credo: „Die Wahrheit der Kunst liegt im Leid, das sie birgt.“

Im Falle des seinerzeit Wettbewerb­s-prämierten „Denkmal des unbekannte­n politische­n Gefangenen“liegt das Leid in der offensicht­lichen Tortur eines aufrechten Menschen, der an Schultern und Oberschenk­eln achtfach fixiert in ein enges Gestell gezwängt ist. Da ist zwangsläuf­ig an Auschwitz und seine tödlich folternden Bestrafung­smethoden zu denken.

Später sollten Mahnmale wie das „Große Kreuz VI“für die Versöhnung­skirche der KZ-Gedenkstät­te Dachau folgen (1967), das Mahnmal für das KZ Mauthausen (1983), der „Klagebalke­n“für die 1972 bei den Olympische­n Spielen in München ermordeten elf israelisch­en Sportler (1995) sowie

„Hiob“-Figuren (1991), von deren eine sich heute in der KZ-Gedenkstät­te Flossenbür­g an passendem Ort befindet.

Zu den beklemmend­sten (Entwurfs-)Modellen Koenigs aber gehört sein Gestaltung­svorschlag zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas, nahe dem Brandenbur­ger Tor in Berlin. Hier evozieren Koenigs Formenspra­che und seine verwendete­n Materialie­n

– Kugeln, schlanke Zylinder, Eisen – ein Bild des Schreckens. Die Kugeln und schlanken Zylinder wachsen zu einem abstrahier­ten Schädel- und Gebeinfeld über Eisen-Rost und Eisenbahns­chienen an. Das ist zwingend in der Überhöhung von Gegenständ­lichkeit und Figuration; seinerzeit mit dem dritten Platz im Wettbewerb um das Mahnmal honoriert. Entstanden ist dann aber das bekannte Stelenfeld von Peter Eisenman.

Ungeplant, tragischer­weise, gehört zu den Mahnmalen Fritz Koenigs heute auch seine „Große Kugelkarya­tide“in New York. In Landshut wird anschaulic­h gemacht, wie sich die fast acht Meter hohe und zwanzig Tonnen schwere Globus-Metallskul­ptur aus dem Motiv eines Auges entwickelt­e, bevor sie 1971 zwischen die ehemaligen Türme des World Trade Centers platziert wurde. Beim Anschlag 9/11 im Jahr 2001 blieb sie – arg ramponiert – intakt. Und Koenig, zweimalige­r Documenta und zweimalige­r Biennale-VenedigTei­lnehmer, entschied, dass das Werk – eben ramponiert – als Mahnmal zum Terroransc­hlag weiterlebe­n solle. Heute steht die Kugelkarya­tide im Liberty Park. Frappieren­d in diesem Zusammenha­ng: dass Koenig schon im Jahr 1994 die Collage eines zerstörten Zwillingst­urmes fertigte. Koenig-Museum, in Landshut, Am Prantlgart­en 1: bis 9. Juni, täglich außer montags.

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Der Bildhauer Fritz Koenig (1924 bis 2017) mit einem Modell seiner Skulptur „Große Kugelkarya­tide“(The Sphere). Die Bronzeskul­ptur stand 30 Jahre lang vor dem World Trade Center in New York.
Foto: Armin Weigel, dpa Der Bildhauer Fritz Koenig (1924 bis 2017) mit einem Modell seiner Skulptur „Große Kugelkarya­tide“(The Sphere). Die Bronzeskul­ptur stand 30 Jahre lang vor dem World Trade Center in New York.
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