Neu-Ulmer Zeitung

Streit unter Taxifahrer­n eskaliert: „Ich hatte Angst um mein Leben“

Zwei Taxifahrer raufen in Neu-Ulm. Der Fall scheint klar, doch dann kommt es anders. Die Gründe liegen offenbar tiefer. Die Rede ist von „Mobbing“.

- Von Michael Kroha

Neu-Ulm „Ich hatte Angst um mein Leben“, berichtet das vermeintli­che 58 Jahre alte Opfer. Vor gut einem Jahr war es zu einer Rauferei zwischen zwei Taxifahrer­n am Neu-Ulmer Bahnhof gekommen. Am Dienstag wurde der Fall vor dem Amtsgerich­t verhandelt. Für Richter Thomas Kirschner schien zumindest zu Beginn der Ausgang klar. Er wollte daher gar nicht groß in die Verhandlun­g einsteigen. Sein Rat an den 51-jährigen Angeklagte­n: den Strafbefeh­l und damit eine Geldstrafe in Höhe von 2800 Euro akzeptiere­n. „Besser wird es nicht“, so Kirschner. Doch es kam anders.

Ereignet hatte sich der Vorfall am 13. April 2023. Am Taxistand entlang der Meininger Allee waren an jenem Donnerstag mehrere Autos aufgereiht. Ein Fahrzeug davon gehörte dem 51-jährigen Angeklagte­n. Es stand an dritter Stelle. Das Auto des vermeintli­ch Geschädigt­en stand an erster Stelle. Mit einem weiteren Taxifahrer habe der 51-Jährige gerade auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te diskutiert, schilderte er vor Gericht. Es sei um grundsätzl­iche Probleme in der Taxibranch­e in

Neu-Ulm gegangen. Auslöser der Eskalation sei dann gewesen, dass der 58-Jährige sein Taxi nicht wie üblich sofort in eine frei gewordene Parkbucht weiter vorne in der Reihe fuhr. „Fahr doch vor“, habe der Angeklagte dem 58-Jährigen zugerufen. Der gab an, gerade anderweiti­g beschäftig­t gewesen zu sein. Statt höflich darum zu bitten, sei der 51-Jährige „wie eine Furie“auf ihn zugerannt und habe ihn wüst beleidigt. Wie es dann tatsächlic­h weiterging, konnte vor Gericht nicht endgültig geklärt werden.

Die Staatsanwa­ltschaft warf dem Angeklagte­n vor, „ohne gerechtfer­tigten Grund“den 58-Jährigen durch das geöffnete Fenster mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihm gedroht zu haben. „Komm zum Ludwigsfel­der Baggersee, dann bring ich dich um“, soll er gesagt haben. Der Angeklagte bestritt jedoch, mit der Faust durch das offene Fenster zugeschlag­en zu haben. An eine ausgesproc­hene Drohung könne er sich nicht erinnern. Er habe den 58-Jährigen lediglich außerhalb des Fahrzeugs geschubst, nachdem der ihn zuvor geschubst und beleidigt habe.

Zwar hatte der 58-Jährige bei der Polizei ausgesagt, er sei mit der

Faust ins Gesicht geschlagen worden. Vor Gericht aber konnte er sich dann doch nicht mehr ganz genau daran erinnern, wo und wie er geschlagen worden sei. Auch gab er an, nicht mehr zu wissen, ob das Fenster am Auto geschlosse­n oder geöffnet war. „Ich hatte Angst um mein Leben“, sagte er. Er sei voll von Adrenalin gewesen und habe versucht, den Vorfall zu verdrängen.

Zur Polizei war er erst wenige Tage nach dem Vorfall gegangen. Er habe deeskalier­end handeln wollen. Doch auf Bitten der Kollegen habe er die Sache doch gemeldet, allerdings keinen Strafantra­g gestellt. Es wurde von Amts wegen ermittelt. Auf einem Video, das die Rauferei zeigt und vor Gericht gezeigt wurde, ist zu sehen, dass nicht nur der Angeklagte, sondern auch das vermeintli­che Opfer von Zeugen zurückgeha­lten werden muss. „Da drehe ich die Hand nicht um“, so Kirschner in Richtung des 58-Jährigen.

Der Angeklagte sprach von

„Mobbing“innerhalb der Taxibranch­e, auch die jeweiligen Nationalit­äten spielen wohl eine Rolle. Auch andere, um die 30 Taxifahrer seien „terrorisie­rt“worden. Zivilrecht­liche Verfahren gebe es bereits. „Ich bin das letzte Opfer.“Auch er sei deshalb nun von NeuUlm nach Ulm gewechselt. Dem vermeintli­chen Opfer warf er „Theaterspi­elerei“vor. Es sei eine „Bande“, die lüge. Die Staatsanwa­ltschaft müsse sich darum mal kümmern „und sauber machen“. Der 58-Jährige warf dem Angeklagte­n hingegen vor, Fahrten an Fremdunter­nehmen zu vergeben und offene Beträge nicht zu bezahlen.

Weitere Zeugen, die beim Streit im April 2023 dabei gewesen waren, waren zur Verhandlun­g am Donnerstag geladen. Ihre Aussage aber hielt das Gericht nicht weiter für notwendig. Die Prozessbet­eiligten einigten sich auf eine Einstellun­g des Verfahrens. Dass der Angeklagte nicht auf den Rat des Richters zu Beginn hörte, sollte sich für ihn lohnen: Statt eines Eintrags ins Vorstrafen­register, der Geldstrafe sowie einem Fahrverbot wurde ihm nun lediglich zur Auflage gemacht, 750 Euro binnen drei Monaten an den Kinderschu­tzbund zu spenden.

Angeklagte­r wirft Opfer „Theaterspi­elerei“vor.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Ein Streit unter zwei Taxifahrer­n in Neu-Ulm ist vor dem Amtsgerich­t gelandet.

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