Streit unter Taxifahrern eskaliert: „Ich hatte Angst um mein Leben“
Zwei Taxifahrer raufen in Neu-Ulm. Der Fall scheint klar, doch dann kommt es anders. Die Gründe liegen offenbar tiefer. Die Rede ist von „Mobbing“.
Neu-Ulm „Ich hatte Angst um mein Leben“, berichtet das vermeintliche 58 Jahre alte Opfer. Vor gut einem Jahr war es zu einer Rauferei zwischen zwei Taxifahrern am Neu-Ulmer Bahnhof gekommen. Am Dienstag wurde der Fall vor dem Amtsgericht verhandelt. Für Richter Thomas Kirschner schien zumindest zu Beginn der Ausgang klar. Er wollte daher gar nicht groß in die Verhandlung einsteigen. Sein Rat an den 51-jährigen Angeklagten: den Strafbefehl und damit eine Geldstrafe in Höhe von 2800 Euro akzeptieren. „Besser wird es nicht“, so Kirschner. Doch es kam anders.
Ereignet hatte sich der Vorfall am 13. April 2023. Am Taxistand entlang der Meininger Allee waren an jenem Donnerstag mehrere Autos aufgereiht. Ein Fahrzeug davon gehörte dem 51-jährigen Angeklagten. Es stand an dritter Stelle. Das Auto des vermeintlich Geschädigten stand an erster Stelle. Mit einem weiteren Taxifahrer habe der 51-Jährige gerade auf der gegenüberliegenden Straßenseite diskutiert, schilderte er vor Gericht. Es sei um grundsätzliche Probleme in der Taxibranche in
Neu-Ulm gegangen. Auslöser der Eskalation sei dann gewesen, dass der 58-Jährige sein Taxi nicht wie üblich sofort in eine frei gewordene Parkbucht weiter vorne in der Reihe fuhr. „Fahr doch vor“, habe der Angeklagte dem 58-Jährigen zugerufen. Der gab an, gerade anderweitig beschäftigt gewesen zu sein. Statt höflich darum zu bitten, sei der 51-Jährige „wie eine Furie“auf ihn zugerannt und habe ihn wüst beleidigt. Wie es dann tatsächlich weiterging, konnte vor Gericht nicht endgültig geklärt werden.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, „ohne gerechtfertigten Grund“den 58-Jährigen durch das geöffnete Fenster mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihm gedroht zu haben. „Komm zum Ludwigsfelder Baggersee, dann bring ich dich um“, soll er gesagt haben. Der Angeklagte bestritt jedoch, mit der Faust durch das offene Fenster zugeschlagen zu haben. An eine ausgesprochene Drohung könne er sich nicht erinnern. Er habe den 58-Jährigen lediglich außerhalb des Fahrzeugs geschubst, nachdem der ihn zuvor geschubst und beleidigt habe.
Zwar hatte der 58-Jährige bei der Polizei ausgesagt, er sei mit der
Faust ins Gesicht geschlagen worden. Vor Gericht aber konnte er sich dann doch nicht mehr ganz genau daran erinnern, wo und wie er geschlagen worden sei. Auch gab er an, nicht mehr zu wissen, ob das Fenster am Auto geschlossen oder geöffnet war. „Ich hatte Angst um mein Leben“, sagte er. Er sei voll von Adrenalin gewesen und habe versucht, den Vorfall zu verdrängen.
Zur Polizei war er erst wenige Tage nach dem Vorfall gegangen. Er habe deeskalierend handeln wollen. Doch auf Bitten der Kollegen habe er die Sache doch gemeldet, allerdings keinen Strafantrag gestellt. Es wurde von Amts wegen ermittelt. Auf einem Video, das die Rauferei zeigt und vor Gericht gezeigt wurde, ist zu sehen, dass nicht nur der Angeklagte, sondern auch das vermeintliche Opfer von Zeugen zurückgehalten werden muss. „Da drehe ich die Hand nicht um“, so Kirschner in Richtung des 58-Jährigen.
Der Angeklagte sprach von
„Mobbing“innerhalb der Taxibranche, auch die jeweiligen Nationalitäten spielen wohl eine Rolle. Auch andere, um die 30 Taxifahrer seien „terrorisiert“worden. Zivilrechtliche Verfahren gebe es bereits. „Ich bin das letzte Opfer.“Auch er sei deshalb nun von NeuUlm nach Ulm gewechselt. Dem vermeintlichen Opfer warf er „Theaterspielerei“vor. Es sei eine „Bande“, die lüge. Die Staatsanwaltschaft müsse sich darum mal kümmern „und sauber machen“. Der 58-Jährige warf dem Angeklagten hingegen vor, Fahrten an Fremdunternehmen zu vergeben und offene Beträge nicht zu bezahlen.
Weitere Zeugen, die beim Streit im April 2023 dabei gewesen waren, waren zur Verhandlung am Donnerstag geladen. Ihre Aussage aber hielt das Gericht nicht weiter für notwendig. Die Prozessbeteiligten einigten sich auf eine Einstellung des Verfahrens. Dass der Angeklagte nicht auf den Rat des Richters zu Beginn hörte, sollte sich für ihn lohnen: Statt eines Eintrags ins Vorstrafenregister, der Geldstrafe sowie einem Fahrverbot wurde ihm nun lediglich zur Auflage gemacht, 750 Euro binnen drei Monaten an den Kinderschutzbund zu spenden.
Angeklagter wirft Opfer „Theaterspielerei“vor.