Berlin startet Waffen-Initiative für die Ukraine
Munition, Geld, Material: Die Luftabwehr des Landes braucht dringend Nachschub.
Berlin Die Bundesregierung reagiert mit einer internationalen WaffenInitiative auf die immer verzweifelteren Hilferufe der Ukraine nach mehr Luftabwehr. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) haben sich mit einem entsprechenden Appell an Partner in aller Welt gewandt und dringend um Unterstützung gebeten, wie Sprecher beider Ministerien am Mittwoch bestätigten.
Dabei ist alles willkommen, was der Ukraine dabei hilft, die eigene Flugabwehr zu stärken: Munition, Geld oder auch komplette Waffensysteme wie das Patriot-Abwehrsystem. Deutschland hat gerade entschieden, ein drittes PatriotSystem aus Bundeswehrbeständen abzugeben. Es war kein leichter Schritt, denn mit der Lieferung allein ist es nicht getan. Bislang mussten ukrainische Soldaten für den Umgang mit dem komplizierten Gerät geschult werden, die Kosten pro System und den dazugehörigen Raketen belaufen sich auf etwa eine Milliarde Euro. Außerdem reißt eine solche Lieferung tiefe Lücken in der eigenen Landesverteidigung auf.
Der Hintergrund jedoch ist ernst: Ukrainische Militärexperten warnen schon lange vor der möglicherweise kriegsentscheidenden Gefahr, die von russischen Gleitbomben ausgeht. Diese haben eine Reichweite von etwa 70 Kilometern und sind vom gegnerischen Radar praktisch nicht zu orten. Abwehrmöglichkeiten gibt es deshalb kaum. Etwa 500 dieser rund anderthalb Tonnen schweren Gleitbomben feuern Moskaus Truppen derzeit pro Woche ab, das ergibt eine Analyse der ukrainischen Regierung, über die die britische Zeitung The Guardian berichtete.
Die Geschosse treffen sowohl die ukrainischen Soldaten an der Front wie auch wichtige Infrastruktur im Inland – doch um alle Angriffe abzuwehren, ist die Luftabwehr
der Ukraine nicht mehr kräftig genug. Ihr kommt in den strategischen Überlegungen eine entscheidende Rolle zu, denn sie muss russische Flugzeuge abschießen, bevor diese die Gleitbomben abwerfen können. Baerbock und Pistorius bitten deshalb nicht nur die Nato-Partner sowie Länder der EU um Hilfe. Auch Drittstaaten werden angesprochen, denkbar sind etwa Länder wie Japan.
Das Außenamt in Berlin erklärte, das Thema werde beim Treffen der G7-Außenminister und -Außenministerinnen am Donnerstag und Freitag auf Capri besprochen. Außenministerin Baerbock erklärte vor ihrem Abflug zu dem Treffen, man werde jetzt entschlossen bei der Abwehr des russischen Terrors aus der Luft nachlegen. „Eine stärkere Luftabwehr ist eine Frage des Überlebens für Tausende Menschen in der Ukraine und der beste Schutz für unsere eigene Sicherheit“, sagte sie. Bei den Beratungen der EU-Außenminister soll das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung stehen – und bei einem zweitägigen EU-Gipfel in Brüssel, der an diesem Donnerstag endet. „Der Europäische Rat betont die dringende Notwendigkeit, der Ukraine Luftverteidigungssysteme zu liefern und die Lieferung aller erforderlichen militärischen Unterstützung, einschließlich Artilleriemunition und Raketen, zu beschleunigen und zu intensivieren“, heißt es im Entwurf für eine Erklärung zum russischen Angriffskrieg.
Ein russischer Raketenangriff auf die Großstadt Tschernihiw im Norden der Ukraine hat am Mittwochmorgen mindestens 14 Todesopfer und Dutzende Verletzte gefordert. Darunter sind auch mehrere Kinder. Vorfälle wie dieser sind nichts Neues im UkraineKrieg. Ungewöhnlich ist allerdings die Reaktion des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der Angriff auf die nördlich von Kiew gelegene Stadt wäre nicht passiert, wenn die Ukraine eine ausreichende Luftabwehr erhalten hätte, kritisierte er. Kommentar