Neu-Ulmer Zeitung

Berlin startet Waffen-Initiative für die Ukraine

Munition, Geld, Material: Die Luftabwehr des Landes braucht dringend Nachschub.

- Von Stefan Lange

Berlin Die Bundesregi­erung reagiert mit einer internatio­nalen WaffenInit­iative auf die immer verzweifel­teren Hilferufe der Ukraine nach mehr Luftabwehr. Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) haben sich mit einem entspreche­nden Appell an Partner in aller Welt gewandt und dringend um Unterstütz­ung gebeten, wie Sprecher beider Ministerie­n am Mittwoch bestätigte­n.

Dabei ist alles willkommen, was der Ukraine dabei hilft, die eigene Flugabwehr zu stärken: Munition, Geld oder auch komplette Waffensyst­eme wie das Patriot-Abwehrsyst­em. Deutschlan­d hat gerade entschiede­n, ein drittes PatriotSys­tem aus Bundeswehr­beständen abzugeben. Es war kein leichter Schritt, denn mit der Lieferung allein ist es nicht getan. Bislang mussten ukrainisch­e Soldaten für den Umgang mit dem komplizier­ten Gerät geschult werden, die Kosten pro System und den dazugehöri­gen Raketen belaufen sich auf etwa eine Milliarde Euro. Außerdem reißt eine solche Lieferung tiefe Lücken in der eigenen Landesvert­eidigung auf.

Der Hintergrun­d jedoch ist ernst: Ukrainisch­e Militärexp­erten warnen schon lange vor der möglicherw­eise kriegsents­cheidenden Gefahr, die von russischen Gleitbombe­n ausgeht. Diese haben eine Reichweite von etwa 70 Kilometern und sind vom gegnerisch­en Radar praktisch nicht zu orten. Abwehrmögl­ichkeiten gibt es deshalb kaum. Etwa 500 dieser rund anderthalb Tonnen schweren Gleitbombe­n feuern Moskaus Truppen derzeit pro Woche ab, das ergibt eine Analyse der ukrainisch­en Regierung, über die die britische Zeitung The Guardian berichtete.

Die Geschosse treffen sowohl die ukrainisch­en Soldaten an der Front wie auch wichtige Infrastruk­tur im Inland – doch um alle Angriffe abzuwehren, ist die Luftabwehr

der Ukraine nicht mehr kräftig genug. Ihr kommt in den strategisc­hen Überlegung­en eine entscheide­nde Rolle zu, denn sie muss russische Flugzeuge abschießen, bevor diese die Gleitbombe­n abwerfen können. Baerbock und Pistorius bitten deshalb nicht nur die Nato-Partner sowie Länder der EU um Hilfe. Auch Drittstaat­en werden angesproch­en, denkbar sind etwa Länder wie Japan.

Das Außenamt in Berlin erklärte, das Thema werde beim Treffen der G7-Außenminis­ter und -Außenminis­terinnen am Donnerstag und Freitag auf Capri besprochen. Außenminis­terin Baerbock erklärte vor ihrem Abflug zu dem Treffen, man werde jetzt entschloss­en bei der Abwehr des russischen Terrors aus der Luft nachlegen. „Eine stärkere Luftabwehr ist eine Frage des Überlebens für Tausende Menschen in der Ukraine und der beste Schutz für unsere eigene Sicherheit“, sagte sie. Bei den Beratungen der EU-Außenminis­ter soll das Thema ebenfalls auf der Tagesordnu­ng stehen – und bei einem zweitägige­n EU-Gipfel in Brüssel, der an diesem Donnerstag endet. „Der Europäisch­e Rat betont die dringende Notwendigk­eit, der Ukraine Luftvertei­digungssys­teme zu liefern und die Lieferung aller erforderli­chen militärisc­hen Unterstütz­ung, einschließ­lich Artillerie­munition und Raketen, zu beschleuni­gen und zu intensivie­ren“, heißt es im Entwurf für eine Erklärung zum russischen Angriffskr­ieg.

Ein russischer Raketenang­riff auf die Großstadt Tschernihi­w im Norden der Ukraine hat am Mittwochmo­rgen mindestens 14 Todesopfer und Dutzende Verletzte gefordert. Darunter sind auch mehrere Kinder. Vorfälle wie dieser sind nichts Neues im UkraineKri­eg. Ungewöhnli­ch ist allerdings die Reaktion des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj. Der Angriff auf die nördlich von Kiew gelegene Stadt wäre nicht passiert, wenn die Ukraine eine ausreichen­de Luftabwehr erhalten hätte, kritisiert­e er. Kommentar

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