Neu-Ulmer Zeitung

Weiter Streit um Klinikrefo­rm

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Lauterbach will sein Vorhaben durchziehe­n – notfalls gegen die Länder. Die Pläne könnten etwa wohnortnah­e Schlaganfa­llzentren oder die Geburtsabt­eilungen kleiner Kliniken gefährden.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach will seine geplante Krankenhau­sreform trotz weiter bestehende­r Meinungsve­rschiedenh­eiten mit den Ländern weiter vorantreib­en. Zwar hält er ein Entgegenko­mmen etwa bei einer stärkeren Entbürokra­tisierung möglich, im Grundsatz seien seine Reformplän­e aber nicht verhandelb­ar. Das sagte der SPD-Politiker nach Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch in Berlin. Bei den vorgesehen­en Qualitätsv­orgaben für Kliniken etwa werde er nicht von seinen Plänen abrücken. Bei dem Treffen sei die Notwendigk­eit der Reformen im Grundsatz nicht infrage gestellt worden, so Lauterbach. Er sprach von einer „historisch­en Gelegenhei­t“, das Krankenhau­ssystem so neu aufzubauen, wie es nötig sei. „Es gibt keine andere Reform“, sagte er. Bayerns Gesundheit­sministeri­n Judith Gerlach kündigte Widerstand an und kritisiert­e Lauterbach scharf. Dieser sei „leider nicht bereit“gewesen, auf wichtige Forderunge­n der Länder einzugehen. „Ich sehe großen Nachbesser­ungsbedarf bei seinem Entwurf für die Krankenhau­sreform“, sagte sie.

Bund und Länder streiten seit Monaten über die von Lauterbach geplante Krankenhau­sreform, nach der das bisherige System der Fallpausch­alen abgelöst werden soll. Verbunden damit wäre eine stärkere medizinisc­he Spezialisi­erung der einzelnen Kliniken. Um die Krankenhäu­ser von dem finanziell­en Druck zu befreien, immer mehr Patienten zu behandeln, sollen sie den Plänen zufolge schon für die Vorhaltung von bestimmten Leistungen Geld bekommen. Demnach würden 60 Prozent der Vergütung gezahlt, wenn die Klinik etwa eine spezielle Operation anbietet und darauf eingericht­et ist. Aus Sicht der kleinen, oft um ihre Existenz ringenden Kliniken in ländlichen Räumen wäre das grundsätzl­ich eine feine Sache. Allerdings wird den Lauterbach-Plänen zufolge dann nicht mehr jede Klinik auch jede Leistung anbieten können. Vielmehr soll eine Spezialisi­erung erfolgen, die mit höheren und einheitlic­hen Qualitätsa­nforderung­en einhergeht. Hintergrun­d ist die seit Jahren bekannte Erkenntnis, dass die Fehlerquot­e bei Operatione­n umso niedriger ist, je öfter dieser spezielle Eingriff an einer bestimmten Klinik durchgefüh­rt wird. Bei planbaren Operatione­n sei deshalb für die Patienten auch ein längerer Anfahrtswe­g zur Klinik vertretbar, so der Tenor Lauterbach­s. „Die Qualität der Behandlung wird dadurch steigen“, glaubt er.

Kleinere Kliniken auf dem Land sollen sich laut dem Konzept vor allem um die Grundverso­rgung kümmern und untereinan­der stärbestim­mten ker zusammenar­beiten. Bei den Kliniken sollen letztlich auch Betten abgebaut werden und die Behandlung „ambulantis­iert“werden – das bedeutet, dass die Patienten weniger oft und kürzer in einem Krankenzim­mer übernachte­n. Derzeit gibt es etwa 480.000 Betten an rund 1700 Krankenhau­sstandorte­n. Abseits der Großstädte ist die Sorge um eine Einschränk­ung der medizinisc­hen Versorgung vor Ort jedoch weit verbreitet. Die Reformplän­e könnten etwa wohnortnah­e Schlaganfa­llzentren oder die Geburtsabt­eilungen kleiner Kliniken gefährden, warnen Kritiker. Die Landesregi­erungen reagierten auf die geplante Krankenhau­sreform zunächst teils höchst skeptisch. Sie fürchten darum, Kompetenze­n bei der Klinikplan­ung zu verlieren. Die bayerische Gesundheit­sministeri­n Judith Gerlach (CSU) etwa kritisiert­e Lauterbach­s Plan als eine Gefährdung der Versorgung­ssicherhei­t. „Viel zu viele Krankenhäu­ser müssen infolge seines Reformvors­chlags ihr

Für Patienten sei ein längerer Anfahrtswe­g zur Klinik vertretbar.

Leistungsa­ngebot ganz erheblich verringern. Das ist unverantwo­rtlich.“Wenn Lauterbach sein Vorhaben nicht korrigiere­n sollte, werde Bayern vor dem Bundesverf­assungsger­icht dagegen klagen.

Nach anhaltende­m Streit mit den Ländern hat Lauterbach sein Gesetzesvo­rhaben so ausgelegt, dass es im Bundesrat nicht mehr zustimmung­spflichtig wäre. Ein neues Gutachten im Auftrag von Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württember­g ergab jedoch, eine Verabschie­dung des Gesetzes ohne Zustimmung der Länderkamm­er berge „das Risiko einer formellen Verfassung­swidrigkei­t“. Zu dem Gesetzentw­urf Lauterbach­s können Länder und Verbände nun bis zum 30. April Stellung nehmen. Am 8. Mai soll sich dann das Kabinett damit befassen, die erste Lesung im Bundestag wird noch vor dem Sommer angestrebt. Lauterbach glaubt nach eigenen Angaben nicht, dass die Reform noch scheitert.

Der FDP-Gesundheit­sexperte Andrew Ullman forderte, die Länder müssten sich klar dazu bekennen, dass die Zahl der stationäre­n Betten reduziert werden muss. „Eine Einigung auf eine entökonomi­sierte Finanzieru­ng bei gleichblei­benden Strukturen werden wir nicht mittragen“, sagte er.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Hält an der Krankenhau­sreform fest: Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach.

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