Neu-Ulmer Zeitung

Zu Besuch in Söders Revier

CDU-Chef Friedrich Merz ist derzeit viel in Bayern unterwegs. Immer mit dabei: die Frage nach dem Kanzlerkan­didaten der Union.

- Von Christoph Frey

München Es soll keiner glauben, dass er sich mit 70 Jahren zu alt fühlt für das Amt des Bundeskanz­lers. Der Vater wurde zu Beginn des Jahres 100, die Mutter ist 96. An den Genen soll es also nicht liegen, wenn Joachim-Friedrich Martin Josef Merz im Spätsommer dieses Jahres nicht zum Kanzlerkan­didaten der Union ausgerufen würde. Eher an anderen Dingen.

Geht alles seinen normalen Gang, wäre Merz als Partei- und Fraktionsc­hef der in Umfragen führenden CDU die erste Wahl, um Kanzler Olaf Scholz (SPD) herauszufo­rdern. Aber ist der Favorit auch der richtige Mann? Gegen diese Zweifel muss der 69-Jährige aus dem Sauerland ankämpfen. In Umfragen schneiden die parteiinte­rnen Konkurrent­en Hendrik Wüst und Markus Söder weitaus besser ab. Erst vor wenigen Tagen hat Bernhard Vogel, einst für die CDU in zwei verschiede­nen Bundesländ­ern Ministerpr­äsident, an der Eignung von Merz gezweifelt.

Also doch eher Wüst, der gerade durch die USA tourt, oder Söder? Der Franke, der sich schon 2021 kurzzeitig als Bundeskanz­ler-Kandidat der Union wähnte, beteuert zwar standhaft, sein Platz sei in Bayern. Aber viele, die ihm politisch nahestehen, sagen: Sollte Söder eine zweite Chance sehen, wird er sie ergreifen. Das erste Opfer wäre Merz. Der CDU-Chef, dieser Tage viel in Bayern unterwegs, kennt das. Schon einmal kosteten ihn die politische­n Ambitionen eines CSU-Ministerpr­äsidenten die Karriere.

Als Angela Merkel Edmund Stoiber den Vortritt ließ, war der damalige CDU-Fraktionsc­hef Merz eines der ersten Opfer und kehrte schließlic­h der Politik den

Rücken. Die Geschichte seines Auf-, Aus- und Wiedereins­tiegs in die Politik wurde gerade im ZDF zu bester Sendezeit in einem 45-minütigen Porträt erzählt. Darin wurde klar: Der 1,97 Meter große Sauerlände­r, dessen Aussagen oft polarisier­en („kleine Paschas“) und der drei Anläufe brauchte, um an die CDU-Spitze zu kommen, sieht sich längst nicht am Ende des Weges – und dessen Ziel ist klar.

Damit es Merz nicht aus der Kurve trägt, hält er sich an den mit Söder verabredet­en Fahrplan: Erst im Spätsommer dieses Jahres würden CDU und CSU gemeinsam entscheide­n, wer die Union dann 2025 in den Bundestags­wahlkampf führen soll. Diese Abmachung soll sicherstel­len, dass diesmal keine unionsinte­rne Rivalität die eigene Kampagne behindert.

Seit Monaten demonstrie­ren Merz und Söder also Einigkeit – neulich allerdings konnte sich der CDU-Chef einen Lacherfolg auf Kosten des Kollegen aus Bayern nicht verkneifen. Er spöttelte auf einem Empfang der Jungen Union mittels eines Ostereis mit SöderKonte­rfei über den Ministerpr­äsidenten, der kurzfristi­g abgesagt hatte: „Markus Söder ist zwar heute Abend physisch im Landtag, aber als Ei heute Abend bei uns.“

Es war auch eine Anspielung auf eine Aktion des Ministerpr­äsidenten, der zuvor via soziale Netzwerke ein nahezu baugleiche­s Schokolade­nei verlost hatte. Bei einem Hintergrun­dgespräch mit Journalist­en in München, aus dem nur eingeschrä­nkt zitiert werden darf, zeigte sich Merz dagegen ernsthafte­r. Söder erwähnte er kaum. Wüst gar nicht. Der CDU-Chef grenzte sich und seine Partei klar von der AfD ab, bescheinig­te Deutschlan­d Reformbeda­rf und machte klar, dass sich die Prioritäte­n in der Politik durch den Überfall Russlands auf die Ukraine verschoben hätten. „Jetzt geht es zuerst um Freiheit, Sicherheit und Wohlstand. Deutschlan­d muss gemeinsam mit Frankreich bereit sein, eine Führungsro­lle in Europa zu übernehmen.“Welche Rolle er dabei spielen soll? Merz, aktuell 69 Jahre alt und viel unterwegs in eigener Sache, hätte da schon eine Idee.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Markus Söder und Friedrich Merz demonstrie­rten vor einem Jahr Einigkeit. Am Ende aber kann nur einer Kandidat werden.
Foto: Peter Kneffel, dpa Markus Söder und Friedrich Merz demonstrie­rten vor einem Jahr Einigkeit. Am Ende aber kann nur einer Kandidat werden.

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