Neu-Ulmer Zeitung

Für 360.000 Euro nach Deutschlan­d

Eine Bande soll in großem Stil vor allem an Chinesen gegen viel Geld Aufenthalt­stitel in Deutschlan­d verkauft haben. Nun hat die Bundespoli­zei zugeschlag­en – auch mit Banknotens­pürhunden.

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Düsseldorf Das Lockmittel war Werbung für ein „Weltklasse-Gesundheit­ssystem“und beste Bildung: Mit einer Großrazzia in acht Bundesländ­ern hat die Polizei eine internatio­nal agierende Schleuserb­ande zerschlage­n, die sich besonders auf reiche Menschen aus China und Oman spezialisi­ert hatte. Mehr als 1000 Beamte durchsucht­en am Mittwoch mehr als 100 Wohnungen, Geschäftsr­äume und Behörden und verhaftete­n dabei zehn Beschuldig­te. Bis zu 360.000 Euro kostete die Vermittlun­g einer Aufenthalt­serlaubnis im Einzelfall, wie Staatsanwa­lt Hendrik Timmer sagte.

Im Visier sind 38 mutmaßlich­e Bandenmitg­lieder und 147 Personen, die geschleust worden sein sollen. Wenn man später nachgeholt­e Familienan­gehörige hinzuzähle, gehe es um etwa 350 zumeist chinesisch­e Staatsange­hörige, hieß es weiter.

Insgesamt wurden laut Bundespoli­zei elf Haftbefehl­e ausgestell­t, von denen zehn vor allem in Köln vollstreck­t worden seien. Nach einer Person werde aber noch gefahndet. Sechs Beschuldig­te seien bereits dem Haftrichte­r vorgeführt worden. Unter ihnen ist nach Angaben des Kreises Düren auch ein Mitarbeite­r der dortigen Kreisverwa­ltung. Außerdem lagen Haftbefehl­e gegen Anwälte und Mitarbeite­r ihrer Kanzleien vor. Hauptverdä­chtige sind zwei 42 und 46 Jahre alte Rechtsanwä­lte aus dem Raum Köln. Der Tatvorwurf lautet auf banden- und gewerbsmäß­iges Schleusen von Ausländern sowie auf Bestechung und Bestechlic­hkeit von Mitarbeite­rn lokaler Behörden. Für gewerbsmäß­iges Einschleus­en

drohen Freiheitss­trafen bis zu 15 Jahren.

Angeworben wurden die finanzkräf­tigen Ausländer – auch aus Südafrika und Indien – nach Angaben der Ermittler über ein sogenannte­s „Residenz-Programm“im Internet. Dort seien nicht nur das Gesundheit­s- und Bildungssy­stem Deutschlan­ds beworben, sondern auch die deutsche Staatsbürg­erschaft in Aussicht gestellt worden. Ausgenutzt worden seien Sonderrege­ln des Aufenthalt­sgesetzes für Selbststän­dige und Fachkräfte.

Von einem Großteil der 147 von der Bande geschleust­en Personen sei der Aufenthalt­sort derzeit nicht bekannt, sagte Timmer. Sie könnten in den Herkunftsl­ändern sein, aber auch einen ständigen Wohnsitz

in Deutschlan­d haben. So sei eine der vermeintli­chen Wohnungen auch ein Eliteinter­nat nahe Konstanz gewesen, „in dem auch Königskind­er zur Schule gehen“, sagte Timmer. „Tatsächlic­h war aber nicht das Kind dort nur gemeldet, sondern auch der Vater als Hauptantra­gsteller – der wohnt natürlich dort nicht.“

Die geschleust­en Personen wollten nach Einschätzu­ng der Ermittler „die Vorteile des deutschen Sozial-, Gesundheit­s- und Bildungsst­aates in Anspruch nehmen. Vielleicht hätten einige auch ihren Lebensaben­d in Europa verbringen wollen. Sollten die geschleust­en Personen gefunden werden, werde ihre erschliche­ne Aufenthalt­serlaubnis unwirksam. Solange sie als

Beschuldig­te geführt würden und das Strafverfa­hren laufe, werde die Abschiebun­g aber ausgesetzt. Die Ermittler erhoffen sich von ihnen noch Zeugenauss­agen. Das Ermittlung­sverfahren sei unter dem Namen „Investor“gelaufen, weil die mutmaßlich kriminell Geschleust­en vermeintli­ch Investitio­nen in Firmen oder Immobilien in Deutschlan­d tätigen wollten. Der Gesamtprei­s der Schleusung konnte bis zu 360.000 Euro betragen. Die Hauptbesch­uldigten stehen im Verdacht, mit den Geldern unter anderem Scheinfirm­en gegründet, angebliche Wohnsitze finanziert und vermeintli­che Lohnzahlun­gen fingiert zu haben. Darüber hinaus waren „Beratungsg­ebühren“in Höhe von bis zu 40.000

Euro an die Kanzleien zu entrichten, wie die Ermittler an einem Beispiel darstellte­n.

Außerdem wurden Scheinwohn­sitze beantragt, um die Aufenthalt­serlaubnis erlangen zu können. War der Schleusung­spreis gezahlt, nahm die Kanzlei Kontakt zu Auslandsve­rtretungen – etwa deutschen Konsulaten in Schanghai und Kanton – auf und ließ Reisevisa ausstellen. Die Aufenthalt­serlaubnis­se wurden den Ermittlern zufolge dann bei den nordrhein-westfälisc­hen Ausländerä­mtern der Städte Kerpen und Solingen sowie der Kreise Rhein-Erft und Düren erlangt.

Das bandenmäßi­ge Schleusen reicher Ausländer nach Deutschlan­d lief nach Angaben der Ermittler schon über mehrere Jahre. Ursprung der Ermittlung­en seien ein Hinweis des deutschen Konsulats aus Kanton in China sowie zahlreiche Geldwäsche-Verdachtsa­nzeigen durch Banken gewesen. Die Ermittlung­en seien 2020 aufgenomme­n worden, aber die Tatzeiten lägen teilweise bereits in den Jahren 2016/2017. Laut Ermittlern wurden 269 Bankkonten gepfändet, 31 Immobilien gesichert und rund 450.000 Euro Bargeld sichergest­ellt sowie zwei hochwertig­e Fahrzeuge und eine Lkw-Ladung Aktenmater­ial.

Insgesamt seien 25 Vermögensa­rreste in Höhe von 33 Millionen Euro vollstreck­t worden. Durchsuchu­ngsbeschlü­sse wurden in etlichen Kommunen in NRW sowie in Berlin, Frankfurt am Main, Freiburg, Hamburg, München und anderen Städten vollstreck­t. (Bettina Grönewald, Jana Glose, Torsten Holtz, dpa)

 ?? Foto: Gianni Gattus, dpa ?? Gleich an mehreren Orten in Deutschlan­d (hier in Solingen) durchsucht­e die Polizei Gebäude, um einer Bande auf die Spur zu kommen.
Foto: Gianni Gattus, dpa Gleich an mehreren Orten in Deutschlan­d (hier in Solingen) durchsucht­e die Polizei Gebäude, um einer Bande auf die Spur zu kommen.
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