Neu-Ulmer Zeitung

Kimmich köpft die Bayern weiter

In einem taktisch geprägten Spiel gegen Arsenal London neutralisi­eren sich beide Teams lange. Die Bayern ziehen dank einer Mannschaft­sleistung ins Halbfinale der Königsklas­se ein.

- Von Florian Eisele

München Bayerns Stürmersta­r Harry Kane hatte im Vorfeld des Viertelfin­al-Rückspiels in der Champions League gegen Arsenal London recht martialisc­he Worte gefunden. „Wir wollen die Saison am Leben halten“. Die hat sich bekanntlic­h, was Liga und Pokal angeht, für die Bayern schon erledigt. Zwingende Voraussetz­ung für das Weiterlebe­n war demzufolge ein Sieg gegen das Team aus Kanes Heimatstad­t – der gelang. Dank eines Kopfballto­res von Joshua Kimmich und einer nicht spektakulä­ren, aber disziplini­erten Mannschaft­sleistung gelang ein 1:0-Sieg gegen den englischen Spitzenklu­b. Damit ziehen die Bayern erstmals seit der Saison 2019/20 wieder ins Halbfinale der Champions League ein, nachdem dreimal in Folge im Viertelfin­ale Endstation war. Im Sommer 2020 gelang bekanntlic­h sogar der ganz große Coup und Bayern gewann den Henkelpott. Ein ähnlicher Erfolg könnte diesmal aus einer verpatzten eine sehr gute Saison machen – was weitaus mehr als nur ein Weiterlebe­n ist.

Bayern-Trainer Thomas Tuchel hatte im Vorfeld auf die verletzten Flügelspie­ler Serge Gnabry und Kingsley Coman verzichten müssen. Für die beiden begann der angeschlag­ene und zuletzt geschonte Leroy Sané, der „solange es irgendwie geht“, spielen müsse, so Tuchel, und – etwas überrasche­nd – Raphael Guerreiro auf der linken Seite. In der Mitte sollte Jamal Musiala für Aktionen sorgen, Thomas Müller fand sich auf der Bank wieder. Auch die Fans in der Arena sollten laut dem Trainer dazu beitragen, den Einzug ins Halbfinale klar zu machen: „Wir brauchen jeden Zuschauer, der bereit ist, mit uns zu kämpfen.“Die Südkurve kam dieser Aufforderu­ng nach – allerdings wirkten Tuchels Bayern in der Startphase recht statisch. Arsenal agierte zwar aus einer etwas defensiver­en Grundordnu­ng heraus als noch vor einer Woche beim Hinspiel, setzte die Defensive der Bayern aber zugleich mit hohem Pressing unter Druck. Das Ziel: Die Konter, mit denen Bayern noch im Hinspiel beide Tore erzielte, sollten dem Arteta-Team diesmal nicht gefährlich werden – und auch die Bayern wollten zuhause nicht den Raum für die schnellen Arsenal-Außenspiel­er bieten.

Beide Teams agierten also bestenfall­s verhalten offensiv in einer taktisch geprägten Partie. Die bis dahin beste Phase der Bayern startete nach einer Viertelstu­nde: Zuerst versuchte Sané einen Steilpass in die Mitte zu geben, wurde aber abgeblockt (17.). Die größte Chance des ersten Durchgangs hatte dann der seitenverk­ehrt eingesetzt­e Noussair Mazraoui: Nach einem der seltenen Umschaltmo­mente trieb Guerreiro den Ball in die Arsenal-Hälfte und legte im Strafraum auf den Marokkaner ab. Sein Schuss aus spitzem Winkel wurde noch abgefälsch­t und trudelte knapp am Pfosten vorbei (23.). Kurz darauf zog Musiala aus halblinker Position ab, Raya im Arsenal wehrte zu Seite ab (24.).

Startete nun die große BayernOffe­nsive? Mitnichten. Stattdesse­n häuften sich die Abspielfeh­ler des Rekordmeis­ters und auf einmal waren es die Gäste, die nun den Ton angaben. Neuer musste nach Ödegaards Schuss nachgreife­n (30.) und hatte Glück, dass Martinelli aus kurzer Distanz überrascht schien, den Ball bekommen zu haben (31.). Der Druck von Arsenal wurde nun deutlich stärker, die Bayern ließen sich tief in die Defensive hereindrüc­ken. Vor allem die zweiten Bälle nach einem Ballverlus­t waren nun immer wieder ein Fall für die Londoner. Die Pause kam für Bayern nicht ungelegen.

Nach dem Seitenwech­sel waren die Bayern deutlich aktiver: Zuerst klatschte Goretzkas Kopfball nach einer präzisen Kimmich-Flanke nur an die Latte (47.), Guerreiros Nachschuss wurde von Raya zur Ecke geklärt. Dann brandete Jubel in der Arena auf: Nach einer Flanke von Guerreiro verwerte Joshua Kimmich den Ball mit einem Flugkopfba­ll aus acht Metern – 1:0 für den deutschen Rekordmeis­ter! (63.). Kimmich hatte den Angriff selbst über Sané eingeleite­t. Das Spiel gehörte nun klar den Gastgebern, Sané versuchte es per Direktabna­hme wenig später (64.). Tuchel wechselte, brachte Kim für den starken Mazraoui (75.), so dass sich der Südkoreane­r auf der ungewohnte­n Position des Linksverte­idigers versuchen musste.

Bayern blieb in der Schlusspha­se klar am Drücker, drängte immer wieder über Musiala sogar auf das zweite, entscheide­nde Tor. Von Arsenal kam nun nur noch wenig. Arteta brachte den erfolgreic­hen Joker des Hinspiels, Trossard, ebenso wie Gabriel Jesus und versuchte so seiner Offensive neues Leben einzuhauch­en. Tatsächlic­h kam Ödegaard aus gefährlich­em Winkel noch zum Schuss, Neuer lenkte den Ball aber ins Aus (88.). Nach vier Minuten Nachspielz­eit und Bangem war dann Schluss – und die Saison kann wirklich noch eine gute werden.

Nach einer gefühlten Ewigkeit verließen die Dortmunder mal wieder die Münchner Arena als Sieger, jetzt überstrahl­t der Halbfinale­inzug konstante Inkonstanz. Im Überschwan­g sprach Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke von einem „stolzen Tag für alle Borussen“. Jener Watzke verlautbar­te aber auch vor einiger Zeit, dass keine Saison des BVB gut sei, die nicht in der Teilnahme an der Champions League endet. Denn, so süß der Erfolg jetzt schmecken mag, Terzic hat mit seiner Mannschaft etliche Rückschläg­e erlitten. Im DFB-Pokal war im Achtelfina­le Schluss und in der Liga steht Dortmund lediglich auf Rang fünf. Die nächsten Gegner: Leverkusen und Leipzig. Erst danach steht das Hinspiel gegen Paris St. Germain an.

Weil die Champions League reformiert und aufgestock­t wird, genügt womöglich der fünfte Rang in der Bundesliga zur Teilnahme am Wettbewerb. Das entscheide­t sich allerdings erst gegen Ende der Europapoka­lsaison in Abhängigke­it von Eventualit­äten. Darauf setzen sollten die Dortmunder folglich nicht. Ebenso wenig darauf, dass sie die Champions League gewinnen und automatisc­h qualifizie­rt sind. Im Sommer müsste Terzic erneut um seinen Job fürchten. Partieller Erfolg würde flugs verblassen, sollte der BVB die Königsklas­se verpassen. Historisch wäre aber auch das: Vor neun Jahren war das letztmals der Fall.

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Foto: Tom Weller, dpa Mit dem Kopf: Joshua Kimmich, nicht gerade für seine Lufthoheit bekannt, traf gegen Arsenal per Kopfball zum Sieg.

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