Fernwärme: Die Nachfrage kühlt nicht ab
Die Erfolgsgeschichte der Fernwärme in Weißenhorn geht ungebrochen weiter, doch wegen des sehr großen Interesses an einem Anschluss müssen Neukunden lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
Weißenhorn Wer in Weißenhorn Anschluss sucht, muss warten können: Das gilt weniger für den zwischenmenschlichen Bereich als vielmehr für die Fernwärme. Die Nachfrage übersteigt die Möglichkeiten des Unternehmens Fernwärme Weißenhorn (FWW) bei Weitem. Unter Umständen dauert es Jahre, bis die heiße Luft aus der Müllverbrennungsanlage ins Haus strömen kann. Markus Hertel, Geschäftsführer des Unternehmens, das zu gleichen Teilen dem Landkreis wie der Stadt Weißenhorn gehört, bedauert das, aber er kann nichts dagegen tun. Ohnehin läuft der Ausbau viel besser als gedacht. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Erfolgsgeschichte auch in einer Stadt wie Vöhringen weitergeschrieben werden kann.
Am Anfang war der Querschnitt: Als das Vorhaben, in Weißenhorn ein Fernwärmenetz für die bis dahin weitgehend ungenutzte Abwärme der Müllverbrennung zu bauen, noch ganz am Anfang
stand, ging es zunächst um die Frage, wie dick denn die ersten Rohre sein sollten. Man entschied sich großzügig für eine Variante mit größerem Querschnitt, was sich als weise Entscheidung herausstellte. Mittlerweile sind mehr als 38 Kilometer Rohrleitung in die Weißenhorner Erde gelegt worden, Ende 2024 sollen es 43,2 Kilometer sein.
Die Nachfrage ist weiterhin so hoch, dass die FWW gar nicht mehr nachkommt, alles zeitnah abzuarbeiten. Wer heute einen Anschluss beantragt, muss nach wie vor lange warten, manchmal bis zu drei Jahre. Das betrifft etwa Gebiete, in denen noch keine Leitungen liegen: „Wir können nicht Genaues sagen“, bedauert Markus Hertel, „wir tun uns da schwer, eine klare Aussage zu treffen.“Allerdings komme ein Fernwärmeanschluss auch nicht für alle infrage, etwa für einzelne Gebäude, die sozusagen weit weg vom Schuss liegen und sich eine Leitung dorthin einfach nicht lohnt.
Bei den Ausbauarbeiten stößt das Unternehmen an gewisse
Grenzen, denn es kann nicht flächendeckend Straßen aufreißen und somit den Verkehr in der Stadt teilweise lahmlegen. Dennoch wird zügig gearbeitet, wie Hertel versichert. Das gesamte Jahr über seien drei bis fünf „Schweißpartien“unterwegs. So heißt ein kleines Team aus jeweils drei Leuten, die nichts anderes tun, als Rohre miteinander zu verbinden. Dass es tatsächlich einmal so gut laufen würde wie jetzt, sei nicht zu erwarten gewesen. Ursprünglich seien drei Bauabschnitte geplant gewesen, „jetzt sind wir im achten“. Während bei anderen Energielieferanten wie Gas und Öl die Preise in den vergangenen Jahren drastisch angezogen hatten, blieben bei der Fernwärme größere Preissprünge aus. „Entsprechend hat sich auch die Nachfragesituation drastisch erhöht“, heißt es trocken in der Bilanz für 2023. Die Folge: Das Unternehmen kommt gar nicht mehr damit hinterher, die erforderlichen Trassen und Hausanschlüsse zeitnah zu bauen. Das stelle derzeit die größte Herausforderung dar. Weil es so gut läuft, schreibt das Unternehmen schon seit 2019 schwarze Zahlen. Im vergangenen Jahr kamen nach der jüngsten Prognose 275.000 Euro an Gewinn zusammen. Allerdings machen sich die milderen Winter bemerkbar, weshalb die FWW weniger Wärme verkaufen konnte. Das Unternehmen peilt für dieses Jahr nur ein Plus von rund 255.000 Euro an. Hinzu kommt: Um die hohen Investitionen stemmen zu können – auch in diesem Jahr werden rund zehn Millionen Euro ausgegeben – muss sich die FWW Geld vom Kapitalmarkt besorgen, was angesichts gestiegener Zinsen deutlich teurer geworden ist als früher.
Doch das Geld sei gut angelegt, findet Hertel, zumal es sich um ein Infrastrukturprojekt handle, das mittelfristig Geld abwirft und zudem eine bedeutende Maßnahme für den Klimaschutz darstelle. Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Würde all das CO2, das durch die Nutzung der Verbrennungsabwärme vermieden wurde, in Heizöl umgerechnet, dann wären das in den vergangenen sechs Jahren nach Darstellung von Hertel 9,13 Millionen Liter gewesen. In diesem Jahr sollen noch einmal 2,8 Millionen „eingespart“werden.
Das Potenzial der Fernwärme reicht jedenfalls problemlos, um Weißenhorn, Hegelhofen und Grafertshofen zu versorgen. Aber möglicherweise geht da noch viel mehr: Das Netz könnte auch in Richtung Vöhringen ausgedehnt werden, wo großer Bedarf für erneuerbare Energien gesehen wird. Von dort aus ließe sich auch noch Senden und Neu-Ulm einbeziehen, wo es bereits Fernwärme gibt.
Zu derlei Überlegungen möchte sich Hertel nicht äußern, von einem solchen Verbund sei man „noch ein wenig entfernt“. Dennoch gibt es offenbar entsprechende Überlegungen, denn die tagtäglich produzierte Wärme aus dem Müllkraftwerk könnte die sogenannte ganzjährige Grundlast in einem Wärmeverbund abdecken. Während der kalten Jahreszeit müssten eben noch andere Energielieferanten dazugeschaltet werden.