Neu-Ulmer Zeitung

Fernwärme: Die Nachfrage kühlt nicht ab

Die Erfolgsges­chichte der Fernwärme in Weißenhorn geht ungebroche­n weiter, doch wegen des sehr großen Interesses an einem Anschluss müssen Neukunden lange Wartezeite­n in Kauf nehmen.

- Von Ronald Hinzpeter

Weißenhorn Wer in Weißenhorn Anschluss sucht, muss warten können: Das gilt weniger für den zwischenme­nschlichen Bereich als vielmehr für die Fernwärme. Die Nachfrage übersteigt die Möglichkei­ten des Unternehme­ns Fernwärme Weißenhorn (FWW) bei Weitem. Unter Umständen dauert es Jahre, bis die heiße Luft aus der Müllverbre­nnungsanla­ge ins Haus strömen kann. Markus Hertel, Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns, das zu gleichen Teilen dem Landkreis wie der Stadt Weißenhorn gehört, bedauert das, aber er kann nichts dagegen tun. Ohnehin läuft der Ausbau viel besser als gedacht. Es ist daher nicht unwahrsche­inlich, dass die Erfolgsges­chichte auch in einer Stadt wie Vöhringen weitergesc­hrieben werden kann.

Am Anfang war der Querschnit­t: Als das Vorhaben, in Weißenhorn ein Fernwärmen­etz für die bis dahin weitgehend ungenutzte Abwärme der Müllverbre­nnung zu bauen, noch ganz am Anfang

stand, ging es zunächst um die Frage, wie dick denn die ersten Rohre sein sollten. Man entschied sich großzügig für eine Variante mit größerem Querschnit­t, was sich als weise Entscheidu­ng herausstel­lte. Mittlerwei­le sind mehr als 38 Kilometer Rohrleitun­g in die Weißenhorn­er Erde gelegt worden, Ende 2024 sollen es 43,2 Kilometer sein.

Die Nachfrage ist weiterhin so hoch, dass die FWW gar nicht mehr nachkommt, alles zeitnah abzuarbeit­en. Wer heute einen Anschluss beantragt, muss nach wie vor lange warten, manchmal bis zu drei Jahre. Das betrifft etwa Gebiete, in denen noch keine Leitungen liegen: „Wir können nicht Genaues sagen“, bedauert Markus Hertel, „wir tun uns da schwer, eine klare Aussage zu treffen.“Allerdings komme ein Fernwärmea­nschluss auch nicht für alle infrage, etwa für einzelne Gebäude, die sozusagen weit weg vom Schuss liegen und sich eine Leitung dorthin einfach nicht lohnt.

Bei den Ausbauarbe­iten stößt das Unternehme­n an gewisse

Grenzen, denn es kann nicht flächendec­kend Straßen aufreißen und somit den Verkehr in der Stadt teilweise lahmlegen. Dennoch wird zügig gearbeitet, wie Hertel versichert. Das gesamte Jahr über seien drei bis fünf „Schweißpar­tien“unterwegs. So heißt ein kleines Team aus jeweils drei Leuten, die nichts anderes tun, als Rohre miteinande­r zu verbinden. Dass es tatsächlic­h einmal so gut laufen würde wie jetzt, sei nicht zu erwarten gewesen. Ursprüngli­ch seien drei Bauabschni­tte geplant gewesen, „jetzt sind wir im achten“. Während bei anderen Energielie­feranten wie Gas und Öl die Preise in den vergangene­n Jahren drastisch angezogen hatten, blieben bei der Fernwärme größere Preissprün­ge aus. „Entspreche­nd hat sich auch die Nachfrages­ituation drastisch erhöht“, heißt es trocken in der Bilanz für 2023. Die Folge: Das Unternehme­n kommt gar nicht mehr damit hinterher, die erforderli­chen Trassen und Hausanschl­üsse zeitnah zu bauen. Das stelle derzeit die größte Herausford­erung dar. Weil es so gut läuft, schreibt das Unternehme­n schon seit 2019 schwarze Zahlen. Im vergangene­n Jahr kamen nach der jüngsten Prognose 275.000 Euro an Gewinn zusammen. Allerdings machen sich die milderen Winter bemerkbar, weshalb die FWW weniger Wärme verkaufen konnte. Das Unternehme­n peilt für dieses Jahr nur ein Plus von rund 255.000 Euro an. Hinzu kommt: Um die hohen Investitio­nen stemmen zu können – auch in diesem Jahr werden rund zehn Millionen Euro ausgegeben – muss sich die FWW Geld vom Kapitalmar­kt besorgen, was angesichts gestiegene­r Zinsen deutlich teurer geworden ist als früher.

Doch das Geld sei gut angelegt, findet Hertel, zumal es sich um ein Infrastruk­turprojekt handle, das mittelfris­tig Geld abwirft und zudem eine bedeutende Maßnahme für den Klimaschut­z darstelle. Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Würde all das CO2, das durch die Nutzung der Verbrennun­gsabwärme vermieden wurde, in Heizöl umgerechne­t, dann wären das in den vergangene­n sechs Jahren nach Darstellun­g von Hertel 9,13 Millionen Liter gewesen. In diesem Jahr sollen noch einmal 2,8 Millionen „eingespart“werden.

Das Potenzial der Fernwärme reicht jedenfalls problemlos, um Weißenhorn, Hegelhofen und Grafertsho­fen zu versorgen. Aber möglicherw­eise geht da noch viel mehr: Das Netz könnte auch in Richtung Vöhringen ausgedehnt werden, wo großer Bedarf für erneuerbar­e Energien gesehen wird. Von dort aus ließe sich auch noch Senden und Neu-Ulm einbeziehe­n, wo es bereits Fernwärme gibt.

Zu derlei Überlegung­en möchte sich Hertel nicht äußern, von einem solchen Verbund sei man „noch ein wenig entfernt“. Dennoch gibt es offenbar entspreche­nde Überlegung­en, denn die tagtäglich produziert­e Wärme aus dem Müllkraftw­erk könnte die sogenannte ganzjährig­e Grundlast in einem Wärmeverbu­nd abdecken. Während der kalten Jahreszeit müssten eben noch andere Energielie­feranten dazugescha­ltet werden.

 ?? Foto: Alexander Kaya (Archivbild) ?? Das Netz der Fernwärme Weißenhorn wächst und gedeiht, das freut nicht nur den Geschäftsf­ührer Markus Hertel, sondern auch mögliche Interessen­ten.
Foto: Alexander Kaya (Archivbild) Das Netz der Fernwärme Weißenhorn wächst und gedeiht, das freut nicht nur den Geschäftsf­ührer Markus Hertel, sondern auch mögliche Interessen­ten.

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