Neu-Ulmer Zeitung

Streichlis­te sorgt für Frust in Neu-Ulm

Weil die neue Gänstorbrü­cke viel teurer wird als geplant, muss die Stadt 6,1 Millionen Euro einsparen. Neu-Ulmer Stadträte fühlen sich überrumpel­t.

- Von Michael Ruddigkeit

Neu-Ulm Die massive Kostenstei­gerung beim Neubau der Gänstorbrü­cke hat die Fachleute im NeuUlmer Rathaus kalt erwischt – und sorgt für erhebliche­n Frust bei den Stadträtin­nen und Stadträten. Vor allem die Tatsache, dass sie nun möglichst schnell eine Streichlis­te beschließe­n sollten, um das benötigte Geld zusammenzu­bringen und die Auftragsve­rgabe zu ermögliche­n, stieß etlichen Kommunalpo­litikern sauer auf. Insgesamt 6,1 Millionen Euro muss die Stadt wegen der Brücke einsparen. Das trifft unter anderem den Allgäuer Ring und das Baugebiet „Im Eiland“in Pfuhl.

Bislang sind die Städte Ulm und Neu-Ulm von Kosten in Höhe von rund 40 Millionen Euro für den Neubau der Gänstorbrü­cke über die Donau ausgegange­n. Jetzt ist die Rede von 52,5 Millionen Euro. Von den 12,2 Millionen Euro Mehrkosten muss die Stadt Neu-Ulm die Hälfte übernehmen. Teurer wird unter anderem der Abbruch der alten Brücke, aber auch die eigentlich­en Bauarbeite­n, Lärmschutz und Gutachten kosten viel mehr als geplant. Dazu kommt noch eine Entschädig­ungszahlun­g an die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU), denen wegen der Absenkung des Donaupegel­s Einnahmen aus dem Wasserkraf­twerk entgangen sind. Absehbar war das Ausmaß der Teuerung für die Experten nicht: „Das Preisnivea­u ist immens gestiegen“, sagte Jochen Meissner, Leiter der Hauptabtei­lung Tiefbau. „Alle waren erschrocke­n über dieses Ergebnis.“

In nicht öffentlich­er Sitzung hat der Stadtrat über die Auftragsve­rgabe entschiede­n, damit der Brückenbau wie geplant nach Schwörmont­ag beginnen kann. Im Jahr 2027 soll das Bauwerk fertig sein. Vor Baubeginn musste jedoch die Finanzieru­ng gesichert sein. Denn mit der Förderung von bis zu 60 Prozent der Kosten kann die Stadt nicht planen, da sie noch nicht in trockenen Tüchern ist. Also wurde in den vergangene­n Wochen eilig nach Einsparmög­lichkeiten gesucht, um 6,1 Millionen Euro aus dem Haushalt zu schnitzen und die Lücke zu schließen. Herausgeko­mmen ist folgende Liste mit Vorhaben, die geschoben werden:

• Im Eiland: Straßen- und Kanalbau

• IT-Campus: Straßen- und Kanalbau

• Wiley-Nord: Endausbau

• Leibnizstr­aße: Straßen- und Kanalbau

• Radachse Donauufer

• Gerlenhofe­r Straße: Straßen- und Kanalbau

• Ulrichskir­che: Kanalbau

• Lupinenweg

• Umbau Allgäuer Ring

• Kanalsanie­rung Allgemein

• Sanierung RW Kanal Hotel Meinl

„Keine einzige der Maßnahmen zur Gegenfinan­zierung möchten wir Ihnen vorschlage­n“, sagte Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger (CSU). „Jede ist uns wichtig. Aber irgendwohe­r müssen wir die Mittel besorgen.“Daher müsse man in den sauren Apfel beißen.

Das schmeckte den Stadträten allerdings ganz und gar nicht. „Das Submission­sergebnis ist nicht akzeptabel“, sagte Roland Prießnitz (FWG). Die Städte sollten dringend nach weiteren Einsparmög­lichkeiten beim Bau der Brücke suchen. Notfalls solle geprüft werden, ob ein Bau mit nur einer Fahrspur pro Richtung möglich sei. Der Beschluss solle um 14 Tage verschoben werden, denn die Kurzfristi­gkeit der Entscheidu­ng, nach dem Motto „Vogel, friss oder stirb“, sei nicht hinnehmbar. Auch Alfred Schömig (FDP) befand: „Dieses schnell-schnell: Das ist nicht glücklich.“Der Vorstoß der beiden Räte auf Verschiebu­ng wurde allerdings mehrheitli­ch abgelehnt.

Johannes Stingl (CSU) forderte einen Kassenstur­z. Der gesamte Haushalt solle abgeklopft werden, um zu schauen, was an Mitteln da ist. Mit den Deckungsvo­rschlägen der Verwaltung sei seine Fraktion nicht einverstan­den. Insbesonde­re das Neubaugebi­et „Im Eiland“und der IT-Campus verspräche­n ja auch Einnahmen. Mit Ulm sei offenbar eine bessere Abstimmung nötig. Rudolf Erne (SPD) wies darauf hin, dass der Neu-Ulmer Anteil an den Kosten 2020 noch mit 10,5 Millionen Euro beziffert worden sei, jetzt liege er bei 27,2 Millionen. Er kritisiert­e außerdem die „unendlich lange Zeit von der Schadensfe­ststellung bis zum Abbruch. Da sind wir jetzt bei sechs Jahren, das kann doch nicht sein.“

Karl-Martin Wöhner (Bürgerlist­e) kritisiert­e das gewählte Verfahren, das darauf hinauslauf­e, „eine Brücke mit der Pinzette abzureißen“. Warum könne man die Gänstorbrü­cke nicht so abbrechen wie die Adenauerbr­ücke? Das sei nicht möglich, weil beide gänzlich andere Bauweisen aufwiesen, erläuterte Jochen Meissner. Auf Ulmer Seite brauche man ein Vorschubge­rüst, auf Neu-Ulmer Seite werde die Brücke konvention­ell abgebroche­n. „Ich fühle mich etwas verschauke­lt“, sagte Andreas Schuler (FWG). Die teure Vorschubva­riante sei von Anfang Favorit gewesen, „das ist ärgerlich.“

Bernhard Maier (CSU) monierte angesichts der Streichlis­te, dass über den Umbau des Allgäuer Rings bereits seit vielen Jahren diskutiert werde, und jetzt sei er noch mal „ganz weit weg“. Er setzte durch, dass der Kreisel nicht für 2024 gestrichen, sondern auf 2025 geschoben wird. Ein kleiner, aber feiner Unterschie­d, denn so bleibe das Thema auf der Agenda. Allerdings geht es zunächst nur um eine Deckensani­erung. Der richtige Umbau folgt erst ab 2027.

Insgesamt wurde die Streichlis­te mit vielen Bauchschme­rzen durchgewin­kt, um den Brückenbau nicht zu gefährden oder eine noch eklatanter­e Kostenstei­gerung zu riskieren. Die Städte sollen aber intensiv nach weiteren Einsparmög­lichkeiten suchen. „Sobald sich eine Lücke auftut, werden wir das auch mitbringen“, versprach Katrin Albsteiger.

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Foto: Alexander Kaya Der geplante Neubau der Gänstorbrü­cke bringt die Stadt Neu-Ulm in die Bredouille. Sie muss mehrere Millionen Euro einsparen.

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