Neu-Ulmer Zeitung

Iran spielt israelisch­en Angriff herunter

Teheran plant offenbar keinen Gegenschla­g und macht „Eindringli­nge“verantwort­lich. Nach der mutmaßlich­en Attacke gibt es zunächst keine Berichte über Schäden. Was passiert jetzt?

- Von Thomas Seibert

Istanbul Bilder von einem Platz in der Stadt Isfahan im Morgenlich­t zeigte das iranische Staatsfern­sehen am Freitag: Das Leben gehe seinen gewohnten Gang, meldete der Sender. In der Nacht waren im zentralira­nischen Isfahan und im westiranis­chen Täbris laute Explosione­n zu hören gewesen, die iranischen Streitkräf­te aktivierte­n die Flugabwehr gegen den erwarteten israelisch­en Angriff und schossen nach eigenen Angaben mehrere Drohnen ab. Doch am Morgen ließ das Regime die Iraner wissen, der Spuk sei vorbei. Ein erneuter Gegenschla­g auf Israel sei nicht nötig. Eine weitere Eskalation zwischen dem Iran und Israel ist damit vorerst nicht zu erwarten.

Israel hatte seit dem iranischen Raketenang­riff vom vergangene­n Sonntag eine militärisc­he Antwort angekündig­t. Die USA und andere westliche Staaten versuchten, die israelisch­e Regierung zur Mäßigung zu bewegen. Ob die Appelle etwas bewirkten, oder ob Israel ohnehin nicht vorhatte, die Konfrontat­ion weiter anzuheizen: Am Freitag machte sich Erleichter­ung breit – der Ölpreis ging nach einem steilen Anstieg wieder zurück. Der Westen hatte auch den Iran zur Zurückhalt­ung aufgerufen.

Isfahan, rund 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Teheran, ist ein Zentrum der iranischen Rüstungsin­dustrie; im vergangene­n Jahr hatten Drohnen eine Waffenfabr­ik in der Nähe der Stadt angegriffe­n. Nördlich von Isfahan liegt Natanz, eine Anlage zur Urananreic­herung, die vor zwei Jahren durch einen Anschlag beschädigt wurde. Beide Angriffe dürfte Israel verübt haben. Obwohl die Angriffe an sich harmlos waren, signalisie­rte Israel damit, dass wichtige iranische Einrichtun­gen im Visier seiner Streitkräf­te sind. Die USA erklärten, sie stünden zwar zu Israel, hätten sich aber an keinen „offensiven Operatione­n“gegen den Iran beteiligt. Die iranischen Behörden ließen verlauten, „Eindringli­nge“hätten die Drohnen vom iranischen Boden aus aufsteigen lassen. Es habe keinen Angriff auf den Iran von außen gegeben, erklärte Hossein Dalirian, Sprecher der iranischen Cyberspace-Agentur.

Israelisch­e Kampfflugz­euge griffen in Syrien, wo pro-iranische Milizen stationier­t sind, eine militärisc­he Radaranlag­e an, wie die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte berichtete. Auch aus dem Irak, wo viele pro-iranische Milizen aktiv sind, wurden Explosione­n gemeldet. Teheran spielte die Bedeutung der Angriffe herunter. Es gebe keine Pläne für einen neuen Militärsch­lag auf Israel, zitierte die Nachrichte­nagentur Reuters einen iranischen Regierungs­vertreter.

Iranische Nutzer von sozialen Medien verspottet­en den israelisch­en Angriff; in einem Video auf X wirft ein Mädchen einen Papierflie­ger gegen eine Betonwand und kichert. Mehdi Toghyani, ein iranischer Parlaments­abgeordnet­er aus Isfahan, sprach von einer israelisch­en „Verzweiflu­ngstat“, die gescheiter­t sei.

Auch der Nahostexpe­rte Joe Macaron von der US-Denkfabrik Wilson Center erkennt eine israelisch­e Botschaft in dem nächtliche­n Angriff. Der jüdische Staat habe dem Iran klarmachen wollen, dass die israelisch­en Streitkräf­te auch auf dem Territoriu­m der Islamische­n Republik angreifen könnten, sagte Macaron unserer Zeitung. Unter dem Strich gebe es jetzt „ein Ergebnis, bei dem beide Seiten sagen können, sie hätten die jeweils andere Seite angegriffe­n, ohne weiter zu eskalieren“. Macaron erwartet, dass es zumindest vorerst keine weiteren Militärsch­läge von Israel und Iran geben wird, auch wenn der Konflikt zwischen beiden Staaten weiter schwelt.

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Foto: Vahid Salemi, AP, dpa Iranische Gläubige gehen an einem Wandgemäld­e vorbei, das den verstorben­en Revolution­sführer Ayatollah Khomeini zeigt.

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