München wird für Apple immer wichtiger
Der Konzern investiert derzeit Hunderte Millionen Euro in Bayern. Ein Besuch in den Laboren, in denen im Verborgenen an der Zukunft von iPhone und Co. gearbeitet wird.
München Schlicht, schick und unauffällig – das Gebäude, in dem der größte Teil der Apple-Entwickler mitten in München arbeitet, passt zur Design-Philosophie des kalifornischen Technikkonzerns. Seit einem Jahr arbeiten die meisten der rund 2000 Ingenieurinnen und Ingenieure, die Apple allein in der Landeshauptstadt beschäftigt, in dem vom Star-Architekten David Chipperfield entworfenen Bau in der Maxvorstadt. Von außen weist kein Schild und kein Logo darauf hin, dass hier die Büros und Labore des US-Konzerns sind. Streng geheim sind die Dinge, an denen hier gearbeitet wird, denn die Chipentwicklung ist der Kern eines Multimilliarden-Dollargeschäfts.
Ab und an gewährt der Konzern aber einen kontrollierten Blick in die gut gesicherten Labore. Detailfragen zu aktuellen und geplanten Produkten werden dabei zwar lediglich mit einem Lächeln quittiert und der Bemerkung, Apple liebe „to surprise and delight“, also zu überraschen und zu entzücken. Doch nach den Ausführungen der Entwickler, die nicht zitiert werden dürfen, versteht man zumindest besser, wie umfassend die Strategie des Konzerns, seine Kunden in die eigene Produktwelt zu locken, schon die Hardwareentwicklung beeinflusst.
Apple-Geräte haben Design-Geschichte geschrieben und sind auch heute leicht wiederzuerkennen. Minimalistisch im Aussehen, leicht zu bedienen und mit hervorragenden Leistungsdaten sollen in der Apple-Welt Hard- und Software zu einer Einheit verschmelzen. Die Geräte sollen für die Nutzer zu unverzichtbaren Begleitern werden, egal ob die sie zu Hause oder unterwegs nutzen. Apple wirbt darum mehr damit, eine Erfahrung zu verkaufen als nur Produkte. Und für diese Erfahrung sind die Kunden dann bereit, so das Kalkül, etwas mehr Geld zu bezahlen und in der abgegrenzten Apple-Welt zu bleiben, wenn sie weitere Geräte kaufen oder andere Dienste nutzen. Die Zuneigung der Nutzer nimmt nach Meinung vieler fast schon religiöse Züge an. Nicht umsonst sind die Produktpräsentationen des früheren Apple-Chefs Steve Jobs auch mit den Auftritten eines Sektengurus beschrieben worden.
Damit Apples Laptops, Smartphones und sonstige Produkte sich von der Konkurrenz abheben, muss ihre Hardware besonders leistungsfähig und effizient sein. Die Währung, in der die Entwicklungsingenieure das messen, heißt Chipleistung pro Watt. Überragende Werte hier machen es möglich, dass der Akku eines Laptops besonders lange läuft, das Gehäuse kompakt ist und das Gerät keinen Lüfter braucht, kurz, dass Menschen erst einmal begeistert sind, wenn wieder ein neues Gerät vorgestellt wird. Angefangen hat diese Entwicklung mit dem iPhone, das Leistungen und Fähigkeiten verlangte, die bei einem so kleinen Gerät zuvor als unmöglich galten.
Beim Smartphone haben die Wettbewerber längst nachgezogen. Inzwischen muss auch Apple mit rückläufiger Nachfrage kämpfen. Um sich auch in Zukunft von der Konkurrenz abheben zu können, hat der Konzern vor einigen Jahren die strategische Entscheidung getroffen, die Chipentwicklung nicht nur für die Smartphones immer stärker selbst in die Hand zu nehmen. Nur die Produktion übernehmen dann Auftragsfertiger nach den Vorgaben von Apple. Jüngstes Beispiel für diese Entwicklung sind die Notebooks mit dem Chip M3, deren jüngste Baureihe erst im März vorgestellt wurde. Apple kann seine eigenen Chips so ganz auf die eigenen Bedürfnisse optimieren.
Deswegen wird München im Apple-Kosmos auch immer wichtiger. Teile des aktuellen VorzeigeChips wurden ebenfalls hier entwickelt, etwa das, was man als die Datenautobahn vom Prozessor zum internen Speicher beschreiben könnte. Auf einem hellen Holztisch in einem verglasten Besprechungsraum mitten in einem der Labore liegen die verschiedenen M3-Baureihen, klein, mittel und groß. Nicht in allen AppleProdukten sind dieselben Chips, aber die Chip-Architektur für alle Produkte ist dieselbe. Wie in einem Baukastensystem kann der Konzern so von der Smartwatch bis zum High-End-Laptop die Rechenleistung einfach skalieren. Was ebenfalls schwerpunktmäßig in München entwickelt wird, sind Chips, die für die Energieversorgung zuständig sind.
Alle Phasen der Chipentwicklung finden in dem „Karl“genannten Gebäude statt. Ein Café, ein Wellnessbereich und Eltern-KindRäume sind einige der Annehmlichkeiten, die Apple den hoch qualifizierten Fachkräften aus 40 Ländern hier bietet. Die Gänge sind hell, viel Tageslicht flutet auch die Sitzungsräume, die alle
Namen von Nobelpreisträgern tragen. Durch die Fenster der Bar im sechsten Stock kann man direkt gegenüber Abbrucharbeiten beobachten. Der Freistaat hat dem Konzern hier, an der Seidlstraße, ein Grundstück in bester Lage überlassen. In den kommenden Jahren erweitert Apple seine Büro- und Laborflächen in München noch einmal beträchtlich – um etwa an besseren und zuverlässigeren drahtlosen Verbindungen zu forschen.
Das geschieht derzeit unter anderem in einer Schirmkammer für Strahlungsmessungen. Konzernchef Tim Cook stand bei seinem Besuch 2022 ebenfalls in diesem hermetisch verschließbaren Raum. Boden, Decke und Wände sind verkleidet mit pyramidenförmigen Kunststoffspitzen. Hier testen die Ingenieurinnen und Ingenieure zum Beispiel Neuentwicklungen bei der 5G-Technik. Wenn die Handys unterwegs von einer Funkzelle zur nächsten wechseln, sollen die Datenraten für den Nutzer nicht schwanken. Und die Funkchips sollen besonders präzise Signale aussenden, damit sie die Energie besonders effizient nutzen. Alles Beispiele dafür, wie die Hardwareentwicklung das Erlebnis der Nutzerinnen und Nutzer bestimmt.
Cook begründete die Investitionsentscheidung für München damals mit der Nähe zur Technischen Universität und der Lebensqualität der Stadt. Das erleichtere es, internationale Fachkräfte anzulocken. Wie das Gebäude einmal aussehen soll und wann es fertig ist, dazu gibt es heute aber nur eine Aussage: Apple liebt es, zu überraschen und zu entzücken.