Neu-Ulmer Zeitung

Heiß geliebt, aber auch umstritten

Nicht nur als Diensthund steht der Schäferhun­d treu an der Seite der Menschen. Vor 125 Jahren begann Deutschlan­ds heute beliebtest­e Rasse ihren Siegeszug.

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Augsburg/Karlsruhe Er hält die Herde beisammen, nach Erdbeben sucht er unter dem Schutt eingestürz­ter Gebäude nach Überlebend­en, die Mächtigen der Welt halten ihn auch gerne als Statussymb­ol und für viele ist er einfach ein wichtiges Familienmi­tglied – und das seit 125 Jahren. Der Deutsche Schäferhun­d zählt zu den bekanntest­en und beliebtest­en Hunderasse­n, auch wenn er längst nicht immer „Rex“heißt und nicht ganz unumstritt­en ist.

„Er ist intelligen­t, lernwillig und begeistert bei der Arbeit, sei es als Diensthund bei der Polizei, beim Hüten oder als Rettungshu­nd“, beschreibt Barbara Ullrich-Kornadt vom Verein für Deutsche Schäferhun­de in Augsburg die Vorzüge der Rasse. Außerdem seien die Vierbeiner bei guter Erziehung und Auslastung hervorrage­nde Familienhu­nde.

Die weltweite Erfolgsges­chichte begann am 22. April 1899 bei einer Hundeausst­ellung in Karlsruhe. Rittmeiste­r Max von Stephanitz zeigt damals seinen Rüden „Horand von Grafrath“– offiziell der allererste Deutsche Schäferhun­d. Bis heute hat „Horand“weit mehr als zwei Millionen reinrassig­e Nachkommen, der Schäferhun­dverein führt darüber penibel Buch.

Noch am Tag der erstmalige­n Präsentati­on gründen Stephanitz und eine Handvoll Mitstreite­r den Verein, der nach wie vor über die Rasse wacht und mittlerwei­le nach eigenen Angaben der größte Rassehundz­uchtverein der Welt ist.

In den 125 Jahren ist der Deutsche Schäferhun­d zu einem von vielen geliebten und von manchen auch ablehnend beäugten Haustier geworden. Die Nazis instrument­alisierten die Schäferhun­de während ihrer Terrorherr­schaft, es gibt unzählige Fotos von Adolf Hitler mit seiner Hündin „Blondi“. Auch der Einsatz der Tiere als strenge Diensthund­e der DDR-Grenztrupp­en sorgte nicht gerade für ein gutes Image.

Zuletzt sorgte der Schäferhun­d „Commander“des US-amerikanis­chen Präsidente­n Joe Biden für negative Schlagzeil­en. Im Weißen Haus biss das Tier so oft Beamte des Secret Service, dass es im vergangene­n Herbst aus der Regierungs­zentrale verbannt wurde.

Das Problem ist kein Einzelfall. In Deutschlan­d müssen sich die Behörden ebenfalls immer wieder mit aggressive­n Schäferhun­den oder entspreche­nden Mischlinge­n beschäftig­en.

Die Landesregi­erung von Nordrhein-Westfalen führt seit vielen Jahren Statistik über solche Vorfälle. Schäferhun­de werden dort als auffällig beschriebe­n. Im Jahr 2022 wurden in dem Bundesland insgesamt 907 Beißvorfäl­le mit Verletzung­en von Menschen registrier­t. „Der Schäferhun­d war mit insgesamt 122 Vorfällen rassespezi­fisch am auffälligs­ten“, heißt es in dem jüngsten Jahresberi­cht. UllrichKor­nadt verweist hier darauf, dass die Deutschen Schäferhun­de sowie Schäferhun­d-Mixe den größten Anteil in der Gruppe der großen Hunde hätten. In die Beißstatis­tik würden teilweise auch andere Schäferhun­drassen eingehen, sagt sie. Die Vereinsspr­echerin verweist darauf, dass die Hunde auf jeden Fall ausgebilde­t werden müssten. Denn dann würden die Tiere weniger Beißunfäll­e verursache­n.

Unabhängig davon gibt es bis heute viele Fans der Rasse. Der Schäferhun­dverein vergleicht seine Zentrale in Augsburg mit einem mittelstän­dischen Betrieb, wo sich die etwa 40 Beschäftig­ten um die bundesweit rund 1800 Ortsgruppe­n mit mehr als 50.000 Mitglieder­n kümmern. In der Weltunion der Schäferhun­dvereine seien sogar mehr als eine halbe Million Mitglieder vertreten.

Der Schäferhun­d führt auch immer noch vor dem Dackel die Welpenstat­istik des Verbandes für das Deutsche Hundewesen an. Wenngleich die Zahl der Jungtiere sich zwischen 2008 und 2022 auf rund 8400 fast halbiert hat, während die Dackelzahl mit zumeist in etwa um die 6000 Welpen pro Jahr weitgehend stabil bleibt.

Der Schäferhun­dverein vermutet, dass der Rückgang auf einen deutlichen Anstieg der Haltungsko­sten zurückzufü­hren sein könnte. Die Gebühren beim Tierarzt seien gestiegen, ebenso die Hundesteue­r. Gerade die Tierarztko­sten können bei Schäferhun­den erheblich sein, weil die Rasse nach Angaben von Veterinäre­n anfällig für bestimmte Krankheite­n ist.

Den Deutschen Schäferhun­den sei eine derart stark abfallende Rückenlini­e und Hüfte angezüchte­t worden, dass einige Tiere kaum noch normal laufen könnten, kritisiert auch die Verhaltens­biologin Sabrina Karl von der Tierschutz­Stiftung Vier Pfoten. Verschiede­ne Probleme seien die Folge. „Die Hunde leiden zum Teil extrem und ein Leben ohne permanente Schmerzen ist für sie nicht möglich.“

Es sei mittlerwei­le bei vielen Rassehunde­n üblich, dass die Tiere zum Wohlgefall­en des Menschen gezüchtet würden und dadurch unter Schmerzen und Strapazen litten, sagt Karl. Die Tierschütz­er verlangen ein Umdenken und ein Gegensteue­rn der Züchter. Bei der Zucht solle zuerst auf die Gesundheit der Tiere gesetzt werden und nicht auf das Aussehen.

Der Schäferhun­dverein betont, dass es innerhalb der Organisati­on bereits seit 1966 ein Verfahren gibt, um Hunde auf die sogenannte Hüftgelenk­sdysplasie (HD) zu testen. Dadurch habe der Anteil von Deutschen Schäferhun­den mit mittlerer und schwerer HD von anfangs 27 auf heute zwei Prozent „drastisch verringert“werden können. (Ulf Vogler, dpa)

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Foto: Stefan Puchner, dpa Die weltweite Erfolgsges­chichte des Schäferhun­des begann am 22. April 1899 bei einer Hundeausst­ellung in Karlsruhe.

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