Turbonit fürs Super-Mobil
Der Porsche Panamera kommt in der dritten Generation – die Turbomodelle werden optisch geschärft.
Oh wie schön ist Panam(er)a! Vermutlich haben sich die Designer des gleichnamigen Porsche-Modells Titel und Inhalt des KinderKlassikers von Janosch gleichermaßen zu Herzen genommen. Zwar bringen die Zuffenhausener mittlerweile die dritte Generation der Sport-Limousine unters Volk aber eigentlich sieht der neue Panamera so aus wie der letzte Panamera.
Hier ein paar Retuschen in den Lufteinlässen, etwas breiter ausgestellte Kotflügel und am Heck das obligatorische Lichtband mit dem eingearbeiteten PorscheSchriftzug. Auch bei den Dimensionen bleibt alles beim Alten: Die Sportlimousine mit Preisen ab 110.900 Euro gibt es in zwei Ausführungen: Entweder 5,05 Meter lang oder für die fernöstlichen Märkte als Langversion mit 5,20 Metern.
Die Turbos werden bei Porsche ab sofort optisch noch schärfer abgegrenzt im Vergleich zu den normalen Modellen. Jetzt gibt es sogar eine eigenen grau-metallische Farbe, zum Beispiel für das Wappen oder die Airblades. Turbonit heißt sie und erinnert an das von Superman so gefürchtete Kryptonit, das sogar den Superhelden schwach werden lässt. Wer eine Schwäche für den Turbo hat, sollte über einen bärenstarken Kontostand verfügen: der Panamera Turbo E-Hybrid kostet ab 198.000 Euro, bringt es dann aber mit seinem 4,0-Liter-V8-Verbrenner in Kombination mit einer 190 PS starken E-Maschine auf 680 PS und 930 Nm Drehmoment: Damit spurtet der Allradler in 3,2 Sekunden von 0 auf 100.
Für alle Modelle wurde das Cockpit optisch und digital überarbeitetet. Im Cayenne und im Taycan ist es ja schon im Einsatz. Die wichtigste Neuerung: Der Gangwahlhebel wandert rechts neben das Lenkrad. Deshalb hat die Mittelkonsole jetzt auch Platz für eine eigene Klima-Einheit. In der Mitte thront ein berührungsempfindlicher 12,3 Zoll großer Infotainment-Bildschirm mit KachelOptik – und auch die Beifahrer gehen nicht leer aus. Erstmals bekommen sie ein eigenes Display, zum Streamen, Hören oder für ein eigenes Navi.
Der eigentliche Gag ist aber das völlig neu entwickelte Fahrwerk namens „Porsche Active Ride“, das so ziemlich alles auf den Kopf stellt, was man bislang kennt. Denn ab sofort kann jedes Rad selbst angesteuert werden. Nach wie vor gibt es eine Luftfeder, allerdings hat sie nur eine Kammer. Mehr braucht sie auch nicht, denn die eigentliche Arbeit erledigen die aktiven Hydraulik-Stoßdämpfer. Sie werden über elektrische Hochleistungspumpen mit Öl befüllt. Damit wird das Aus- und Einfedern gesteuert – und zwar für jedes Rad individuell.
Das heißt: Die Steuerung sammelt Sensordaten wie Rad- und Aufbaubeschleunigung sowie die jeweiligen Karosseriebewegungen. Dann entscheidet sie bis zu 13-mal in der Sekunde, ob ein Rad auf die Straße gedrückt wird oder ob es sich besser in das Radhaus zurückziehen soll. Damit lassen sich lästiges Nicken und Wanken perfekt kontrollieren. Ganz ohne Stabilisatoren. Und eigentlich bräuchte es auch keine Luftfeder mehr, diese Aufgaben könnten auch die aktiven Dämpfer übernehmen. Allerdings müssten die Pumpen dann dauernd im Betrieb sein, um das Fahrwerk in der Schwebe zu halten, und das wäre zu energieintensiv.
Aber genug der Theorie. Bevor wir starten, zeigen uns die Ingenieure einen tanzenden Panamera. Per Fernsteuerung bewegt sich die Karosserie so, als ob man Lambada mit Ententanz kreuzt. In der Praxis spürt man vom aktiven Fahrwerk zunächst relativ wenig. Die Karosserie bleibt jederzeit und ganz komfortabel in der Horizontalen. Das Auto schwebt wie ein fliegender Teppich. Deutlicher spürt man die Sonderfunktionen. Zum Beispiel legt sich die Karosserie auf Wunsch wie ein Motorrad in die Kurven. Das Curven beherrschte anno 2014 schon das S-Klasse-Coupé von Mercedes. So richtig durchgesetzt hat sich die „Kurvenneigefunktion“schon damals nicht.
Noch schräger ist die sogenannte Helikopter-Einstellung. Hier verhält sich das Auto komplett entgegen seiner eigenen Natur. Normalerweise hebt sich beim Beschleunigen der Vorderwagen, hinten geht er in die Knie. Beim Porsche Active Ride ist es genau andersherum. Der Panamera duckt sich und streckt den Bürzel nach oben, so wie eine Raubkatze auf dem Sprung. Und beim Bremsen geht die Front nicht nach unten, sondern nach oben, stattdessen senkt sich das Heck. Verkehrte Welt. Sehr bequem ist die Hebefunktion beim Ein- und Aussteigen. Fünf Zentimeter mehr Höhe – das ist ein echter Mehrwert beim Komfort.
Wir gleiten in den Sitz, das Auto senkt sich, tiefer Schwerpunkt. Porsche-Feeling. Beim Blick aus dem Fenster fallen die neuen Kotflügel auf. Das soll auch so sein. Wie beim 911er. Und so fährt sich der Panamera auch. Schon bei der Basisversion mit dem 2,9-LiterV-6-Benziner (353 PS / 500 Nm Drehmoment) bleibt kein Auge trocken. So richtig Mühe hat die Maschine nicht mit den 1,9 Tonnen, die der Panamera auf die Waage bringt. Präzise im Handling, souveräne Motor-Power (5,3 Sekunden von 0 auf 100) – wer braucht da noch die stärkeren Modelle mit der zusätzlichen E-Maschine, den 4 Hybrid (470) und den 4S (544 PS)? Zwei mögliche Antworten: Erstens, weil der Fahrer gerne elektrisch unterwegs ist (theoretische Reichweite: 91 Kilometer). Zweitens wegen der günstigen Dienstwagenbesteuerung.
Wie schön ist Panam(er)a? Bleiben wir bei Janosch. Hier ziehen der kleine Bär und der kleine Tiger nebst Tigerente aus, um das Paradies zu finden. Nach langer Zeit kehren sie zufälligerweise nach Hause zurück, erkennen es nicht wieder, und glauben wirklich im Land Ihrer Träume zu sein. Vielleicht ist es auch so mit dem neuen Porsche Panamera. Im Grund bleibt er sich selbst treu. Als „Eier legende Wollmilchsau“, wie ihn Porsche-Markenbotschafter und Rennfahrer-Ikone Walther Röhrl einst bezeichnet hat.
Porsche Panamera
• Motor: 2,9-Liter V6-Benziner
• Antrieb: Heck / 8-Gang-PDK
• Leistung: 260 kW (353 PS) bei 5.400 - 6.700 U/min
• Drehmoment: 500 Nm bei 1900 4800 U/min
• 0 - 100 km/h: 5,3 s
• Höchstgeschwindigkeit: 272 km/h • Verbrauch: 9,6 l / 100 km
• Länge / Breite / Höhe: 5,01 / 1,94 / 1,42 m
• Radstand: 2,95 m
• Wendekreis: 11,9 m
• Leergewicht / Zul.: 1.885 / 620 kg • Anhängelast: 2200 kg
• Kofferraum: 494 - 1328 l
• Preis: 110.900 Euro