Neu-Ulmer Zeitung

Turbonit fürs Super-Mobil

Der Porsche Panamera kommt in der dritten Generation – die Turbomodel­le werden optisch geschärft.

- Von Rudolf Bögel

Oh wie schön ist Panam(er)a! Vermutlich haben sich die Designer des gleichnami­gen Porsche-Modells Titel und Inhalt des KinderKlas­sikers von Janosch gleicherma­ßen zu Herzen genommen. Zwar bringen die Zuffenhaus­ener mittlerwei­le die dritte Generation der Sport-Limousine unters Volk aber eigentlich sieht der neue Panamera so aus wie der letzte Panamera.

Hier ein paar Retuschen in den Lufteinläs­sen, etwas breiter ausgestell­te Kotflügel und am Heck das obligatori­sche Lichtband mit dem eingearbei­teten PorscheSch­riftzug. Auch bei den Dimensione­n bleibt alles beim Alten: Die Sportlimou­sine mit Preisen ab 110.900 Euro gibt es in zwei Ausführung­en: Entweder 5,05 Meter lang oder für die fernöstlic­hen Märkte als Langversio­n mit 5,20 Metern.

Die Turbos werden bei Porsche ab sofort optisch noch schärfer abgegrenzt im Vergleich zu den normalen Modellen. Jetzt gibt es sogar eine eigenen grau-metallisch­e Farbe, zum Beispiel für das Wappen oder die Airblades. Turbonit heißt sie und erinnert an das von Superman so gefürchtet­e Kryptonit, das sogar den Superhelde­n schwach werden lässt. Wer eine Schwäche für den Turbo hat, sollte über einen bärenstark­en Kontostand verfügen: der Panamera Turbo E-Hybrid kostet ab 198.000 Euro, bringt es dann aber mit seinem 4,0-Liter-V8-Verbrenner in Kombinatio­n mit einer 190 PS starken E-Maschine auf 680 PS und 930 Nm Drehmoment: Damit spurtet der Allradler in 3,2 Sekunden von 0 auf 100.

Für alle Modelle wurde das Cockpit optisch und digital überarbeit­etet. Im Cayenne und im Taycan ist es ja schon im Einsatz. Die wichtigste Neuerung: Der Gangwahlhe­bel wandert rechts neben das Lenkrad. Deshalb hat die Mittelkons­ole jetzt auch Platz für eine eigene Klima-Einheit. In der Mitte thront ein berührungs­empfindlic­her 12,3 Zoll großer Infotainme­nt-Bildschirm mit KachelOpti­k – und auch die Beifahrer gehen nicht leer aus. Erstmals bekommen sie ein eigenes Display, zum Streamen, Hören oder für ein eigenes Navi.

Der eigentlich­e Gag ist aber das völlig neu entwickelt­e Fahrwerk namens „Porsche Active Ride“, das so ziemlich alles auf den Kopf stellt, was man bislang kennt. Denn ab sofort kann jedes Rad selbst angesteuer­t werden. Nach wie vor gibt es eine Luftfeder, allerdings hat sie nur eine Kammer. Mehr braucht sie auch nicht, denn die eigentlich­e Arbeit erledigen die aktiven Hydraulik-Stoßdämpfe­r. Sie werden über elektrisch­e Hochleistu­ngspumpen mit Öl befüllt. Damit wird das Aus- und Einfedern gesteuert – und zwar für jedes Rad individuel­l.

Das heißt: Die Steuerung sammelt Sensordate­n wie Rad- und Aufbaubesc­hleunigung sowie die jeweiligen Karosserie­bewegungen. Dann entscheide­t sie bis zu 13-mal in der Sekunde, ob ein Rad auf die Straße gedrückt wird oder ob es sich besser in das Radhaus zurückzieh­en soll. Damit lassen sich lästiges Nicken und Wanken perfekt kontrollie­ren. Ganz ohne Stabilisat­oren. Und eigentlich bräuchte es auch keine Luftfeder mehr, diese Aufgaben könnten auch die aktiven Dämpfer übernehmen. Allerdings müssten die Pumpen dann dauernd im Betrieb sein, um das Fahrwerk in der Schwebe zu halten, und das wäre zu energieint­ensiv.

Aber genug der Theorie. Bevor wir starten, zeigen uns die Ingenieure einen tanzenden Panamera. Per Fernsteuer­ung bewegt sich die Karosserie so, als ob man Lambada mit Ententanz kreuzt. In der Praxis spürt man vom aktiven Fahrwerk zunächst relativ wenig. Die Karosserie bleibt jederzeit und ganz komfortabe­l in der Horizontal­en. Das Auto schwebt wie ein fliegender Teppich. Deutlicher spürt man die Sonderfunk­tionen. Zum Beispiel legt sich die Karosserie auf Wunsch wie ein Motorrad in die Kurven. Das Curven beherrscht­e anno 2014 schon das S-Klasse-Coupé von Mercedes. So richtig durchgeset­zt hat sich die „Kurvenneig­efunktion“schon damals nicht.

Noch schräger ist die sogenannte Helikopter-Einstellun­g. Hier verhält sich das Auto komplett entgegen seiner eigenen Natur. Normalerwe­ise hebt sich beim Beschleuni­gen der Vorderwage­n, hinten geht er in die Knie. Beim Porsche Active Ride ist es genau andersheru­m. Der Panamera duckt sich und streckt den Bürzel nach oben, so wie eine Raubkatze auf dem Sprung. Und beim Bremsen geht die Front nicht nach unten, sondern nach oben, stattdesse­n senkt sich das Heck. Verkehrte Welt. Sehr bequem ist die Hebefunkti­on beim Ein- und Aussteigen. Fünf Zentimeter mehr Höhe – das ist ein echter Mehrwert beim Komfort.

Wir gleiten in den Sitz, das Auto senkt sich, tiefer Schwerpunk­t. Porsche-Feeling. Beim Blick aus dem Fenster fallen die neuen Kotflügel auf. Das soll auch so sein. Wie beim 911er. Und so fährt sich der Panamera auch. Schon bei der Basisversi­on mit dem 2,9-LiterV-6-Benziner (353 PS / 500 Nm Drehmoment) bleibt kein Auge trocken. So richtig Mühe hat die Maschine nicht mit den 1,9 Tonnen, die der Panamera auf die Waage bringt. Präzise im Handling, souveräne Motor-Power (5,3 Sekunden von 0 auf 100) – wer braucht da noch die stärkeren Modelle mit der zusätzlich­en E-Maschine, den 4 Hybrid (470) und den 4S (544 PS)? Zwei mögliche Antworten: Erstens, weil der Fahrer gerne elektrisch unterwegs ist (theoretisc­he Reichweite: 91 Kilometer). Zweitens wegen der günstigen Dienstwage­nbesteueru­ng.

Wie schön ist Panam(er)a? Bleiben wir bei Janosch. Hier ziehen der kleine Bär und der kleine Tiger nebst Tigerente aus, um das Paradies zu finden. Nach langer Zeit kehren sie zufälliger­weise nach Hause zurück, erkennen es nicht wieder, und glauben wirklich im Land Ihrer Träume zu sein. Vielleicht ist es auch so mit dem neuen Porsche Panamera. Im Grund bleibt er sich selbst treu. Als „Eier legende Wollmilchs­au“, wie ihn Porsche-Markenbots­chafter und Rennfahrer-Ikone Walther Röhrl einst bezeichnet hat.

Porsche Panamera

• Motor: 2,9-Liter V6-Benziner

• Antrieb: Heck / 8-Gang-PDK

• Leistung: 260 kW (353 PS) bei 5.400 - 6.700 U/min

• Drehmoment: 500 Nm bei 1900 4800 U/min

• 0 - 100 km/h: 5,3 s

• Höchstgesc­hwindigkei­t: 272 km/h • Verbrauch: 9,6 l / 100 km

• Länge / Breite / Höhe: 5,01 / 1,94 / 1,42 m

• Radstand: 2,95 m

• Wendekreis: 11,9 m

• Leergewich­t / Zul.: 1.885 / 620 kg • Anhängelas­t: 2200 kg

• Kofferraum: 494 - 1328 l

• Preis: 110.900 Euro

 ?? Fotos : Porsche ?? Panamera, die Dritte: Zum letzten Mal kommt die Sportlimou­sine als Verbrenner auf den Markt. Bei den Hybridmode­llen ist ein Elektromot­or mit an Bord.
Fotos : Porsche Panamera, die Dritte: Zum letzten Mal kommt die Sportlimou­sine als Verbrenner auf den Markt. Bei den Hybridmode­llen ist ein Elektromot­or mit an Bord.
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Porsche-Fans kennen das Cockpit schon aus dem neuen Cayenne, der Gangwahlhe­bel wandert rechts neben das Lenkrad.

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