Neu-Ulmer Zeitung

Deutsche Cannabis-Kleinstaat­erei

Den Joint behandeln wie eine Zigarette? Die Linke ist dafür – und fürchtet nach der Legalisier­ung einen Flickentep­pich unterschie­dlicher Regelungen. Die Bahn präsentier­t schon ihre eigenen Verbote.

- Von Stefan Lange

Berlin Mit ihrer umstritten­en Cannabis-Legalisier­ung wollte die Bundesregi­erung eigentlich Ruhe und Übersicht in die Szene bringen. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. So feierten mehrere Tausend Menschen am Samstag in Berlin den ersten Kiffer-Aktionstag am Brandenbur­ger Tor. Etwa 4000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer versammelt­en sich zum „Smoke-In“und rauchten Joints, wie die Polizei Berlin mitteilte. Auf einer Bühne vor dem Brandenbur­ger Tor spielten Künstler Musik und es gab Kundgebung­en.

Es darf jetzt legal gekifft werden, der Stoff dazu kommt aber meist immer noch aus illegalen Quellen. Und wenn ein Joint entzündet wird, dann ist es angesichts der komplizier­ten Gesetzesla­ge völlig unklar, ob das nun am rechten Ort geschieht – oder doch gerade eine Ordnungswi­drigkeit begangen wird. Die Unsicherhe­it gilt für jedes Bundesland, aber auch bundesweit. Bayern hat bereits Bußgelder festgelegt und das Kiffen auf Volksfeste­n verboten. Andere Länder haben gar keine Regelung. Die Linke fürchtet einen Flickentep­pich und fordert nun, den Joint wie eine Zigarette zu behandeln.

„Natürlich muss es Regeln geben. Sachgerech­t wäre, das Kiffen gleich zu regeln wie das Rauchen“, sagte Ates Gürpinar, Bundesgesc­häftsführe­r der Partei und drogenpoli­tischer Sprecher der Gruppe im Bundestag, unserer Redaktion. Die Gesundheit­sbelastung für Passivrauc­her entstehe bei einem Joint „insbesonde­re durch das Nikotin und die anderen Verbrennun­gsprodukte aus dem beigemisch­ten Tabak“, erklärte er. Die Regelungen für das Rauchen von Joint oder Zigarette sollten dann zwischen den Ländern ganz unaufgereg­t angegliche­n werden. „Ideologisc­h motivierte drakonisch­e Strafen und selbst ernannte Kifferanze­igen-Hauptmeist­er sind das Letzte, was wir brauchen.“Bayern gehe da mit schlechtem Beispiel voran, meinte der LinkenPoli­tiker.

Laut geltendem Recht ist der Cannabis-Konsum grundsätzl­ich dort erlaubt, wo auch das Rauchen gestattet ist. Wobei beim Kiffen bestimmte Mindestabs­tände etwa zu Schulen und Kindergärt­en eingehalte­n werden müssen. Für Raucherkne­ipen gilt das nicht. Wirtinnen und Wirte können aber von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und das Kiffen verbieten. In Berlin etwa tun das sogar Chefinnen und Chefs von angesagten Szenelokal­en.

Der Bußgeldrah­men reicht von fünf Euro – das ist die unterste Grenze bei Ordnungswi­drigkeiten – bis 30.000 Euro. Diese Summe ergibt sich aus dem Cannabis-Gesetz der Ampel. Dazwischen ist vieles möglich und eben auch regional unterschie­dlich. Die Linke erinnerte an das Verspreche­n von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD), dass es keinen Flickentep­pich an Regelungen geben werde. „Jetzt lässt er einen irrational­en Wettlauf der Konservati­ven um die härtesten Kiff-Strafen zu, die sich noch dazu sofort ändern können, sobald man eine Ländergren­ze überschrei­tet“, kritisiert­e Gürpinar und ergänzte: „Wer soll da durchblick­en?“

Zumindest im eigenen Zuständigk­eitsbereic­h Klarheit schaffen will darum die Deutsche Bahn. „Abgeleitet vom gesetzlich­en Verbot von Cannabis-Konsum tagsüber in Fußgängerz­onen oder im Umfeld von Schulen und Spielplätz­en möchten wir unsere Reisenden, vor allem Kinder und Jugendlich­e, an unseren Bahnhöfen schützen. Deshalb werden wir den Konsum von Cannabis in unseren Bahnhöfen generell untersagen. Dafür passen wir unsere Hausordnun­g zeitnah an“, sagte eine BahnSprech­erin der Bild am Sonntag. Ab Juni verfolge die Bahn Verstöße dann, zuvor würden Bahn-Mitarbeite­r die Reisenden mit „freundlich­en Aufforderu­ngen und Hinweisen“bitten, das Konsumiere­n von Cannabis zu unterlasse­n. (mit dpa)

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Als erstes Bundesland hat Bayern einen Bußgeld-Katalog für Verstöße gegen das Cannabisge­setz beschlosse­n.

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