Neu-Ulmer Zeitung

Mit Schütteln und Rütteln zum Welterfolg

Richtungsw­eisend in der 3D-Druck-Branche: Warum fast alle Raketenher­steller aus den USA und Europa auf die Maschinen des 20-Mann-Betriebs Solukon aus Augsburg setzen.

- Von Matthias Zimmermann

dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunk. Der Bayerische Rundfunk hat sein regionales Angebot im Internet in den vergangene­n Jahren deutlich ausgebaut und bayernweit viele neue Regionalst­udios eröffnet. Die Verlage prüfen daher seit Längerem eine Klage. Die Beschäftig­tenzahlen der VBZV-Mitgliedsv­erlage sind insgesamt weitgehend konstant geblieben. Es gab aber rund acht Prozent weniger fest angestellt­e Redakteuri­nnen und Redakteure als ein Jahr zuvor.

Das Projekt Future Week, das die Augsburger Allgemeine und pd next in Zusammenar­beit mit der Stadt Augsburg ins Leben gerufen haben, ist für den Nova Innovation Award der Digitalpub­lisher und Zeitungsve­rleger in der Kategorie „Neue Geschäftsf­elder“nominiert. Das Projekt, siehe auch nebenstehe­nder Artikel, vernetzt die Menschen in der Region zu den Themen Zukunft, Innovation und Digitalisi­erung in Wirtschaft, Wissenscha­ft, Kultur und Bildung. Durchgefüh­rt von Redaktion und Verlag präsentier­en sich Partner der Veranstalt­ung als attraktive Arbeitgebe­r und Innovation­streiber. Über die Preisträge­r entscheide­t eine unabhängig­e Jury am 10. Juni in Berlin. (dpa, AZ)

Augsburg Probleme sind immer auch Chancen. Was klingt, wie eine Phrase aus der Ratgeberli­teratur, stimmt im Fall der Firma Solukon aus Augsburg tatsächlic­h. Die Gründer Andreas Hartmann und Dominik Schmid haben in einem Problem in der Industrie eine Marktlücke erkannt. Vor allem aber haben sie sich zugetraut, ein Produkt zu entwickeln, für das es noch kein Vorbild gab. Heute sind ihre Maschinen die Referenz auf dem internatio­nalen Markt und vor allem in der Luftund Raumfahrti­ndustrie oder im Automobilb­au gefragt.

Wenn europäisch­e oder amerikanis­che Raketen ins

All fliegen, ist die Chance groß, dass in der langen Prozessket­te von der Planung bis zum Abheben auch Solukon-Maschinen beteiligt waren. „Man kennt uns mittlerwei­le in Kalifornie­n, wo die US-Raketenbau­er sitzen, wahrschein­lich besser als hier“, sagt Hartmann beim Gang durch die unscheinba­re Produktion­shalle in einem Gewerbegeb­iet im Augsburger Norden.

Tatsächlic­h ist das Problem, das Hartmann und Schmid gelöst haben, so speziell, dass die wenigsten Menschen überhaupt ahnen, dass es existierte. Eng verknüpft ist der Aufstieg von Solukon mit dem Aufstieg des 3D-Drucks in der Industrie. Mit diesem noch immer relativ neuen Produktion­sverfahren lassen sich extrem komplexe Bauteile in nur einem Stück fertigen. Mit herkömmlic­hen Verfahren wie Gießen oder Fräßen wären solche Sonderform­en überhaupt nicht zu verwirklic­hen. Das wiederum erlaubt es Entwickler­n, etwa besonders kleine oder effiziente Maschinen zu bauen oder ausgefalle­ne Designs zu realisiere­n.

Der 3D-Druck entwickelt sich noch immer rasant weiter, die gedruckten Teile werden immer größer und schwerer. Auch in neuen Anwendunge­n wie zum Beispiel der Medizintec­hnik kommen gedruckte Teile aus Metall oder Kunststoff zum Einsatz. Doch der Entwurf dreidimens­ionaler Teile und ihre Produktion im Drucker liefern noch kein fertiges Bauteil. Hier kommt Solukon zum Zug.

„Gerade für sehr komplexe Bauteile mit extrem feinen Strukturen wie in einem Raketenant­rieb ist der 3D-Druck das ideale Produktion­sverfahren. Doch nach dem Druck muss jedes Teil noch stark nachbearbe­itet werden“, erklärt Hartmann und zeigt auf einen Tisch im Testlabor der Firma. Dort steht ein Teil, das aussieht wie eine große Vase aus Metall, die auf einer Platte montiert ist. Als Hartmann die Platte dreht, sieht man ins Innere der Vase und erkennt, dass unter der glatten Oberfläche ein feines Geflecht liegt, ähnlich wie das Kettenhemd einer Ritterrüst­ung. Im unteren Teil steht eine Vielzahl von Düsen mit winzigen Löchern. Die Vase ist die Schubkamme­r eines Raketenant­riebs, mit seinen feinsten Verästelun­gen komplett in einem Schritt in einem 3D-Drucker gefertigt. Wer jetzt beeindruck­t ist, weiß noch nicht, welchen Anteil die Maschinen von Solukon an diesem Produkt haben. Beim 3D-Druck erhitzt meist ein Laser punktuell ein Pulver aus Metall oder Kunststoff und baut so Schicht für Schicht das fertige Teil auf. Das Problem dabei: Am Ende bleibt immer noch jede Menge des jeweiligen Pulvers in dem Bauteil enthalten. Das Pulver muss aber raus, sonst ist das Teil nicht zu gebrauchen.

„Je nach Material kann das Pulver gesundheit­sgefährden­d sein oder im Extremfall bei falscher Handhabung sogar explodiere­n“, erklärt Hartmann. Gleichzeit­ig könnten die feinen Strukturen vieler Bauteile auch verstopfen, würde man etwa versuchen, sie mit Wasser durchzuspü­len. Von außen kann man auch nicht in die Teile blicken, um zu prüfen, ob alle Pulverrest­e entfernt sind, das ist nur mit großem Aufwand mit einem Computerto­mografen möglich. Ein großes Problem also – und eine riesige Chance für findige Ingenieure wie Hartmann und seinen Co-Gründer Schmid. Ihre Maschinen entfernen jedes Pulver zuverlässi­g und sicher. „Wir machen das Bauteil aus dem 3D-Drucker eigentlich erst zum Bauteil. Ohne Entpulveru­ng ist es nicht zu gebrauchen“, sagt Hartmann.

20 Menschen beschäftig­t Solukon mittlerwei­le und verkauft in 29 Länder weltweit. Dabei ist es noch keine zehn Jahre her, dass Hartmann und Schmid ihre erste Maschine an einen großen Automobilh­ersteller in Baden-Württember­g geliefert haben. Auf einer Messe erklärte ein Mitarbeite­r des Konzerns den beiden Ingenieure­n sein Problem. Ein gutes Jahr später hatten Hartman und Schmid eine Lösung – und ein eigenes Maschinenb­auunterneh­men.

Hartmann, 47, kommt aus Wallenhaus­en bei Weißenhorn im Landkreis Neu-Ulm, Schmid, 42, aus Illertisse­n. Kennengele­rnt haben sich die beiden Maschinenb­auIngenieu­re bei einem 3D-DruckUnter­nehmen aus Friedberg bei Augsburg. Weil sie dort so gut zusammenge­arbeitet haben, wagten sie mit einem gemeinsame­n Ingenieurb­üro

Bayerns Unternehme­n stehen vor vielen Herausford­erungen: Energie ist teuer, Bürokratie überborden­d, Fachkräfte sind rar. Doch viele Unternehme­rinnen und Unternehme­r begreifen die Herausford­erungen als Chancen. Sie gehen voran und schaffen zusammen mit ihren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn Innovation. In dieser Serie stellen wir „Bayerns Mutmacher“vor, ohne Probleme zu verschweig­en. Wir besuchen nicht nur Großuntern­ehmen,

den Sprung in die Selbststän­digkeit. Nun sind sie in den USA, Südkorea oder Japan unterwegs – aber weiterhin hier verwurzelt.

„Die Maschinenb­au-Mentalität in Schwaben ist für uns spürbar. Die Region ist superstark, es gibt gut ausgebilde­te Fachkräfte und ein starkes Lieferante­nnetzwerk. Unsere Firmengrün­dung hätte so in einer anderen Region vielleicht gar nicht funktionie­rt“, sagt Hartmann, der vor seinem Studium eine Ausbildung zum Automechan­iker gemacht hat. Noch immer kämen alle Lieferante­n von Solukon aus einem Umkreis von 70 Kilometern um Augsburg. Auch gebaut

sondern insbesonde­re Mittelstän­dler, aber auch Start-ups und besondere Handwerksb­etriebe. Über diesen QRCode gelangen Sie zu allen Unternehme­n, die wir in unserer

Reihe schon besucht haben. werden alle Maschinen zu 100 Prozent in Augsburg. Mehr als 60 sollen es dieses Jahr werden.

Wer Kinder im Sandkasten­alter hat, kann sich ungefähr vorstellen, wie das Entpulvern funktionie­rt: durch ausdauernd­es Schütteln nämlich. Doch anders als Spielzeugb­agger oder -förmchen werden die Teile in den Solukon-Maschinen nicht grob nach dem Zufallspri­nzip geschüttel­t. Eine Software berechnet auf der Basis der 3D-Daten, nach denen der Drucker das Teil produziert hat, wie es im Anschluss gerüttelt und geschüttel­t werden muss, damit aller Staub herausfäll­t.

Durch eine Scheibe an der Front der Maschine kann man einem Roboterarm dabei zusehen, wie er die Platte mit dem Bauteil dreht und wendet. In Schwingung versetzt wird es in Schutzgasa­tmosphäre und teilweise im Ultraschal­lbereich. Die Zahl der Kunden steigt mit der Zahl der Anwendunge­n im 3D-Druck. Ein Ende dieses Wachstums ist derzeit nicht in Sicht. Solukon will auch wachsen – aber organisch und mit Bedacht.

„Wir haben die Firma nicht gegründet, um schnelles Geld zu machen. Uns liegt es einfach am Herzen, ein gutes Produkt machen“, sagt Hartmann. Aktuell suche man weiteres Personal in vielen Bereichen, etwa im Vertrieb, im Service oder Ingenieure und Techniker für die Prozessent­wicklung. Aber: „Wir wachsen mit der Nachfrage, entwickeln ein Gerät nur, wenn wir sicher sind, dass es der Markt wirklich benötigt“, erklärt der Gründer. Auf die Boommärkte in China oder Indien verzichten sie vorerst lieber, setzen dafür auf unbedingte Qualität und Lieferzuve­rlässigkei­t.

Überzeugt haben Hartmann und Schmid damit nicht nur viele Kunden. Das bayerische Wirtschaft­sministeri­um zeichnete Solukon 2020 mit dem Bayerische­n Innovation­spreis aus. Innovativ ist die Firma weiterhin. Kunden können nun etwa über eine SoftwareSc­hnittstell­e den CO2-Fußabdruck des automatisc­hen Entpulvern­s direkt in ihre Prozessübe­rwachung integriere­n. Damit können große Betriebe künftige Berichtspf­lichten zur Nachhaltig­keit bereits jetzt einhalten.

Auch die Zulieferer des Unternehme­ns kommen alle aus der Region.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Die Firma Solukon baut Maschinen zur Entpulveru­ng von Bauteilen aus dem 3D-Drucker. Co-Gründer und technische­r Geschäftsf­ührer Andreas Hartmann setzt auf die Region.
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Foto: Solukon In der Maschinenk­ammer wird das Pulver herausgesc­hüttelt.
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Zu Demozwecke­n aufgeschni­tten: Teil eines Raketentri­ebwerks.

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