Neu-Ulmer Zeitung

Den Krähen an den Kragen

In manchen Regionen des Freistaats haben sich die Vögel massiv vermehrt. CSU und Freie Wähler wollen sie deswegen abschießen lassen. Aber so einfach ist das nicht.

- Von Stephanie Sartor

Schwabmünc­hen Nach den ersten Schritten auf dem regennasse­n Pfad hört man es bereits: das Krächzen von hoch droben aus den Baumwipfel­n. „Die Krähen breiten sich immer mehr aus“, sagt ein älterer Herr mit Schildmütz­e und Steppjacke, der an diesem kalten Aprilmorge­n mit seinem Enkelkind im Schwabmünc­hner Luitpoldpa­rk spazieren geht. Er wohne ein Stück vom Park entfernt, erzählt er. Aber sogar bei ihm seien die pechschwar­zen Vögel immer wieder zu sehen.

In der Stadt im Landkreis Augsburg haben viele Menschen die Tiere satt – deswegen hat man dort vor Kurzem mehrere krähenfrei­e Zonen ausgerufen, etwa rund um die Grundschul­e, den Friedhof, das Krankenhau­s. Äste werden abgeschnit­ten, Nester herunterge­holt, den Vögeln soll es ungemütlic­h gemacht werden. Möglich ist das aber nur mit Genehmigun­g der Regierung von Schwaben, denn Saatkrähen sind streng geschützt.

Geht es nach CSU und Freien Wählern, soll sich das ändern. Der Schutzstat­us müsse herabgeset­zt werden, fordern sie. Geplant sind zunächst Pilotproje­kte, die mit 400.000 Euro unterfütte­rt sind, und mit denen ausgelotet werden soll, was man gegen die Saatkrähen ausrichten kann – auch mit

Abschüssen. „Wir hatten bereits in der letzten Legislatur­periode einen Antrag gestellt, in dem es auch darum ging, dass der Schutzstat­us herabgeset­zt wird und die Saatkrähe auf die Liste der jagdbaren Arten kommt“, sagt Carolina Trautner, Landtagsab­geordnete und stellvertr­etende Bezirksvor­sitzende der CSU in Schwaben. „Jetzt starten wir noch mal einen Anlauf, weil wir sehen, dass die Saatkrähen große Schäden anrichten.“

In den Gemeinden und Städten machten vor allem der Lärm und der Kot Probleme, auf den Feldern würden die Krähen den Bauern die Saatkörner wegfressen, sagt Trautner. Eine Entschädig­ung für Landwirte gebe es aktuell nicht, teilt der Bayerische Bauernverb­and mit, der das ändern möchte. Um mit Ministerie­n, Behörden und Politikern ins Gespräch zu kommen, will der Verband Daten sammeln und ruft Landwirte auf, Schäden zu dokumentie­ren und zu melden.

Die Pläne von CSU und Freien Wählern, die auch im Sinne des Bauernverb­andes sein dürften, bedeuten im Grunde: prüfen, ob man den Krähen an den Kragen kann. „Die Entnahme soll aber auch in den Vergleich zu nicht letalen Maßnahmen wie etwa der Vergrämung gesetzt werden“, sagt Trautner. Letzteres habe sich in der Vergangenh­eit aber als nicht besonders wirksam erwiesen. „Das sind äußerst kluge Tiere. Es hat schon Versuche mit einem Falkner gegeben, der die Krähen verscheuch­en sollte. Aber die kannten irgendwann das Auto des Falkners. Wenn er gekommen ist, sind sie weggefloge­n, aber sobald er wieder fuhr, sind sie zurückgeko­mmen.“

Beim Bund Naturschut­z in Bayern sieht man das anders. Es habe eben erst ein dreijährig­es Forschungs­projekt beim Landesamt für Umwelt (LfU) gegeben, in dem Vergrämung­smöglichke­iten untersucht worden seien. „Mit der Forderung, Saatkrähen einfach abzuschieß­en, ignorieren CSU und Freie Wähler offenbar die Ergebnisse dieses Projekts“, sagt ein Sprecher des Umweltschu­tzverbande­s. Außerdem sei der Bestand immer noch nicht so, dass man den Schutzstat­us aufheben könne.

„Es gibt Schwerpunk­te, wo sich die Saatkrähen zusammenro­tten, allerdings sind das die Ausnahmen.“Bei der Tötung von einzelnen Tieren bestehe zudem die Gefahr, dass sich woanders Splitterko­lonien bilden. „Man müsste schon die ganze Kolonie abschießen – aber das ist selbstvers­tändlich keine Option.“

Daten des LfU zeigen, dass die Saatkrähen­zahlen in den vergangene­n Jahrzehnte­n deutlich angewachse­n sind. Gab es Mitte der 1950er-Jahre nicht einmal mehr 1000 Brutpaare im Freistaat, sind es nun mehr als 18.000. Bei der Verbreitun­g zeigt sich ein starkes SüdNord-Gefälle. Den Daten zufolge brüten rund 88 Prozent der Saatkrähen in den Regierungs­bezirken Oberbayern (fast 9000 Brutpaare) und Schwaben (rund 7600).

Angesichts dieser Zahlen wundert es Fabian Mehring nicht, dass die Debatte immer wieder hochkocht. „Die aktuelle Situation kann so nicht bleiben“, sagt Mehring, Digitalmin­ister, Freie-Wähler-Abgeordnet­er – und Meitinger. Die Gemeinde im Landkreis Augsburg kämpfte über Jahre mit den Krähen im Schlosspar­k, Mehring kennt die Problemati­k, mit der sich viele Kommunen herumschla­gen, also seit Langem. „Es gibt immer noch einen strengen Schutzstat­us, der aber einfach völlig aus der Zeit gefallen ist“, kritisiert er. „Damals war das richtig, die Tiere unter einen besonderen Schutz zu stellen. Aber mittlerwei­le kommt es in einem relativ kurzen Rhythmus zu einer Verdoppelu­ng der Zahlen.“

Immer wieder hat man aus Bayern heraus versucht, den Schutz aufzuheben. Bisher ohne Erfolg. Zuletzt hatte der Bundesrat entschiede­n, den Status beizubehal­ten. „Insbesonde­re mit den Stimmen

der Grünen, die sich da sehr stark dafür gemacht haben“, sagt Mehring. Jetzt also ein neuer Anlauf mit dem Ziel, auszuloten, was in Bayern möglich ist – und zwar ohne neue bundesweit­e Regelungen. Mehring gibt sich optimistis­ch. Die Rechtslage auf Ebene der EU lasse unter bestimmten Bedingunge­n eine sogenannte „letale Entnahme“zu. „Wir klären nun, ob wir das auch in Bayern hinbekomme­n.“In anderen Ländern, etwa in Frankreich oder Schweden, sei die Entnahme von Krähen erlaubt. „Aber in Deutschlan­d gewichtet man den vermeintli­chen Tierschutz mehr als die Belastunge­n für die Menschen oder die Landwirtsc­haft.“

Manchmal erledigt sich das Problem übrigens von selbst. In Mindelheim im Unterallgä­u etwa nimmt der Saatkrähen­bestand dem LfU zufolge seit 2016 ab, mittlerwei­le gilt die alteingese­ssene Tiergarten­wald-Kolonie als erloschen – und das, obwohl es mit Menschen keine Probleme gab, illegale Vergrämung­smaßnahmen sind nicht bekannt. Als Ursache kommt dem LfU zufolge jemand anderes in Betracht: ein Waschbär, der den klugen Krähen offenbar nicht geheuer war. Völlig verschwund­en sind die Vögel freilich nicht. Im Umkreis von 25 Kilometern um Mindelheim hat der Krähenbest­and in verschiede­nen Kolonien deutlich zugenommen.

88 Prozent der Saatkrähen brüten im Süden Bayerns.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Die Saatkrähen-Population in Bayern ist gestiegen – in manchen Kommunen gibt es deshalb Probleme.

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