Neu-Ulmer Zeitung

Warum die AfD ihre Russland-Freunde abmahnt

Als schwäbisch­e „Wahlbeobac­hter“in Moskau: Nach ihrer Reise werden die Politiker Jurca und Singer gerügt. Dabei ist die Annäherung zum Kreml sogar Parteilini­e.

- Von Christof Paulus

Augsburg Als Mitte März die drei AfD-Politiker Andreas Jurca, Ulrich Singer und Elena Roon nach Russland reisten, um dort die Präsidents­chaftswahl zu begleiten, wähnten sie sich noch ganz auf Parteilini­e. Der primäre Zweck liege darin, die „Forderunge­n nach einem diplomatis­chen Dialog umzusetzen“, teilten der Augsburger Jurca und der Donauwörth­er Singer damals auf Anfrage unserer Redaktion mit. Noch in Moskau lobten sie im russischen Propaganda­sender RT Deutsch die Wahl und warnten davor, dem russischen Kriegsgegn­er Ukraine Waffen zu liefern. Jetzt hat die Reise für sie Konsequenz­en: Sie wurden vom Bundesvors­tand der AfD abgemahnt. Das kam mit Ansage – und ist dennoch überrasche­nd.

Schon bei Bekanntwer­den distanzier­ten sich die Parteiober­en von Jurcas, Singers und Roons Reise. Unserer Redaktion sagte damals Katrin Ebner-Steiner, Vorsitzend­e der AfD-Fraktion im Bayerische­n Landtag: „Die Fraktion lehnt diese Reise ausdrückli­ch ab.“Laut Satzung der AfD ist eine Abmahnung möglich, wenn ein Mitglied „gegen die Satzung oder gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei“verstößt. Doch passt eine Reise nach Russland nicht zu den Grundsätze­n der AfD?

Parteichef Tino Chrupalla etwa redete beim SWR darüber, Russland ganze Gebiete der Ukraine zu überlassen und plädierte für freien und friedliche­n Handel mit Russland. Maximilian Krah und Petr Bystron, die als Spitzenkan­didaten für die Partei in die Europawahl gehen, sollen von einem Spionagene­tzwerk rund um das russische Propaganda­portal „Voice of Europe“Geld erhalten haben. Einem Spiegel-Bericht zufolge wurde Krah sogar von der US-Bundespoli­zei

FBI wegen seiner Verbindung­en nach Russland befragt. Mit ihrer Reise taten die drei bayerische­n Abgeordnet­en also offenbar nichts, was im Widerspruc­h zur Grundhaltu­ng der Partei steht: Sie suchten ebenfalls die Nähe nach Russland, schickten „Menschen statt Raketen“, wie Singer sagte.

Doch zwischen der Außendarst­ellung

und den inneren Angelegenh­eiten der AfD gebe es erhebliche Unterschie­de, sagt Wolfgang Schroeder, Professor für das Politische System der BRD an der Universitä­t Kassel. Formell pflege die Partei eine programmat­ische Linie, die zwar grenzwerti­g sei, aber aus demokratis­cher Sicht „im Großen und Ganzen nicht anfechtbar“. Den Schein, dass man sich Russland eben nicht anbiedere, wolle die AfD wahren – etwa, indem sie Vorstöße wie jenen von Jurca, Roon und Singer als Einzelfäll­e darstelle und auch sanktionie­re. Dabei ergebe sich die Nähe zu Russland aus vielfältig­en programmat­ischen und strategisc­hen Gründen. Entscheide­nd sei aber das Ziel, die Demokratie zu destabilis­ieren.

Ein zweiter Aspekt, der für das Vorgehen gegen die Russland-Reise eine Rolle spielen könnte, sind parteiinte­rne Querelen in der AfD. Die AfD sei keinesfall­s eine eingeschwo­rene Gemeinscha­ft – „sondern vielfach sind die AfD-Gruppen und Fraktionen eher eine Ansammlung von Desperados und gescheiter­ten Existenzen“, sagt der Politologe. Erst im Herbst musste Singer das Amt des Fraktionsv­orsitzende­n im Landtag abgeben, inzwischen ist er nur noch Mitglied im Wissenscha­ftsausschu­ss und dem Landesdenk­malrat. „Für viele AfD-Politiker ist der Einzug in das Parlament ein massiver Aufstieg“, sagt Schroeder. Mit internen Sanktionsm­öglichkeit­en verfüge die Parteiführ­ung deshalb über „Folterinst­rumente“, die sie einsetzen könne.

Jurca wollte sich auf Anfrage zu der Abmahnung nur knapp äußern. Er teilte mit, dass diese inzwischen bei ihm eingegange­n sei und verwies darauf, dass alles Weitere „parteiinte­rn“geregelt werde. Eine Anfrage an Singer und den AfD-Bundesvors­tand blieb bislang unbeantwor­tet.

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Foto: Matthias Balk, dpa Der AfD-Politiker Ulrich Singer reiste im März zu Putins Wahl nach Russland.

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