Warum die AfD ihre Russland-Freunde abmahnt
Als schwäbische „Wahlbeobachter“in Moskau: Nach ihrer Reise werden die Politiker Jurca und Singer gerügt. Dabei ist die Annäherung zum Kreml sogar Parteilinie.
Augsburg Als Mitte März die drei AfD-Politiker Andreas Jurca, Ulrich Singer und Elena Roon nach Russland reisten, um dort die Präsidentschaftswahl zu begleiten, wähnten sie sich noch ganz auf Parteilinie. Der primäre Zweck liege darin, die „Forderungen nach einem diplomatischen Dialog umzusetzen“, teilten der Augsburger Jurca und der Donauwörther Singer damals auf Anfrage unserer Redaktion mit. Noch in Moskau lobten sie im russischen Propagandasender RT Deutsch die Wahl und warnten davor, dem russischen Kriegsgegner Ukraine Waffen zu liefern. Jetzt hat die Reise für sie Konsequenzen: Sie wurden vom Bundesvorstand der AfD abgemahnt. Das kam mit Ansage – und ist dennoch überraschend.
Schon bei Bekanntwerden distanzierten sich die Parteioberen von Jurcas, Singers und Roons Reise. Unserer Redaktion sagte damals Katrin Ebner-Steiner, Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag: „Die Fraktion lehnt diese Reise ausdrücklich ab.“Laut Satzung der AfD ist eine Abmahnung möglich, wenn ein Mitglied „gegen die Satzung oder gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei“verstößt. Doch passt eine Reise nach Russland nicht zu den Grundsätzen der AfD?
Parteichef Tino Chrupalla etwa redete beim SWR darüber, Russland ganze Gebiete der Ukraine zu überlassen und plädierte für freien und friedlichen Handel mit Russland. Maximilian Krah und Petr Bystron, die als Spitzenkandidaten für die Partei in die Europawahl gehen, sollen von einem Spionagenetzwerk rund um das russische Propagandaportal „Voice of Europe“Geld erhalten haben. Einem Spiegel-Bericht zufolge wurde Krah sogar von der US-Bundespolizei
FBI wegen seiner Verbindungen nach Russland befragt. Mit ihrer Reise taten die drei bayerischen Abgeordneten also offenbar nichts, was im Widerspruch zur Grundhaltung der Partei steht: Sie suchten ebenfalls die Nähe nach Russland, schickten „Menschen statt Raketen“, wie Singer sagte.
Doch zwischen der Außendarstellung
und den inneren Angelegenheiten der AfD gebe es erhebliche Unterschiede, sagt Wolfgang Schroeder, Professor für das Politische System der BRD an der Universität Kassel. Formell pflege die Partei eine programmatische Linie, die zwar grenzwertig sei, aber aus demokratischer Sicht „im Großen und Ganzen nicht anfechtbar“. Den Schein, dass man sich Russland eben nicht anbiedere, wolle die AfD wahren – etwa, indem sie Vorstöße wie jenen von Jurca, Roon und Singer als Einzelfälle darstelle und auch sanktioniere. Dabei ergebe sich die Nähe zu Russland aus vielfältigen programmatischen und strategischen Gründen. Entscheidend sei aber das Ziel, die Demokratie zu destabilisieren.
Ein zweiter Aspekt, der für das Vorgehen gegen die Russland-Reise eine Rolle spielen könnte, sind parteiinterne Querelen in der AfD. Die AfD sei keinesfalls eine eingeschworene Gemeinschaft – „sondern vielfach sind die AfD-Gruppen und Fraktionen eher eine Ansammlung von Desperados und gescheiterten Existenzen“, sagt der Politologe. Erst im Herbst musste Singer das Amt des Fraktionsvorsitzenden im Landtag abgeben, inzwischen ist er nur noch Mitglied im Wissenschaftsausschuss und dem Landesdenkmalrat. „Für viele AfD-Politiker ist der Einzug in das Parlament ein massiver Aufstieg“, sagt Schroeder. Mit internen Sanktionsmöglichkeiten verfüge die Parteiführung deshalb über „Folterinstrumente“, die sie einsetzen könne.
Jurca wollte sich auf Anfrage zu der Abmahnung nur knapp äußern. Er teilte mit, dass diese inzwischen bei ihm eingegangen sei und verwies darauf, dass alles Weitere „parteiintern“geregelt werde. Eine Anfrage an Singer und den AfD-Bundesvorstand blieb bislang unbeantwortet.