Wie Nilfisk wachsen will
Der Reinigungsgerätehersteller wird sein Geschäft auf dem wichtigen deutschen Markt neu ausrichten. Für den Deutschlandsitz in Bellenberg gibt es drei Szenarien.
Bellenberg Gerade ist ein Industriestaubsauger, der für Milchpulver verwendet wird, in Bellenberg in der Reparatur. Ein paar Schritte weiter wird ein elektrisch beheizter Hochdruckreiniger geprüft, bevor das Gerät ausgeliefert wird. Und dann ist da noch die Manufaktur, in der spezielle Schläuche auf Kundenwunsch angefertigt werden: zum Beispiel knicksicher, leitfähig oder möglichst weich. „Damit machen wir mehrere Millionen Euro Umsatz im Jahr“, sagt Wulf Bunzel zu den speziell angepassten Geräten. Der 58-Jährige ist seit Anfang März neuer Deutschlandchef bei Nilfisk. Er soll das Unternehmen neu ausrichten. Dazu gehört auch die Frage, wie es in der deutschen Zentrale in Bellenberg weitergehen wird.
Nilfisk ist Spezialist für Reinigungsgeräte, zur Produktpalette gehören Maschinen zur Bodenreinigung, Hochdruckreiniger und Industriestaubsauger. Von Bellenberg aus wird das Geschäft mit gewerblichen Kunden betrieben, das Angebot für Endverbraucher ist im dänischen Konzern europaweit organisiert. Produziert wird im Illertal seit beinahe 20 Jahren nicht mehr, Werke befinden sich unter anderem in Ungarn, den Vereinigten Staaten, Dänemark und China. Der Deutschlandsitz ist eine Verwaltungszentrale. Deutschlandweit unterhält Nilfisk kleinere Standorte, von denen aus mehr als 100 Techniker und Technikerinnen zur Kundschaft fahren.
Diese Standorte, sagt Bunzel, seien aus der Historie heraus in den meisten Fällen eher funktionale Einrichtungen. Sein Ziel ist, sie umzugestalten – zu Plätzen, zu denen das Nilfisk-Personal Kundinnen und Kunden gerne mitnimmt. In der Nähe von Hamburg und bei Düsseldorf geht es los, hier sollen noch in diesem Jahr neue und repräsentativere Räume bezogen werden.
Und in Bellenberg? „Wir haben Räume, die wir im Winter nicht effizient heizen können. Die Mitarbeiter arbeiten dann im Homeoffice“, sagt Bunzel. Die Energiekosten seien höher als die Miete, den bis zu 60 Jahre alten Gebäuden ist das Alter anzusehen und die Aufteilung in mehrere Häuser passt nicht zur Vorstellung des neuen Führungsteams, dass das Personal eng zusammenarbeiten und sich oft sehen soll. Was das bedeutet, ist nach Bunzels Worten noch völlig offen.
Ein externer Dienstleister erarbeitet derzeit die Grundlagen für die Neuausrichtung in Deutschland. Dabei geht es auch um die Zentrale. Denkbar sei vieles, sagt der Geschäftsführer. Eine Sanierung der Gebäude, ein Neubau – aber auch ein Umzug. „Die Gemeinde hat ein Interesse, dass wir hierbleiben und unser Vermieter auch“, sagt Bunzel. Das Areal gehört dem Illertisser Bauunternehmen Kurt Motz, wie unsere Redaktion bereits in der Vergangenheit berichtete. Die Beschäftigten lobt der Geschäftsführer in höchsten Tönen, auch an sie müsse man bei einem möglichen Umzug denken. Denkbar sei auch, dass der Standort in Pendel-Reichweite liege.
Der neue Geschäftsführer war vorher im Vertrieb in der Telekommunikationsbranche und im Bereich Sicherheitssysteme tätig. Nilfisk habe er früher nicht gekannt, räumt Bunzel freimütig ein. Aber: „Ich finde unsere Produkte richtig gut. Die Solidität, die unsere Kunden wollen, die bringen wir. Da ist ganz viel Metall, wo unsere Mitbewerber Kunststoff verbauen.“Im Endverbrauchersegment bietet Nilfisk 30 Jahre Garantie, im Geschäftskundenbereich ist die Zeitspanne vom Produkt abhängig.
Die Branche ist für Bunzel neu, die Aufgabe reizte den Manager. „Ich hatte richtig Lust auf die Aufgabe“, sagt er. Deutschland gehöre neben dem Vereinigten Königreich und Frankreich zu den drei wichtigsten Märkten für Nilfisk in Europa. Der Marktanteil ist aus Sicht des Unternehmens ausbaufähig, der Umsatz wegen der hohen Anforderungen bei der Kundschaft dagegen hoch. Der Reinigungsgerätespezialist
und sein Deutschlandchef sehen große Chancen auf Wachstum, das unter anderem durch mehr Effizienz erreicht werden soll. Zukäufe sind nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen, „wenn uns wer über den Weg läuft, der gut zu uns passt.“, sagt Bunzel. Er sei überzeugt von organischem, nachhaltigem Wachstum. Auch deshalb soll der Ausbau der Standorte zu sogenannten Kompetenzzentren nach und nach erfolgen.
Der Vertrieb ist nur ein Segment, dazu kommen Wartung, Service sowie der Handel mit Reinigungsmitteln, Ersatzteilen und mehr. Im hessischen Linsengericht betreibt das Unternehmen ein Wiederaufbereitungszentrum, ein neuer Schwerpunkt liegt zudem auf Leasing- und Mietmodellen. Künstliche Intelligenz komme als neuer Trend dazu, berichtet Bunzel. Autonome fahrende Reinigungsgeräte werde man immer häufiger sehen, auch in der Öffentlichkeit. Olga Drichel, bei Nilfisk für das Marketing zuständig, hat eine Beobachtung gemacht: „Früher fand Reinigung im Verborgenen statt. Seit Corona ist Sauberkeit als Qualitätsmerkmal noch wichtiger geworden.“Das sehe man etwa in Supermärkten, wo inzwischen während der Öffnungszeiten geputzt werde. Viele große Ketten gehören zur Nilfisk-Kundschaft. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen mit Partnern im Fachhandel und mit Reinigungsfirmen zusammen.
Nilfisk beschäftigt weltweit rund 4700 Menschen, in Deutschland sind es circa 370 und in Bellenberg etwa 120. Der Umsatz des Konzerns, der zu den größten Anbietern von Reinigungstechnik gehört, belief sich 2023 auf 1033,6 Millionen Euro. 14 Prozent des Umsatzes wurden in Deutschland gemacht, nur der Anteil der USA war mit 30 Prozent größer.
Verantwortliche sehen Chancen – durch mehr Effizienz.