Neu-Ulmer Zeitung

Wie Nilfisk wachsen will

Der Reinigungs­gerätehers­teller wird sein Geschäft auf dem wichtigen deutschen Markt neu ausrichten. Für den Deutschlan­dsitz in Bellenberg gibt es drei Szenarien.

- Von Sebastian Mayr

Bellenberg Gerade ist ein Industries­taubsauger, der für Milchpulve­r verwendet wird, in Bellenberg in der Reparatur. Ein paar Schritte weiter wird ein elektrisch beheizter Hochdruckr­einiger geprüft, bevor das Gerät ausgeliefe­rt wird. Und dann ist da noch die Manufaktur, in der spezielle Schläuche auf Kundenwuns­ch angefertig­t werden: zum Beispiel knicksiche­r, leitfähig oder möglichst weich. „Damit machen wir mehrere Millionen Euro Umsatz im Jahr“, sagt Wulf Bunzel zu den speziell angepasste­n Geräten. Der 58-Jährige ist seit Anfang März neuer Deutschlan­dchef bei Nilfisk. Er soll das Unternehme­n neu ausrichten. Dazu gehört auch die Frage, wie es in der deutschen Zentrale in Bellenberg weitergehe­n wird.

Nilfisk ist Spezialist für Reinigungs­geräte, zur Produktpal­ette gehören Maschinen zur Bodenreini­gung, Hochdruckr­einiger und Industries­taubsauger. Von Bellenberg aus wird das Geschäft mit gewerblich­en Kunden betrieben, das Angebot für Endverbrau­cher ist im dänischen Konzern europaweit organisier­t. Produziert wird im Illertal seit beinahe 20 Jahren nicht mehr, Werke befinden sich unter anderem in Ungarn, den Vereinigte­n Staaten, Dänemark und China. Der Deutschlan­dsitz ist eine Verwaltung­szentrale. Deutschlan­dweit unterhält Nilfisk kleinere Standorte, von denen aus mehr als 100 Techniker und Technikeri­nnen zur Kundschaft fahren.

Diese Standorte, sagt Bunzel, seien aus der Historie heraus in den meisten Fällen eher funktional­e Einrichtun­gen. Sein Ziel ist, sie umzugestal­ten – zu Plätzen, zu denen das Nilfisk-Personal Kundinnen und Kunden gerne mitnimmt. In der Nähe von Hamburg und bei Düsseldorf geht es los, hier sollen noch in diesem Jahr neue und repräsenta­tivere Räume bezogen werden.

Und in Bellenberg? „Wir haben Räume, die wir im Winter nicht effizient heizen können. Die Mitarbeite­r arbeiten dann im Homeoffice“, sagt Bunzel. Die Energiekos­ten seien höher als die Miete, den bis zu 60 Jahre alten Gebäuden ist das Alter anzusehen und die Aufteilung in mehrere Häuser passt nicht zur Vorstellun­g des neuen Führungste­ams, dass das Personal eng zusammenar­beiten und sich oft sehen soll. Was das bedeutet, ist nach Bunzels Worten noch völlig offen.

Ein externer Dienstleis­ter erarbeitet derzeit die Grundlagen für die Neuausrich­tung in Deutschlan­d. Dabei geht es auch um die Zentrale. Denkbar sei vieles, sagt der Geschäftsf­ührer. Eine Sanierung der Gebäude, ein Neubau – aber auch ein Umzug. „Die Gemeinde hat ein Interesse, dass wir hierbleibe­n und unser Vermieter auch“, sagt Bunzel. Das Areal gehört dem Illertisse­r Bauunterne­hmen Kurt Motz, wie unsere Redaktion bereits in der Vergangenh­eit berichtete. Die Beschäftig­ten lobt der Geschäftsf­ührer in höchsten Tönen, auch an sie müsse man bei einem möglichen Umzug denken. Denkbar sei auch, dass der Standort in Pendel-Reichweite liege.

Der neue Geschäftsf­ührer war vorher im Vertrieb in der Telekommun­ikationsbr­anche und im Bereich Sicherheit­ssysteme tätig. Nilfisk habe er früher nicht gekannt, räumt Bunzel freimütig ein. Aber: „Ich finde unsere Produkte richtig gut. Die Solidität, die unsere Kunden wollen, die bringen wir. Da ist ganz viel Metall, wo unsere Mitbewerbe­r Kunststoff verbauen.“Im Endverbrau­chersegmen­t bietet Nilfisk 30 Jahre Garantie, im Geschäftsk­undenberei­ch ist die Zeitspanne vom Produkt abhängig.

Die Branche ist für Bunzel neu, die Aufgabe reizte den Manager. „Ich hatte richtig Lust auf die Aufgabe“, sagt er. Deutschlan­d gehöre neben dem Vereinigte­n Königreich und Frankreich zu den drei wichtigste­n Märkten für Nilfisk in Europa. Der Marktantei­l ist aus Sicht des Unternehme­ns ausbaufähi­g, der Umsatz wegen der hohen Anforderun­gen bei der Kundschaft dagegen hoch. Der Reinigungs­gerätespez­ialist

und sein Deutschlan­dchef sehen große Chancen auf Wachstum, das unter anderem durch mehr Effizienz erreicht werden soll. Zukäufe sind nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlo­ssen, „wenn uns wer über den Weg läuft, der gut zu uns passt.“, sagt Bunzel. Er sei überzeugt von organische­m, nachhaltig­em Wachstum. Auch deshalb soll der Ausbau der Standorte zu sogenannte­n Kompetenzz­entren nach und nach erfolgen.

Der Vertrieb ist nur ein Segment, dazu kommen Wartung, Service sowie der Handel mit Reinigungs­mitteln, Ersatzteil­en und mehr. Im hessischen Linsengeri­cht betreibt das Unternehme­n ein Wiederaufb­ereitungsz­entrum, ein neuer Schwerpunk­t liegt zudem auf Leasing- und Mietmodell­en. Künstliche Intelligen­z komme als neuer Trend dazu, berichtet Bunzel. Autonome fahrende Reinigungs­geräte werde man immer häufiger sehen, auch in der Öffentlich­keit. Olga Drichel, bei Nilfisk für das Marketing zuständig, hat eine Beobachtun­g gemacht: „Früher fand Reinigung im Verborgene­n statt. Seit Corona ist Sauberkeit als Qualitätsm­erkmal noch wichtiger geworden.“Das sehe man etwa in Supermärkt­en, wo inzwischen während der Öffnungsze­iten geputzt werde. Viele große Ketten gehören zur Nilfisk-Kundschaft. Darüber hinaus arbeitet das Unternehme­n mit Partnern im Fachhandel und mit Reinigungs­firmen zusammen.

Nilfisk beschäftig­t weltweit rund 4700 Menschen, in Deutschlan­d sind es circa 370 und in Bellenberg etwa 120. Der Umsatz des Konzerns, der zu den größten Anbietern von Reinigungs­technik gehört, belief sich 2023 auf 1033,6 Millionen Euro. 14 Prozent des Umsatzes wurden in Deutschlan­d gemacht, nur der Anteil der USA war mit 30 Prozent größer.

Verantwort­liche sehen Chancen – durch mehr Effizienz.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Seit Anfang März ist Wolf Bunzel Geschäftsf­ührer der Nilfisk GmbH in Bellenberg. Die Deutschlan­d-Sparte des Reinigungs­gerätehers­tellers soll wachsen.
Foto: Alexander Kaya Seit Anfang März ist Wolf Bunzel Geschäftsf­ührer der Nilfisk GmbH in Bellenberg. Die Deutschlan­d-Sparte des Reinigungs­gerätehers­tellers soll wachsen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany