Wie 260 Einsatzkräfte für eine Katastrophe an der A7 üben
Vorsicht, Ammoniak: Rund 60 Einsatzfahrzeuge sind am Samstag zu einer großen Probe nach Langenau aufgebrochen.
Ulm Viele Lagerhallen der Spedition Dachser neben der A 7 sind gekühlt, um dort Lebensmittel lagern zu können. Dabei wird Ammoniak eingesetzt – das nun in der Übung angeblich ausgetreten sein und zu knapp 40 Verletzten geführt haben soll.
Während der Brandschutz und die technische Hilfeleistung bei Unglücken Pflichtaufgaben der Kommune sind, muss sich der Landkreis um Katastrophenfälle kümmern. Hunderte ehrenamtliche Helfer sind dazu im Sanitätsdienst ausgebildet oder engagieren sich auch in Spezialeinheiten, die im Umgang mit Giftstoffen ausgebildet sind.
Gegen 10 Uhr wird nach mehrmonatiger Planung der Übungsalarm ausgelöst, die Helfenden treffen sich an ihren Unterkünften und fahren mit Einsatzfahrzeugen zu Sammelpunkten. Dadurch wird ein Chaos an der Einsatzstelle vermieden und einsatzfähige Einheiten können koordiniert werden.
Die Messfahrzeuge aus Ehingen und Ulm werden von Spezialisten aus dem Landkreis Neu-Ulm unterstützt, vor allem, um die Zusammenarbeit zu üben. Auch die Neu-Ulmer Landrätin Eva Treu ist unter den geladenen Gästen, die von Kreisbrandmeister Ralf Ziegler durch das Übungsgelände geführt werden.
Währenddessen muss etwas für die fiktiv mit dem Gas verletzten Mitarbeiter getan werden, ohne die Einsatzkräfte zu gefährden. Aus Lastwagen werden Zelte ausgeladen, Heizungen, Tragen, Badeschlappen und Schutzanzüge. Nach rund einer Stunde steht die „Dekon-V“, in der Verletzte dekontaminiert werden, also mit passenden Chemikalien die Giftstoffe vom Körper abgespült bekommen, um vom Sanitätsdienst behandelt werden zu können.
Die örtlich zuständige Feuerwehr Langenau wurde vollautomatisch über die vorhandene Brandmeldeanlage alarmiert und muss nun gleichzeitig den Gasaustritt bekämpfen und die Verletzten in Sicherheit bringen. Den Feuerwehrleuten ist die Routine anzumerken, auch wenn die Verletztendarsteller – wie es im Ernstfall wohl auch wäre – immer wieder dazwischenreden oder sich nicht helfen lassen wollen.
Unter Atemschutz holen die Feuerwehrleute Verletzte aus dem Treppenhaus, die in panischer Flucht gestolpert sind und sich Knochenbrüche zugezogen haben. Andere laufen panisch im Hof herum. Am Ende sind es 30 gehfähige Verletzte und acht liegende Verletzte, die an den Reinigungszelten abgeliefert werden.
In den beheizten Zelten werden die Verletzten von Feuerwehrleuten unter Atemschutz entkleidet, innerhalb der Übung nur bis auf die Badehose oder den Bikini. Dann geht es zum Duschen. Wer selber gehen kann, stellt sich unter die Dusche, wer nicht gehen kann, wird mit einer Krankentrage durch das Duschzelt hindurchgeschoben und von Feuerwehrleuten gereinigt. Danach gibt es frische Kleidung, bei der an alles gedacht ist. In Kisten liegen fertige Päckchen inklusive Socken und Badeschlappen.
Überall stehen Fachleute mit grauen Überwurfwesten. Die rund zwei Dutzend Beobachter notieren sich Uhrzeiten, Befehle und Abläufe, um in den Tagen nach der Übung den Ablauf rekonstruieren und verbessern zu können. Auch die „weiße Fraktion“, die Sanitäter im Katastrophenschutz ist einsatzklar. Sie haben ein halbes Dutzend große Zelte aufgebaut, um die Verletzten behandeln zu können. In der Kategorie „grün“geht es sehr entspannt zu, denn diese Leichtverletzten brauchen vor allem psychische Betreuung. Ein gutes Dutzend Notfallseelsorger ist dafür ausgebildet. Im Zelt mit der roten Fahne werden die Schwerverletzten versorgt, hier wird künstlich beatmet und die Notärzte und Rettungsdienstler haben viel zu tun.
Robert Mittermeier ist Niederlassungsleiter der Spedition Dachser in Langenau und war zuerst erstaunt, was das Landratsamt auf seinem Gelände üben möchte. Da es ständigen Kontakt zur Langenauer Feuerwehr gibt, die ebenfalls immer wieder dort übt, war es klar, das Dachser die Übung unterstützt. Auf dem 220 000 Quadratmeter großen Gelände arbeiten über 600 Mitarbeiter. Dazu kommen bis zu 400 Externe, die täglich auf dem Gelände sind. Insgesamt 120.000 Paletten können auf dem 30 Fußballfelder großen Areal gelagert werden, die Hälfte der Stellplätze ist Lebensmitteln vorbehalten – in den riesigen Kühlanlagen wird Ammoniak eingesetzt.