Warum Indien so wichtig wird
Russland ist raus, China ein Risiko. Nach Rückschlägen will Berlin die Gefahren für die deutsche Wirtschaft minimieren. Und trotzdem im Osten Handel treiben. Indien ist eine Chance.
Ebenfalls dazu:
Wieder einmal versteigt sich Rudi Wais in extrem hinkende Vergleiche und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, um die Außenministerin zu diskreditieren. Dabei sind seine Argumente getrieben und geprägt von Boulevardzeitungen, die ihre Leser einseitig informieren. Um Baerbock außenpolitische Schwäche vorzuwerfen, übertüncht der Autor geschichtliche Hintergründe und fällt auf verzerrte Berichte von Chat-Gruppen herein. Dass bei Netanyahu, dem selbst der von Wais zitierte Historiker Seligman vorwirft, dass er „den Krieg politisch verloren“, „eine politische Katastrophe zu verantworten“und „Israel isoliert“habe, nicht einmal die USA Gehör finden, verschweigt der Autor.
Auch, dass die Regierung Netanyahu inzwischen weitgehend die israelischen Medien im Griff hat. Die berichten eher einseitig über die Bombardierungen und Hungersnöte in Gaza.
Sibylle Mabry, Kempten
In besserer Position
Zu „Scholz ruft zur Deeskalation in Nahost auf“(Seite 1) vom 20. April: Diesem Aufruf von Scholz kann man von ganzem Herzen zuzustimmen. Nur: Was für den Nahen Osten gilt, sollte in noch höherem Maße für unseren eigenen Kontinent gelten. Warum wird der Kampf in der Ukraine mit immer neuen Waffenlieferungen jetzt seit über zwei Jahren am Leben erhalten? Keine Waffen mehr, stattdessen Verhandlungen! Bei baldigen Verhandlungen wäre auch die ukrainische Verhandlungsposition viel besser, als wenn abgewartet wird, bis die russische Armee noch weiter vorgedrungen ist.
Elmar Ferstl, Aystetten
Hass macht blind
Zum Kommentar von Rudi Wais „Der Iran ist gewarnt“(seite 1) vom 20. April:
Nicht nur in diesem Artikel, allgemein wird unter den Tisch gekehrt, dass eigentlich Israel diesen Konflikt begonnen hat, mit dem Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus. Was hätte das für einen weltweiten Aufschrei gegeben, hätte Iran eine israelische Botschaft angegriffen! Die Antwort des Iran war einfach nur dumm.
Aber Hass macht bekanntlich blind.
Georg Kaltwasser, Rettenbach
Verlust hier wie dort
Zu „Flüsse voller Energie“(Bayern) vom 20. April:
Das Gleiche könnte man auch für andere Umweltwärme oder z. B. die Erd- und Tiefenwärme errechnen, denn die Umweltwärme nimmt ja zu, seit wir durch die Zunahme der CO2-Konzentration immer weniger von der eingestrahlten SonnenEnergie ins Universum zurückstrahlen. Das Energieproblem wird durch Gewässerwärme nicht gelöst, sondern nur eine Quelle benannt, aus der Wärme gewonnen werden kann. Sinn macht das jedoch nur dann, wenn dies mit erneuerbarer (CO2-freier) Energie erfolgt. Grundlage ist daher der weitere und beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energie und gerade auch der Ausbau der Stromspeicher, denn Wärme brauchen wir im Winter, der PV-Strom aber kommt vor allem im Sommer.
Georg Brand, Lindenberg
Moralist, nicht Realist
Zu „Kant to go“(Wochenend-Journal) vom 20. April:
Vielen Dank für die interessanten Beiträge zum Thema „Kant“. Der „Kategorische Imperativ“ist sehr aktuell. Ein engagierter Umweltschützer denkt: Wenn strenger Umweltschutz allgemeines sittliches Gebot wäre, könnte die Klimakrise eingedämmt werden.
Folglich fühlt er sich verpflichtet, auf Auto und Flugzeug möglichst zu verzichten. Und dann sieht er seine Mitmenschen: Die Mehrheit der Deutschen hält sich nicht an die „Regel“, und er fühlt sich als der „Dumme“. Kant war kein Realist, sondern Moralist.
Und was würde der Moralist Kant zur verbreiteten Meinung sagen: „Warum sollen wir Deutschen so viel für den Umweltschutz tun, wenn andere Länder viel weniger tun? Sind wir die Dummen?“
Karl Fieger, Gersthofen
Schreiben Sie Ihre Meinung
In Indien wird seit Freitag gewählt. In Deutschland geht das – sieht man von der Hauptstadt Berlin ab – reibungslos an einem Tag. Auf dem Subkontinent in Fernost braucht es hingegen sechs Wochen. Damit soll keinesfalls neokolonialistisch angedeutet werden, dass Indien eine solche Abstimmung nicht schneller auf die Kette brächte, sondern es soll allein dessen riesige Dimension umrissen werden: Die Rede ist vom bevölkerungsreichsten Land der Welt. Rund 1,4 Milliarden Einwohner, 970 Millionen davon sind stimmberechtigt. Vom Himalaja-Gebirge bis nach Tamil Nadu ist es eine gewaltige Strecke. Dazwischen vermessen sich die enormen ökonomischen Möglichkeiten. Ob Indien wirtschaftlich tatsächlich das neue China werden kann? Auf jeden Fall wird es Deutschland zeitnah überholen. Die Bundesregierung sollte mehr mit Indien rechnen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck war im vergangenen Sommer dort. Endlich. Denn diese Reise hat seit Philipp Rösler (FDP) niemand mehr angetreten – also viel zu lange her. Deutschland will die Abhängigkeit von China minimieren (was derzeit kaum gelingt), will seine Handelspartner diversifizieren und bei den Lieferketten widerstandsfähiger werden. Indien bietet hier viel. Vor allem hat es eine junge Bevölkerung, viele qualifizierte Fachkräfte, die für das Wachstum des alternden Deutschland immer wichtiger werden. Mit dem so unmöglichen wie fremdenfeindlichen Slogan „Kinder statt Inder“hatte die Union einst Wahlkampf gemacht. Das Gegenteil ist in Zeiten des IT-Fachkräfte-Großmangels richtig. In der Rangfolge der deutschen Handelspartner rangierte Indien 2023 indes nur auf Platz 23, mit einem Gesamtvolumen von etwas mehr als 30 Milliarden Euro. Da geht noch mehr.
Unter dem umstrittenen Premierminister Narendra Modi von der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) ist die größte Demokratie der Welt weiter aufgestiegen. Wie demokratisch es dort tatsächlich zugeht, stellen nicht nur die schwächelnde Opposition, sondern auch die muslimische Minderheit des Landes infrage. Dass Modi diese Wahlen allerdings gewinnen wird, bezweifeln die wenigsten. Wirtschaftlich bleiben die Aufgaben nach einem Sieg gewaltig – auch wenn Indien seine Infrastruktur temporeich ausbaut, seit 2014 die Fernstraßen um Zehntausende Kilometer erweitert, fast 350 Flughäfen und ohnehin top ausgebildete Eliten hat. Denn das Elend der Massen bleibt ein riesiges Problem: Die meisten armen Menschen weltweit leben in
Indien. Andererseits wächst die Mittelschicht rasant. Zu den Ambivalenzen gehört auch Indiens Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Modi gratulierte dem Diktator Putin im März zu seinem „Wahlsieg“.
Walter J. Lindner, von 2019 bis 2022 Deutschlands Botschafter in Indien, appelliert in seinem gerade erschienenen Buch, das Land als Stimme des Globalen Südens endlich ernst zu nehmen und die eigene westliche Perspektive infrage zu stellen. Natürlich sollten Menschenrechte und Missstände angesprochen werden. Aber, so Lindner: „Oft genug erfolgt der zweite Schritt vor dem ersten. Nicht immer ist den Sprechenden klar, dass sie auf dem Boden einer kolonialen Vergangenheit stehen, deren Folgen bis heute nachwirken.“
Wenn Russland sich als Partner verdammt hat, ein aggressives China weniger wichtig werden soll, dann benötigt der Ex-ExportWeltmeister Deutschland dringend Alternativen mit skalierbaren Märkten. Indien hat sie.
Das Elend der Massen bleibt ein riesiges Problem.