Neu-Ulmer Zeitung

Warum Indien so wichtig wird

Russland ist raus, China ein Risiko. Nach Rückschläg­en will Berlin die Gefahren für die deutsche Wirtschaft minimieren. Und trotzdem im Osten Handel treiben. Indien ist eine Chance.

- Von Stefan Küpper

Ebenfalls dazu:

Wieder einmal versteigt sich Rudi Wais in extrem hinkende Vergleiche und aus dem Zusammenha­ng gerissene Zitate, um die Außenminis­terin zu diskrediti­eren. Dabei sind seine Argumente getrieben und geprägt von Boulevardz­eitungen, die ihre Leser einseitig informiere­n. Um Baerbock außenpolit­ische Schwäche vorzuwerfe­n, übertüncht der Autor geschichtl­iche Hintergrün­de und fällt auf verzerrte Berichte von Chat-Gruppen herein. Dass bei Netanyahu, dem selbst der von Wais zitierte Historiker Seligman vorwirft, dass er „den Krieg politisch verloren“, „eine politische Katastroph­e zu verantwort­en“und „Israel isoliert“habe, nicht einmal die USA Gehör finden, verschweig­t der Autor.

Auch, dass die Regierung Netanyahu inzwischen weitgehend die israelisch­en Medien im Griff hat. Die berichten eher einseitig über die Bombardier­ungen und Hungersnöt­e in Gaza.

Sibylle Mabry, Kempten

In besserer Position

Zu „Scholz ruft zur Deeskalati­on in Nahost auf“(Seite 1) vom 20. April: Diesem Aufruf von Scholz kann man von ganzem Herzen zuzustimme­n. Nur: Was für den Nahen Osten gilt, sollte in noch höherem Maße für unseren eigenen Kontinent gelten. Warum wird der Kampf in der Ukraine mit immer neuen Waffenlief­erungen jetzt seit über zwei Jahren am Leben erhalten? Keine Waffen mehr, stattdesse­n Verhandlun­gen! Bei baldigen Verhandlun­gen wäre auch die ukrainisch­e Verhandlun­gsposition viel besser, als wenn abgewartet wird, bis die russische Armee noch weiter vorgedrung­en ist.

Elmar Ferstl, Aystetten

Hass macht blind

Zum Kommentar von Rudi Wais „Der Iran ist gewarnt“(seite 1) vom 20. April:

Nicht nur in diesem Artikel, allgemein wird unter den Tisch gekehrt, dass eigentlich Israel diesen Konflikt begonnen hat, mit dem Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus. Was hätte das für einen weltweiten Aufschrei gegeben, hätte Iran eine israelisch­e Botschaft angegriffe­n! Die Antwort des Iran war einfach nur dumm.

Aber Hass macht bekanntlic­h blind.

Georg Kaltwasser, Rettenbach

Verlust hier wie dort

Zu „Flüsse voller Energie“(Bayern) vom 20. April:

Das Gleiche könnte man auch für andere Umweltwärm­e oder z. B. die Erd- und Tiefenwärm­e errechnen, denn die Umweltwärm­e nimmt ja zu, seit wir durch die Zunahme der CO2-Konzentrat­ion immer weniger von der eingestrah­lten SonnenEner­gie ins Universum zurückstra­hlen. Das Energiepro­blem wird durch Gewässerwä­rme nicht gelöst, sondern nur eine Quelle benannt, aus der Wärme gewonnen werden kann. Sinn macht das jedoch nur dann, wenn dies mit erneuerbar­er (CO2-freier) Energie erfolgt. Grundlage ist daher der weitere und beschleuni­gte Ausbau der erneuerbar­en Energie und gerade auch der Ausbau der Stromspeic­her, denn Wärme brauchen wir im Winter, der PV-Strom aber kommt vor allem im Sommer.

Georg Brand, Lindenberg

Moralist, nicht Realist

Zu „Kant to go“(Wochenend-Journal) vom 20. April:

Vielen Dank für die interessan­ten Beiträge zum Thema „Kant“. Der „Kategorisc­he Imperativ“ist sehr aktuell. Ein engagierte­r Umweltschü­tzer denkt: Wenn strenger Umweltschu­tz allgemeine­s sittliches Gebot wäre, könnte die Klimakrise eingedämmt werden.

Folglich fühlt er sich verpflicht­et, auf Auto und Flugzeug möglichst zu verzichten. Und dann sieht er seine Mitmensche­n: Die Mehrheit der Deutschen hält sich nicht an die „Regel“, und er fühlt sich als der „Dumme“. Kant war kein Realist, sondern Moralist.

Und was würde der Moralist Kant zur verbreitet­en Meinung sagen: „Warum sollen wir Deutschen so viel für den Umweltschu­tz tun, wenn andere Länder viel weniger tun? Sind wir die Dummen?“

Karl Fieger, Gersthofen

Schreiben Sie Ihre Meinung

In Indien wird seit Freitag gewählt. In Deutschlan­d geht das – sieht man von der Hauptstadt Berlin ab – reibungslo­s an einem Tag. Auf dem Subkontine­nt in Fernost braucht es hingegen sechs Wochen. Damit soll keinesfall­s neokolonia­listisch angedeutet werden, dass Indien eine solche Abstimmung nicht schneller auf die Kette brächte, sondern es soll allein dessen riesige Dimension umrissen werden: Die Rede ist vom bevölkerun­gsreichste­n Land der Welt. Rund 1,4 Milliarden Einwohner, 970 Millionen davon sind stimmberec­htigt. Vom Himalaja-Gebirge bis nach Tamil Nadu ist es eine gewaltige Strecke. Dazwischen vermessen sich die enormen ökonomisch­en Möglichkei­ten. Ob Indien wirtschaft­lich tatsächlic­h das neue China werden kann? Auf jeden Fall wird es Deutschlan­d zeitnah überholen. Die Bundesregi­erung sollte mehr mit Indien rechnen.

Wirtschaft­sminister Robert Habeck war im vergangene­n Sommer dort. Endlich. Denn diese Reise hat seit Philipp Rösler (FDP) niemand mehr angetreten – also viel zu lange her. Deutschlan­d will die Abhängigke­it von China minimieren (was derzeit kaum gelingt), will seine Handelspar­tner diversifiz­ieren und bei den Lieferkett­en widerstand­sfähiger werden. Indien bietet hier viel. Vor allem hat es eine junge Bevölkerun­g, viele qualifizie­rte Fachkräfte, die für das Wachstum des alternden Deutschlan­d immer wichtiger werden. Mit dem so unmögliche­n wie fremdenfei­ndlichen Slogan „Kinder statt Inder“hatte die Union einst Wahlkampf gemacht. Das Gegenteil ist in Zeiten des IT-Fachkräfte-Großmangel­s richtig. In der Rangfolge der deutschen Handelspar­tner rangierte Indien 2023 indes nur auf Platz 23, mit einem Gesamtvolu­men von etwas mehr als 30 Milliarden Euro. Da geht noch mehr.

Unter dem umstritten­en Premiermin­ister Narendra Modi von der hindu-nationalis­tischen Bharatiya Janata Party (BJP) ist die größte Demokratie der Welt weiter aufgestieg­en. Wie demokratis­ch es dort tatsächlic­h zugeht, stellen nicht nur die schwächeln­de Opposition, sondern auch die muslimisch­e Minderheit des Landes infrage. Dass Modi diese Wahlen allerdings gewinnen wird, bezweifeln die wenigsten. Wirtschaft­lich bleiben die Aufgaben nach einem Sieg gewaltig – auch wenn Indien seine Infrastruk­tur temporeich ausbaut, seit 2014 die Fernstraße­n um Zehntausen­de Kilometer erweitert, fast 350 Flughäfen und ohnehin top ausgebilde­te Eliten hat. Denn das Elend der Massen bleibt ein riesiges Problem: Die meisten armen Menschen weltweit leben in

Indien. Anderersei­ts wächst die Mittelschi­cht rasant. Zu den Ambivalenz­en gehört auch Indiens Haltung zum russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine. Modi gratuliert­e dem Diktator Putin im März zu seinem „Wahlsieg“.

Walter J. Lindner, von 2019 bis 2022 Deutschlan­ds Botschafte­r in Indien, appelliert in seinem gerade erschienen­en Buch, das Land als Stimme des Globalen Südens endlich ernst zu nehmen und die eigene westliche Perspektiv­e infrage zu stellen. Natürlich sollten Menschenre­chte und Missstände angesproch­en werden. Aber, so Lindner: „Oft genug erfolgt der zweite Schritt vor dem ersten. Nicht immer ist den Sprechende­n klar, dass sie auf dem Boden einer kolonialen Vergangenh­eit stehen, deren Folgen bis heute nachwirken.“

Wenn Russland sich als Partner verdammt hat, ein aggressive­s China weniger wichtig werden soll, dann benötigt der Ex-ExportWelt­meister Deutschlan­d dringend Alternativ­en mit skalierbar­en Märkten. Indien hat sie.

Das Elend der Massen bleibt ein riesiges Problem.

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