Knauf zieht sich aus Russland zurück
Jahrzehntelang pflegte das Unternehmen sein Geschäft dort – daran konnte auch Putins Krieg gegen die Ukraine nichts ändern. Doch zuletzt wurde die Kritik lauter.
Iphofen Der Baustoffhersteller Knauf ist einer der großen wirtschaftlichen Akteure nicht nur in Deutschland. Auch der russische Markt gehörte fest zum Geschäftsbereich des unterfränkischen Unternehmens. Daran konnten weder Wladimir Putins Angriffskrieg auf Russland noch öffentliche Kritik etwas ändern. Nun die überraschende Ankündigung: Der Gipskonzern aus Iphofen (Landkreis Kitzingen) will sich komplett aus Russland zurückziehen. Das gab das Unternehmen am Montag bekannt. Die Mitteilung des Konzerns umfasst nur drei Sätzen, hat aber enorme Wucht: Seit mehr als 30 Jahren ist das Familienunternehmen in Putins Reich tätig, unterhält enge Beziehungen zur Politik in Moskau.
„Es ist der Wunsch des Unternehmens, das gesamte Geschäft in Russland inklusive Rohstoffgewinnung,
der Produktion und des Vertriebs auf das lokale Management zu übertragen“, heißt es in der Mitteilung. Das Vorhaben stehe unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch russische Behörden. Knauf hat nach eigenen Angaben in Russland 14 Werke mit zusammen 4000 Beschäftigten. Wie genau die Übertragung geschehen soll, darüber wollte Knauf keine weiteren Angaben machen. Auch, ob der Rückzug in einem Zusammenhang mit der öffentlichen Kritik steht, lässt das Unternehmen unkommentiert.
Der Weltmarktführer für Baustoffe hält sich bei Details und Zahlen seines Russland-Geschäfts gerne bedeckt. So blieb das wirtschaftliche Volumen lange Zeit nebulös. Geschäftsführender Gesellschafter Uwe Knotzer ließ vor zwei Jahren immerhin durchblicken, dass der Umsatz in Russland bei mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr liegt. Firmenpatriarch Nikolaus Knauf war jahrelang russischer Honorarkonsul in Deutschland, auch nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim änderte er nichts an seiner Haltung. Im Gegenteil: Die Sanktionen gegen Russland nannte er noch im Jahr 2018 „schrecklich“.
Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 trat der 88-Jährige von diesem Ehrenamt zurück. Zuletzt war das Unternehmen Anfang
April in die Schlagzeilen geraten: Medienberichten der ARD zufolge werden Knauf-Produkte ausgerechnet für den Wiederaufbau der von Russland besetzten Stadt Mariupol in der Ostukraine verwendet. Das Vorhaben gilt als Prestigeobjekt des russischen Machthabers. Knauf wies die Kritik zurück, in Mariupol im Dienste von Putin zu handeln. Man halte sich an alle Sanktionen des Westens gegen
Russland. Das Unternehmen betonte, seit Februar 2022 keine Waren mehr nach Russland zu liefern und auch nichts mehr aus Russland zu exportieren. Knauf liefere aus der EU auch keine Baustoffe nach Mariupol. Das Familienunternehmen produziere Baustoffe, sei aber nicht als Bauherr oder Investor an Bauvorhaben beteiligt.
Doch in der Öffentlichkeit gab es vor allem wegen moralischer Bedenken große Kritik. Mariupol war eine der ersten großen ukrainischen Städte, die vom russischen Militär brutal unter Kontrolle gebracht worden waren. Der Blutzoll innerhalb der Zivilbevölkerung war immens.
Das Unternehmen, das sich komplett im Besitz der Familie Knauf befindet, ist in über 90 Ländern vertreten und betreibt nach eigenen Angaben mehr als 300 Werke mit rund 40.000 Beschäftigten auf allen fünf Kontinenten.
Knauf war nicht das einzige deutsche Unternehmen, das auch zwei Jahre nach Kriegsausbruch noch in Russland aktiv war. Zwar haben sich viele westliche Firmen, vor allem große wie Siemens, VW und Mercedes zurückgezogen, ihre Geschäfte – meist mit massiven Abschlägen – verkauft.
Trotzdem ist die Mehrheit auch deutscher Unternehmen weiter in Russland tätig. Der Großhandelskonzern Metro etwa verteidigt den Verbleib in dem Land mit seiner Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kunden.
In die Kritik geraten war auch Ritter Sport dafür, weiter Schokolade nach Russland zu liefern. Das Unternehmen beschloss, nicht mehr in den russischen Markt zu investieren, Werbung zu stoppen und den Gewinn aus Russland an humanitäre Hilfsorganisationen zu spenden. Russland war für Ritter Sport nach Deutschland auch 2023 der größte Absatzmarkt – wenngleich bei leicht rückläufigem Umsatz. (mit dpa)