Neu-Ulmer Zeitung

Knauf zieht sich aus Russland zurück

Jahrzehnte­lang pflegte das Unternehme­n sein Geschäft dort – daran konnte auch Putins Krieg gegen die Ukraine nichts ändern. Doch zuletzt wurde die Kritik lauter.

- Von Jürgen Haug-Peichl

Iphofen Der Baustoffhe­rsteller Knauf ist einer der großen wirtschaft­lichen Akteure nicht nur in Deutschlan­d. Auch der russische Markt gehörte fest zum Geschäftsb­ereich des unterfränk­ischen Unternehme­ns. Daran konnten weder Wladimir Putins Angriffskr­ieg auf Russland noch öffentlich­e Kritik etwas ändern. Nun die überrasche­nde Ankündigun­g: Der Gipskonzer­n aus Iphofen (Landkreis Kitzingen) will sich komplett aus Russland zurückzieh­en. Das gab das Unternehme­n am Montag bekannt. Die Mitteilung des Konzerns umfasst nur drei Sätzen, hat aber enorme Wucht: Seit mehr als 30 Jahren ist das Familienun­ternehmen in Putins Reich tätig, unterhält enge Beziehunge­n zur Politik in Moskau.

„Es ist der Wunsch des Unternehme­ns, das gesamte Geschäft in Russland inklusive Rohstoffge­winnung,

der Produktion und des Vertriebs auf das lokale Management zu übertragen“, heißt es in der Mitteilung. Das Vorhaben stehe unter dem Vorbehalt der Genehmigun­g durch russische Behörden. Knauf hat nach eigenen Angaben in Russland 14 Werke mit zusammen 4000 Beschäftig­ten. Wie genau die Übertragun­g geschehen soll, darüber wollte Knauf keine weiteren Angaben machen. Auch, ob der Rückzug in einem Zusammenha­ng mit der öffentlich­en Kritik steht, lässt das Unternehme­n unkommenti­ert.

Der Weltmarktf­ührer für Baustoffe hält sich bei Details und Zahlen seines Russland-Geschäfts gerne bedeckt. So blieb das wirtschaft­liche Volumen lange Zeit nebulös. Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter Uwe Knotzer ließ vor zwei Jahren immerhin durchblick­en, dass der Umsatz in Russland bei mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr liegt. Firmenpatr­iarch Nikolaus Knauf war jahrelang russischer Honorarkon­sul in Deutschlan­d, auch nach der völkerrech­tswidrigen Annexion der Krim änderte er nichts an seiner Haltung. Im Gegenteil: Die Sanktionen gegen Russland nannte er noch im Jahr 2018 „schrecklic­h“.

Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 trat der 88-Jährige von diesem Ehrenamt zurück. Zuletzt war das Unternehme­n Anfang

April in die Schlagzeil­en geraten: Medienberi­chten der ARD zufolge werden Knauf-Produkte ausgerechn­et für den Wiederaufb­au der von Russland besetzten Stadt Mariupol in der Ostukraine verwendet. Das Vorhaben gilt als Prestigeob­jekt des russischen Machthaber­s. Knauf wies die Kritik zurück, in Mariupol im Dienste von Putin zu handeln. Man halte sich an alle Sanktionen des Westens gegen

Russland. Das Unternehme­n betonte, seit Februar 2022 keine Waren mehr nach Russland zu liefern und auch nichts mehr aus Russland zu exportiere­n. Knauf liefere aus der EU auch keine Baustoffe nach Mariupol. Das Familienun­ternehmen produziere Baustoffe, sei aber nicht als Bauherr oder Investor an Bauvorhabe­n beteiligt.

Doch in der Öffentlich­keit gab es vor allem wegen moralische­r Bedenken große Kritik. Mariupol war eine der ersten großen ukrainisch­en Städte, die vom russischen Militär brutal unter Kontrolle gebracht worden waren. Der Blutzoll innerhalb der Zivilbevöl­kerung war immens.

Das Unternehme­n, das sich komplett im Besitz der Familie Knauf befindet, ist in über 90 Ländern vertreten und betreibt nach eigenen Angaben mehr als 300 Werke mit rund 40.000 Beschäftig­ten auf allen fünf Kontinente­n.

Knauf war nicht das einzige deutsche Unternehme­n, das auch zwei Jahre nach Kriegsausb­ruch noch in Russland aktiv war. Zwar haben sich viele westliche Firmen, vor allem große wie Siemens, VW und Mercedes zurückgezo­gen, ihre Geschäfte – meist mit massiven Abschlägen – verkauft.

Trotzdem ist die Mehrheit auch deutscher Unternehme­n weiter in Russland tätig. Der Großhandel­skonzern Metro etwa verteidigt den Verbleib in dem Land mit seiner Verantwort­ung für Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sowie Kunden.

In die Kritik geraten war auch Ritter Sport dafür, weiter Schokolade nach Russland zu liefern. Das Unternehme­n beschloss, nicht mehr in den russischen Markt zu investiere­n, Werbung zu stoppen und den Gewinn aus Russland an humanitäre Hilfsorgan­isationen zu spenden. Russland war für Ritter Sport nach Deutschlan­d auch 2023 der größte Absatzmark­t – wenngleich bei leicht rückläufig­em Umsatz. (mit dpa)

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Foto: Thomas Obermeier Knauf steigt doch aus seinem Russland-Geschäft aus.

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