Peinliches über die Braut?
Fröhlich, emotional und persönlich soll eine Hochzeitsansprache sein. Und beim frisch getrauten Paar wie bei den Gästen für Heiterkeit sorgen. Aber es gibt beim Plaudern aus dem Nähkästchen auch Grenzen.
Hamburg/Fürth Wenn der beste Freund des Bräutigams am Mikro augenzwinkernd aus der gemeinsamen Studentenzeit mit ständig wechselnden Freundinnen schwärmt, oder wenn die Trauzeugin eine 30-minütige Dia-Show ab Kindergarten-Alter ankündigt, denken wohl alle Hochzeitsgäste dasselbe: „Oh nein, bitte nicht!“Und auch das Brautpaar dürfte bei so mancher internen Info peinlich berührt sein: „TMI! Too much information!“Denn auch, wenn es natürlich sehr persönlich werden soll: Wie privat kann und wie intim darf man werden bei der Hochzeitsrede?
„Vieles hängt von der Festgesellschaft ab. Da muss man abwägen“, sagt Sarah Kiehl, Vorsitzende vom Bund deutscher Hochzeitsplaner. Bei einem jungen und sehr lockeren Publikum sei es sicherlich okay, von der ein oder anderen Party-Eskapade zu berichten. Bei einer gemischten Hochzeitsgesellschaft jedoch, zu der Kinder und ältere Verwandte genauso zählen wie der Abteilungsleiter oder Vertreter des konservativen ServiceKlubs, sollte man seine Schilderungen eher mit Bedacht wählen. „Zu erzählen, dass sich das Brautpaar ja in einer Bar kennengelernt und dann direkt die Nacht zusammen verbracht hat, wäre eher unangemessen, wenn Oma Hilde gerade Kaffee trinkt“, sagt Kiehl.
Auch, dass sich Braut und Bräutigam über eine Dating-App gefunden haben, sollte man nicht zum Thema machen, bestätigt Thomas Sünder, Autor eines Trauzeugen-Ratgebers („Wer hat eigentlich die Ringe?“). Mag zwar sein, dass das Paar damit gar kein Problem hat. „Ich habe aber auch schon erlebt, dass nicht gewünscht war, dies an die große Glocke zu hängen, und es dann sehr unangenehm und peinlich wurde“, sagt Sünder, der als DJ mehr als 500 Hochzeiten begleitete.
Klar sei auch: Alles, was frühere Ehen, gescheiterte Beziehungen oder auch sexuelle Abenteuer angehe, gehöre hier nicht hin. „Selbst wenn man das im Spaß erzählen würde, nach dem Motto: ‚Er brauchte mehrere Anläufe‘ oder ‚Sie fand ihn erst überhaupt nicht attraktiv‘ haben sie in einer solchen Rede nichts zu suchen“, sagt Sünder. Die „No-Gos“beziehen sich dabei nicht nur auf den früheren Beziehungsstatus oder das Liebesleben des Paares, sondern auch auf die berufliche Ebene. „Grundsätzlich gilt: Man sollte nicht auf extreme Schwächen der Personen eingehen“, rät Sarah Kiehl. „Besser, man erinnert nicht daran, dass die Braut in der Schule eine Ehrenrunde einlegen musste oder der Bräutigam sein Studium abgebrochen hat. Das möchte man als Lehrerin oder zehn Jahre später als Vorstandsvorsitzender vielleicht gar nicht mehr hören“, sagt Kiehl.
Sollte also eine Rede dann nur Positives beinhalten? „Absolut!“, meint Kiehl. Schließlich handle es sich um einen Tag der Freude, an dem man sich auf nette und schöne Momente konzentrieren will. Auch Sticheleien sind da schnell fehl am Platz oder könnten bei all der Aufregung falsch ankommen. „Bei einem schlechten Witz ist die
Stimmung schnell dahin“, meint die Expertin. „Da kann das Paar sonst noch so super sarkastisch und locker drauf sein: Aber an diesem Tag ist das Anspannungslevel sehr hoch, und eine blöde Bemerkung könnte schnell sehr giftig aufgenommen werden.“
Wie aber schafft man es, mit seinen Worten die nötige Herzenswärme herüberzubringen? „Oft hilft es, vorher durch ein altes Fotoalbum zu blättern oder die Bilder in seinem Handy durchzuschauen“, sagt Sarah Kiehl. „Da findet man sicherlich Momente, die einen mit den Freunden verbinden oder die einen berührt haben.“Und auch, wer den neuen Partner oder die künftige Ehefrau bisher nicht gut kenne, könnte emotional werden, meint Sünder: „Es ist schön, wenn man ihn oder sie als Teil des Freundeskreises willkommen heißt oder dass man einfach sagt, welch gutes Gefühl man schon beim ersten Kennenlernen hatte. (Katja Sponholz, dpa)