Diesen Trend beobachten Tanzschulen
Brautpaar-Tanzkurse haben in Ulm und Illertissen großen Zulauf, das Interesse bei Schülern lässt hingegen nach. Eine Entwicklung sieht man jedoch bei allen.
Ulm/Illertissen Am 29. April wird der Welttanztag gefeiert, um den Tanz als universelle Sprache zu würdigen. Tanz ist eines der ältesten Kulturgüter der Welt, schon Felszeichnungen aus der Steinzeit zeigen tanzende Menschen. Aber wie ist das heute mit dem Tanzen lernen? Mit der Klasse einen Tanzkurs machen – das klingt angestaubt. Gibt es das in der Generation Z noch? Nachgefragt bei zwei Tanzschulen in Ulm und Illertissen.
Entscheiden sich nach wie vor ganze Schulklassen für einen Tanzkurs, und welche Tänze interessieren heutige Schülerinnen und Schüler? Henrik Brickenstein und seine Partnerin Magdalena Günther haben sich jung in der Tanzschule kennengelernt und sind seit acht Jahren in der Turnierwelt unterwegs. Sie waren schon deutsche Vizemeister.
Ob Jugendliche oder Verliebte, bei denen spezielle BrautpaarTanzkurse nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder hoch im Kurs stehen: Es gebe eine Entwicklung, die man 1:1 von den Schülern auf die Erwachsenen übertragen könne, sagt der Tanzlehrer, der in der Tanzschule Tendance in Ulm unterrichtet. Eine Entwicklung, die er richtig gut findet: Wichtig sei den Teilnehmenden, ob nun 15 oder über 30 Jahre alt, derzeit fast immer zuerst die Musik, die sie gerne hören, die sie beschäftigt – und dann die Frage: Was tanze ich darauf?
Das führt dazu, dass Schülerinnen und Schüler am liebsten Salsa und andere Latino-Tänze wie ChaCha-Cha oder Rumba tanzen, denn viel Musik der aktuellen Charts geht auf Rhythmen aus Lateinamerika zurück. Auch die Brautpaare, denen der Brauttanz einer der Höhepunkt der Hochzeit sein soll, kommen häufig mit „ihrem“Lied, das ihnen viel bedeutet, und fragen dann: „Was kann ich damit machen?“Der klassische Brautwalzer muss es also längst nicht mehr sein.
Wobei sich gerade etwas ändert, sagt Brickenstein: Vor Corona meldeten sich Brautpaare häufig für eine oder zwei Privatstunden an, um eine Choreografie für „ihren“großen Moment einzustudieren. „Heute“, sagt er, „machen sie meistens einen Brautpaar-Tanzkurs und studieren danach noch in einer Privatstunde ihren Wedding Dance ein.“Also zuerst langsamen Walzer und Wiener Walzer, Discofox und Rumba in den Grundzügen beherrschen, und dann den großen Moment vorbereiten. Während Corona, vermutet der Tanzlehrer, hat die Ausarbeitung solch für das Paar wichtiger Elemente der Hochzeit gelitten, wie es überhaupt auch weniger Hochzeiten gab. Dafür sind nun aktuell die BrautpaarKurse ausgebucht.
Anders sieht es bei den Schülerinnen und Schülern aus. Einfach so, ohne den Zusammenhalt einer Gruppe oder Klasse, melden sich kaum noch Jugendliche zum Tanzkurs an beobachtet Brickenstein. Selbstständig auf Schulen zugehen dürfen Tanzschulen aber grundsätzlich nicht. „Der Kontakt entsteht meistens über Schülerelternvertreter oder einen Lehrer, der auf eine Tanzschule zugeht, und dann kann man Angebote machen.“
Etwa 40 Prozent eines Jahrgangs machen noch Tanzkurs, vermutet er – wobei die Schülerinnen und Schüler, die sich demnächst bei Tendance anmelden, ihren Abschlussball
im Rahmen des 25-jährigen Tanzschuljubiläums im Dezember feiern können. „Es hängt auch davon ab, ob Tanz im Herkunftsland von Schülern kulturell eine Rolle spielt.“Gerade in den Kindertanzkursen finden sich derzeit viele Kinder ukrainischer
Flüchtlingsfamilien, die beim Tanzen großen Spaß haben, auch wenn sie noch wenig Deutsch sprechen.
Schülertanzkurse lehren zwar natürlich auch heute die Beherrschung von Schrittfolgen, aber ausgerichtet an der Musik, die die Jugendlichen als ihre Musik empfinden. Salsa, Cha-Cha-Cha und auch Discofox stehen deshalb bei ihnen hoch im Kurs – und Events wie die Mottopartys für Jugendliche, bei denen kein Alkohol ausgeschenkt wird. „Tanzrausch statt Vollrausch“heißt entsprechend eine Kampagne des ADTV, des Allgemeinen
Deutschen Tanzlehrerverbands, unter der Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten des Bundes.
Eine identische Beobachtung macht David Hupfer, Inhaber der ADTV-Tanzschule Illerdance in Illertissen: „Generell ist bei uns ein Rückgang um 40 Prozent bei den jüngeren Schülern zu verzeichnen“, sagt er. Brautpaar-Kurse dagegen seien voll wie vor Corona, da habe sich zum Glück nichts geändert. Die Musikpräferenzen hängen davon ab, mit welchem Ziel die Brautpaare kommen, so Hupfer: Beim klassischen Tanzkurs sei den Teilnehmern die Liedauswahl eher egal – bei Brautpaaren stehe bei Illerdance tatsächlich der schnelle Dreivierteltakt im Vordergrund.
„Somit ist immer noch der Wiener Walzer der meist getanzte Tanz bei uns. Da gibt es heutzutage moderne Lieder wie ‘You are my reason’ von Callum Scott oder ‘If you love her’ von Forrest Black.“Ein klein bisschen Gesellschaftliches wird am Rande zusätzlich vermittelt: „Wie fordert man jemanden zum Tanzen auf?“, zum Beispiel. Oder: „Wie verabredet man sich?“, erzählt Henrik Brickenstein.
ADTV startet Kampagne „Tanzrausch statt Vollrausch“.