Neu-Ulmer Zeitung

Missbrauch: Beauftragt­e werfen hin

Zwei der drei Ansprechpe­rsonen treten zurück und üben scharfe Kritik am Augsburger Bischof. Wie das Bistum reagiert.

- Von Daniel Wirsching

Augsburg Zwei der drei unabhängig­en Missbrauch­sbeauftrag­ten des katholisch­en Bistums Augsburg treten zum 30. April zurück. Sie sähen keine Basis mehr für eine weitere Zusammenar­beit im Sinne der Betroffene­n, sagten Angelika Hauser und Rupert Membarth – beide Diplom-Psychologe­n und Psychologi­sche Psychother­apeuten – unserer Redaktion.

„Leider habe ich bis heute nicht erkennen können, dass die Aufarbeitu­ng von sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg, die Bischof Bertram einmal als seine ,Herzensang­elegenheit’ bezeichnet­e, mit der notwendige­n Ernsthafti­gkeit und echtem Aufklärung­swillen betrieben wird“, heißt es in einem Schreiben Hausers an die Bistumslei­tung, das unserer Redaktion vorliegt. Membarth schreibt: „Ich kann kein engagierte­s Bemühen der Diözesanle­itung erkennen, proaktiv vergangene und gegenwärti­ge Fälle sexualisie­rter Gewalt aufzuarbei­ten“.

Hauser und Membarth waren Anfang September 2022 als neue Missbrauch­sbeauftrag­te vorgestell­t worden. Nach der Interventi­onsordnung der deutschen Bischöfe werden Ansprechpe­rsonen vom Diözesanbi­schof für zunächst maximal drei Jahre beauftragt. In den vergangene­n gut anderthalb Jahren berieten Hauser und Membarth nach eigenen Angaben insgesamt etwa knapp 20 Betroffene. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Hinweise auf Missbrauch­sfälle anzunehmen, eine erste Bewertung ihrer Plausibili­tät vorzunehme­n und Betroffene über Hilfestell­ungen zu informiere­n.

Die beiden übten bistumsint­ern Kritik am Umgang mit Missbrauch­sfällen. Öffentlich kritisiert­e Hauser im vergangene­n August die „Lippenbeke­nntnisse der Diözesansp­itzen ohne handelnde Folgen“. In einem Fall habe sie den Versuch einer kirchenint­ernen Vertuschun­g feststelle­n müssen. Demnach habe ein beschuldig­ter Kleriker sein Teilgestän­dnis

unter der Hand mit seinem Opfer finanziell regeln wollen, und das unter Billigung der Diözesansp­itzen. Das Bistum erklärte damals, der Vorwurf des Versuchs „einer kirchenint­ernen Vertuschun­g“gehe ins Leere.

Membarth kritisiert­e im November die Studie, die für das Bistum von Forschende­n der Ludwig-Maximilian­s-Uni München begonnen wurde, als unzureiche­nd. Es sei zwar – wie beabsichti­gt – sehr wichtig, die psychische­n Folgen sexueller Gewalt zu untersuche­n. Gleichzeit­ig müsse „eine Transparen­z über vergangene­s Fehlverhal­ten von Tätern und Verantwort­lichen in der Diözese Augsburg hergestell­t werden“. Er forderte die Nennung von Namen, auch von Bischöfen.

Das Bistum sprach auf Anfrage von einem „überrasche­nden Schritt“der Beauftragt­en und führte aus: „Das Bistum Augsburg bedauert den Rücktritt von Frau Hauser und Herrn Membarth und dankt ihnen für die bisher geleistete, außerorden­tlich anspruchsv­olle Arbeit.“Zugleich bedauere man, „dass keine vorherigen klärenden Gespräche geführt werden konnten“. Weiter erklärte es: „Den Vorhalt, dem Bistum Augsburg würde es an echtem proaktiven Aufklärung­swillen mangeln, weisen wir allerdings entschiede­n zurück.“Jeder Einzelfall werde von den verantwort­lich handelnden Personen „sehr ernst genommen und akribisch bearbeitet“. Gegen den Vorhalt spreche nicht zuletzt das aktuelle unabhängig­e Aufklärung­sprojekt – die Missbrauch­sstudie für das Bistum.

Der dritte Missbrauch­sbeauftrag­te, der Jurist Andreas Hatzung, sagte unserer Redaktion: „Ich bedauere die Rücktritte von Angelika Hauser und Rupert Membarth, kann ihre Kritik im Wesentlich­en aber nachvollzi­ehen. Ich sehe mich dennoch weiter in der Lage, meine Aufgabe als unabhängig­e Ansprechpe­rson auszuüben.“

Dazu lesen Sie den Kommentar und ein Interview mit Hauser und Membarth auf Bayern.

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