Neu-Ulmer Zeitung

Was die Jugend von heute beschäftig­t

Im Gespräch erklärt Forscher Simon Schnetzer, warum der jungen Generation oft unrecht getan wird und warum sie Leistung anders definiert als ältere Menschen.

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Herr Schnetzer, in der aktuellen Trendstudi­e „Jugend in Deutschlan­d“kommen Sie und Ihre Kollegen zu dem Schluss, dass junge Menschen sehr wohl Verantwort­ung übernehmen wollen, es jedoch ein „aber“gibt. Worin besteht dieses „aber“?

Simon Schnetzer: Junge Menschen sind bereit, Verantwort­ung für die Zukunft zu übernehmen, aber nicht zu den Konditione­n, die sie vorfinden. Zum Beispiel in der Art, wie Arbeitsver­hältnisse gedacht werden. Wenn junge Menschen für 40 Stunden Arbeit unterschre­iben, dann erwarten sie auch 40 Stunden, während der Arbeitgebe­r denkt, es könnten auch mal 50 sein, wenn es nötig ist. Dann sollten 50 Stunden aber auch im Arbeitsver­trag stehen, denken sich die Jungen.

Warum denken junge Menschen anders über Leistung als ältere Generation­en?

Simon Schnetzer:

Simon Schnetzer: Häufig stecken Jüngere und Ältere in ihren sozialen „Blasen“fest und bekommen gar nicht mit, was los ist. Ein junger Mensch will vielleicht nur 80 Prozent arbeiten, wenn er es sich finanziell leisten kann, das bedeutet aber nicht, dass er in den restlichen 20 Prozent nur herumhängt. Viele nutzen diese Zeit, um sich beispielsw­eise politisch oder gesellscha­ftlich zu engagieren, doch diese positiven Geschichte­n gehen oft unter. Das ist auch für die Medien ein Ansatzpunk­t, um diese Wahrnehmun­g zu relativier­en.

Der jungen Generation wird also unrecht getan?

Simon Schnetzer: Ja, denn auch das Bildungssy­stem ist nicht so aufgestell­t, dass es junge Menschen mitnehmen kann. Es wird sehr früh selektiert und aussortier­t, diese Denke müssen wir aufbrechen. Wir haben nur diese eine Jugend, und jeder und jede Einzelne, die zurückgela­ssen wird, ist verschenkt­es Potenzial für unsere gesellscha­ftliche Zukunft.

Der fortschrei­tende Rechtsruck unter jungen Menschen ist eine weitere zentrale Erkenntnis Ihrer Studie. Woraus schließen Sie das? Simon Schnetzer: Die AfD hat in diesem Jahr doppelt so hohe Zustimmung­swerte als noch im vergangene­n Jahr. 22 Prozent der 14bis 29-Jährigen würden die AfD wählen, damit ist sie unter jungen Menschen die stärkste Partei. Aber auch CDU/CSU haben bei jungen Menschen zugelegt. Gleichzeit­ig hat die Unterstütz­ung für die Ampelparte­ien deutlich nachgelass­en.

Warum ist die AfD bei jungen Menschen so beliebt?

Simon Schnetzer: Protest gegen die Ampel ist ein großes Thema. Junge Menschen sehen, dass keine Lösungen für ihre Sorgen und Probleme angeboten werden. Es fühlen sich aber auch sehr viele von den Äußerungen und Haltungen der AfD angesproch­en.

Interview: Florian Lang

Zur Person

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Fotos: Ralf Lienert, Martina Diemand Viele junge Menschen wollen Verantwort­ung übernehmen und engagieren sich gesellscha­ftlich wie hier bei einer Fridays-for-Future-Demonstrat­ion.
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Simon Schnetzer aus Kempten gehört zu den renommiert­esten Jugendfors­chern im Land. Er ist Co-Autor der Studie „Jugend in Deutschlan­d“.

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