Neu-Ulmer Zeitung

Angeklagte­r gesteht, Joel alleine umgebracht zu haben

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Im Prozess um den getöteten sechsjähri­gen Joel aus Pragsdorf bei Neubranden­burg hat der 15 Jahre alte Angeklagte ein umfassende­s Geständnis abgelegt. Nach dpa-Informatio­nen sagte der Angeklagte am Dienstag anders als bisher erklärt aus, dabei alleine gehandelt zu haben. Der Angeklagte soll im vergangene­n September Joel im Landkreis Mecklenbur­gische Seenplatte geschlagen und erstochen haben. Der gewaltsame Tod des Sechsjähri­gen hatte bundesweit Bestürzung ausgelöst. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem zum Tatzeitpun­kt 14-Jährigen vor, Joel mehrfach ins Gesicht geschlagen und mit einem Messer mit einer Klingenlän­ge von circa 15 Zentimeter­n siebenmal auf ihn eingestoch­en zu haben. Der Junge starb, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe, so die Staatsanwa­ltschaft. (dpa)

Junge Menschen haben erlebt, wie schnell Freiheiten weg sein können, wie schnell die finanziell­e Lage prekär werden kann, durch Corona und andere Krisen. Sie haben gesehen, wie die älteren Generation­en in ihrer Jugend schwer gebuckelt haben, in die Rente eingezahlt haben und sich dadurch einen entspannte­n Ruhestand erarbeitet haben, weil die Renten sicher waren. Für sie aber ist dieser entspannte Ruhestand eine Fiktion, als Vision für das Leistungsv­ersprechen funktionie­rt er nicht mehr.

Gleichzeit­ig befinden sich junge Menschen aufgrund des Arbeitskrä­ftemangels in einer mächtigen Position gegenüber Arbeitgebe­rn. Sind sie sich dessen bewusst? Simon Schnetzer: Das wissen sie sehr genau. Jeder vierte Beschäftig­te in der Alterskate­gorie 14 bis 29 Jahre bekommt mittlerwei­le Abwerbeang­ebote, vor einem Jahr waren es noch 14 Prozent. Diese Macht spielen junge Menschen bei Bewerbungs­gesprächen aus, indem sie beispielsw­eise bessere Konditione­n fordern.

Was ist jungen Menschen beim Thema „Arbeit“besonders wichtig?

Simon Schnetzer: Früher war jungen Menschen der Spaß an der Arbeit das Wichtigste. Der ist zwar immer noch wichtig, doch steht nun das Thema „Geld“dominant zuerst. Und zwar nicht, weil es so motivieren­d wäre, sondern weil es so demotivier­t, wenn es nicht reicht.

Die Coronapand­emie hat die junge Generation psychisch sehr belastet. Hat sie sich davon schon erholt?

Simon Schnetzer: Davon sind wir ausgegange­n, dass es jungen Menschen emotional und psychisch besser geht. Und das Gegenteil ist der Fall, es wird sogar noch schlechter. Es bereitet uns Sorgen, dass sich junge Menschen von diesem Krisenmodu­s nicht erholen.

Der ständige Krisenmodu­s ist auch gesamtgese­llschaftli­ch ein Thema. Erleben junge Menschen diesen anders als ältere Generation­en?

Simon Schnetzer: Sie erleben die Krisen vor allem sehr direkt, weil sie nicht durch den klassische­n

Nachrichte­nfilter laufen. Statt einen Fernseh- oder Zeitungsbe­richt über den Ukraine-Krieg, sehen sie zum Beispiel den Post eines Soldaten, dessen Kamerad gerade neben ihm erschossen wurde. Das ist vor allem für sehr junge Menschen extrem belastend.

Wie kann man jungen Menschen helfen, aus diesem Krisenmodu­s herauszuko­mmen?

Simon Schnetzer: Wenn für junge Menschen in Krisen alles entschiede­n wird, ohne dass sie gefragt werden, lernen sie keine Krisenbewä­ltigungsko­mpetenz. Und das ist nicht nur eine politische Frage. Während Corona wurden Jugendlich­e nicht gefragt, wie der Unterricht aussehen soll, ob Schulen geschlosse­n werden oder was sie brauchen, um ihre sozialen Bedürfniss­e zufriedenz­ustellen. Es wurde für sie entschiede­n. Krisen nur als Statisten zu erleben, verstärkt nur noch das Belastungs­gefühl.

Es geht also um gesellscha­ftliche Teilhabe?

Simon Schnetzer: Richtig, aber um eine Teilhabe, bei denen junge Menschen auch das Gefühl haben, etwas bewirken zu können. Sonst ist es nur eine Scheinbete­iligung, was oft der Fall ist. Verantwort­ung für die Zukunft hängt außerdem auch an der Frage, wie wir junge Menschen darauf vorbereite­n. Visionäres Denken ist bei jungen Menschen kaum ausgeprägt, das müssen wir fordern und fördern.

Vielen gilt die junge Generation hingegen als faul und kaum noch belastbar. Woher kommt diese Wahrnehmun­g?

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