„Uns wurde die Arbeit erschwert“
Kaum Kommunikation mit der Augsburger Bistumsspitze, keine Einsicht in Personalakten beschuldigter Kleriker, Misstrauen: So begründen Angelika Hauser und Rupert Membarth ihren Rücktritt als Missbrauchsbeauftragte.
Frau Hauser, Herr Membarth, im September 2022 stellte das katholische Bistum Augsburg Sie beide als neue, unabhängige Missbrauchsbeauftragte vor. Wie sind Sie zu diesem Amt gekommen? Angelika Hauser: Ich wurde ein paar Monate zuvor vom damaligen Diözesanrechtsdirektor kontaktiert. Es hieß, es gehe um wenige Fälle pro Jahr – und vor allem um meine Einschätzung, wie plausibel die Vorwürfe seien. Später sprach Bischof Bertram Meier mit mir. Ich bin evangelisch sozialisiert, aber aus der Kirche ausgetreten. Ich fand es gut, dass die katholische Kirche auch psychologische Expertise sucht, um die Missbrauchsaufarbeitung voranzubringen.
Rupert Membarth: Ich wurde im Sommer 2022 gezielt vom damaligen Diözesanrechtsdirektor angesprochen. Denn ich habe bis 2019 die Psychologische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Lindau der Diözese Augsburg geleitet. Ich war ihm also noch bekannt. Es hieß, man suche eine Ansprechperson speziell fürs Allgäu. Mit dem Bischof hatte ich dann ein Telefongespräch: Er klang sehr engagiert und sagte mir, die Aufarbeitung sei ihm ein Herzensanliegen.
Nach etwas mehr als anderthalb Jahren werfen Sie beide nun hin. Damit verliert das Bistum Augsburg zwei seiner drei Ansprechpersonen für Fälle sexuellen Missbrauchs „an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“.
Membarth: Leider musste ich erleben, wie kirchliche Strukturen die Missbrauchsaufarbeitung erschweren. Und noch immer wird versucht, Dinge auszusitzen. Auf der anderen Seite stehen Betroffene und ihr langes Leid.
Hauser: Ich kam mir vor wie eine Statistin auf der Vorderbühne, die engagiert agierte und sicherlich für Betroffene sehr wichtig war – aber das eigentliche Stück fand auf der Hinterbühne statt. Diese Erkenntnis führte dazu, dass ich wohl nichts mehr zum Positiven hin verändern werde können.
Ich möchte mich nicht einspannen lassen für Entscheidungen, in die ich nicht einbezogen wurde und hinter denen ich nicht stehen kann.
Sie haben jetzt jeweils in einem Brief der Bistumsleitung die Gründe für Ihren Rücktritt erläutert. Rechnen Sie mit Antwort? Membarth: Die Verantwortlichen haben auch bisher vielfach nicht auf Kritik, die wir intern übten, geantwortet.
Hauser: Nicht unbedingt. Auch in der Vergangenheit wurde uns oft nicht geantwortet.
Auch von Bischof Meier kam nichts? Der hat öffentlich immer wieder betont, wie wichtig ihm Aufklärung und Aufarbeitung seien.
Hauser: Ich hatte ein erstes Gespräch mit ihm, das mich hoffnungsvoll stimmte, aber anschließend fand keinerlei Dialog mehr statt.
Membarth: Das gilt ähnlich für seinen Generalvikar, der zu verschiedenen Gremiensitzungen eingeladen war, aber fast nie zugegen war. Hauser: Im Laufe der Zeit wurden wir auch zunehmend von Informationen abgeschnitten.
Von welchen?
Hauser: Uns Missbrauchsbeauftragten wurde beispielsweise die Möglichkeit genommen, die Personalakten beschuldigter Kleriker einzusehen. Dies wäre jedoch wichtig gewesen, um zu einer seriösen Plausibilitätseinschätzung von Vorwürfen Betroffener zu kommen. Per E-Mail wurde uns mitgeteilt, dass dies aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich sei. Auf unseren Widerspruch wurde bis heute nicht reagiert. Auch zu Gesprächen seitens des Bistums mit beschuldigten Klerikern wurden wir nicht eingeladen. Dabei hatte Bischof Meier einmal öffentlich absolute Transparenz bei der Missbrauchsaufarbeitung versprochen. Erst kürzlich wurden wir Missbrauchsbeauftragte in zwei solcher Fälle nicht einmal mehr benachrichtigt, dass es eine Anhörung gibt.
Die Kommunikation zwischen Bistumsleitung und Ihnen ist gestört?
Hauser: Sie war von Anfang an schwierig. Übrigens weiß ich aus anderen Bistümern, dass dort die Kommunikation mit der Bistumsspitze
deutlich besser und direkter verläuft. Und das haben wir im Bistum Augsburg nicht vorfinden können.
Membarth: Mit der Zeit hat sich der Eindruck verfestigt, dass wir dem Bistum zu unbequem sein könnten. Ich hätte erwartet, dass man uns aufgrund unserer Expertise Vertrauen entgegenbringt. Stattdessen verspürten wir früh ein gewisses Misstrauen uns gegenüber. Warum, das weiß ich nicht.
Wie haben Sie beide Bischof Meier erlebt?
Membarth: Er wirkte anfangs entschlossen, zupackend.
Hauser: Ich hatte gedacht, er werde die Aufarbeitung wirklich transparent angehen. Echten, konsequenten Aufklärungswillen habe ich aber nicht feststellen können bei Verantwortlichen. Membarth: Und so wurde auch mit Betroffenen umgegangen: Sie fühlten sich teils vor den Kopf gestoßen.
Was müsste sich ganz grundsätzlich verändern?
Membarth: Es bräuchte in der Augsburger Bistumsspitze eine offene, selbstkritische, vielleicht demütige Haltung.
Hat Bischof Meier diese aus Ihrer Sicht?
Membarth: Er hat zumindest einiges veranlasst, um die Missbrauchsaufarbeitung voranzubringen. Ich dachte, als ich als Missbrauchsbeauftragter anfing, dass man im Bistum Augsburg schon weiter sei. Bilanzierend muss ich sagen: Uns wurde die Arbeit erschwert.
Frau Hauser, wie blicken Sie inzwischen auf die katholische Kirche?
Hauser: Ich kann nicht für die gesamte katholische Kirche sprechen; in Bezug auf den Aufarbeitungswillen im Bistum Augsburg bin ich ernüchtert und enttäuscht. Ich bin auf Misstrauen und Desinteresse gestoßen, und ich bedauere es wirklich, dass es so kam. Ich habe den Glauben daran verloren, dass sich an den bestehenden Rahmenbedingungen etwas ändert.
Membarth: Ich bin ja weiter Mitglied der katholischen Kirche. Ich versuche, meinen Glauben von der Amtskirche zu trennen. Die Amtskirche ist eine bürokratische Organisation, die das Leid verwaltet. Ich wollte hier einen Beitrag leisten, etwas zu verändern – aber das erscheint mir inzwischen als nicht mehr möglich.
„Bischof Meier versprach absolute Transparenz.“