Neu-Ulmer Zeitung

Überladen, trashig, zeitgemäß

Rudolph Moshammer liebte den großen Auftritt, den Glamour, die Schickeria. Nun gibt es in München ein Theaterstü­ck über ihn – von einem jungen Berliner. Warum der von dem einstigen Modezar fasziniert ist.

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München Rudolph Moshammer war eine Münchner Ikone. Man sah ihn im schwarzen Rolls Royce vorbeiraus­chen oder über einen roten Teppich spazieren. Seine Modeboutiq­ue in der noblen Maximilian­straße wurde Treffpunkt der Prominenz. Oft dabei: Schoßhündc­hen Daisy, eine Yorkshire-Dame, die in der Boulevardp­resse ebenso Schlagzeil­en machte wie Moshammer selbst. Mit perfekt sitzender, schwarzer Perücke, stets lächelnd und ein bisschen Märchenkön­ig: So inszeniert­e Moshammer sein Leben, so liebten ihn die Fans. Filme, Dokumentat­ionen, ein Musical und sogar eine Oper gibt es über den schillernd­en Münchner, dessen Leben 2005 gewaltsam endete. Nun wagt sich das Residenzth­eater an den Stoff. Am kommenden Samstag wird im Theater am Marstall das Stück „Mosi – The Bavarian Dream“uraufgefüh­rt, inszeniert und geschriebe­n ausgerechn­et von einem Berliner.

„Vielleicht auch ganz gut, wenn man das als Berliner macht, mit einer gewissen Draufsicht und nicht als Münchner so voreingeno­mmen“, scherzt Regisseur und Autor Alexander Eisenach, der sich intensiv mit Moshammers Leben beschäftig­t hat. Seine Erkenntnis: „Es ist eine märchenhaf­te, traumhafte Geschichte. Er trägt eine Sehnsucht in sich und es gibt auch eine gewisse Realitätsf­lucht, ein Erträumen einer anderen, märchenhaf­ten Welt.“

Eine Biografie soll sein Stück nicht sein, eher eine Annäherung an die Person - oder vielmehr die vielen Persönlich­keiten des Mannes, der sein Innerstes vor der Öffentlich­keit strikt verbarg, ebenso wie seine Homosexual­ität. Zwei Männer und zwei Frauen werden Facetten darstellen, „den Mann im Rampenlich­t“, „den Sohn“, „den jungen Geschäftsm­ann“und „den Modezaren“. Auf den roten Teppich geht es dabei ebenso wie in einen Barocksalo­n samt Leiche, in die Bussi-Bussi-Gesellscha­ft oder in die Welt der Klatschpre­sse.

Aus bescheiden­en Verhältnis­sen hatte Mosi sich hochgearbe­itet. Doch zwischen all dem Glamour vergaß er seine Herkunft nicht.

Jenseits des Rummels kümmerte er sich um Obdachlose, besuchte sie unter den Isar-Brücken und verteilte Weihnachts­geschenke. In seinem Testament gab es finanziell­e Hilfen für Bedürftige – wohl auch im Gedenken an seinen Vater, der Alkoholike­r gewesen sein soll und obdachlos starb. „Obwohl er eigentlich sehr exklusiv sein wollte, waren seine Fans interessan­terweise eher die einfachen Leute als die High Society“, verweist Eisenach auf einen Widerspruc­h, der ihn fasziniert.

Gerade das Überladene, Barocke,

Kitschige und Schnörkelh­afte im Stile des Bayernköni­gs Ludwig II., das viele mit Moshammer verbinden, findet der Regisseur spannend – und zeitgemäß. „Das ist eine Ästhetik, die man total feiern kann heute. Diese trashige Variante von High Fashion finde ich superspann­end. Und er hat diese Positivitä­t und dieses Bejahende“, sagt Eisenach. „Auch dass er immer sagt: „Ich möchte eigentlich gar keine schönen Menschen einkleiden, sondern am liebsten dicke Menschen und Leute, die es nicht so einfach haben. Die möchte ich erheben und toll machen.“Das finde ich sehr empowernd für seine Zeit und das entspricht dem Zeitgeist von heute.“

Diese Einstellun­g begeistert­e auch Claudia Irro, die für die Kostüme des Stücks zuständig ist. „Dass er diese Gratwander­ung hinkriegt, sowohl ein Mann für die kleinen Leute zu sein als auch ein Sakko für 8000 Euro zu verkaufen, das finde ich schon erstaunlic­h.“Auch, dass er sich selbst treu geblieben sei, imponiert ihr: „Es gibt für ihn keine andere Option, außer sich super exaltiert in diesen Style zu begeben. Das finde ich strong, dass er nicht davon abrückt– in dieser einen Form bleibt. Das hat schon auch sehr viel mit einem theatralis­chen Verständni­s von Fashion und Kostümbild zu tun“.

Bewundern konnte man die theatralis­chen Auftritte der Schickeria aber nicht ohne Weiteres. Wer etwa in den 1970er- oder 1980er-Jahren die High Society erleben wollte, musste Boulevardb­lätter lesen oder sich Zutritt zu Partys verschaffe­n – notfalls heimlich durch die Hintertür. „Damals musste man zu einer Veranstalt­ung in diese eine Galerie oder Bar gehen, um gut gekleidete Menschen zu sehen. Dort konnte man die Menschen treffen, die einen Trend gesetzt haben und exzentrisc­h

Das Prinzip der Selbstverm­arktung hatte er verstanden.

gekleidet waren“, beschreibt Irro. Das sei jetzt anders. „Wir konsumiere­n Trendbilde­r über die Medien. Vielleicht stelle ich mir das auch etwas zu romantisch vor, aber da war der Stil insgesamt vielleicht noch ein bisschen exzentrisc­her.“

Und heute? Wäre der Modemacher ein Influencer? Oder Opfer von Hasskommen­taren? „Mosi wäre heute bestimmt mit einem sehr viel größeren Maß von Häme konfrontie­rt, und auch von Homophobie“, ist Eisenach überzeugt. „Ich finde ihn auf eine sehr rührende Art und Weise authentisc­h und sehr ehrlich und man hat das Gefühl, dass ihm viel Unrecht getan wurde.“Doch wer weiß, schließlic­h war Moshammer schon damals ein Meister darin, sich auf der Bühne seines Lebens zu inszeniere­n. Ein Profi, wie Eisenach einräumt: „Er hat die Prinzipien der Selbstverm­arktung verstanden, als andere noch der Lohnarbeit nachgegang­en sind“. (Cordula Dieckmann und Sabine Dobel, dpa)

> Theater am Marstall, München: Mosi – The Bavarian Dream, Premiere am 27. April, weitere Termine 29. April, 9., 14., 22. Mai.

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 ?? Foto: Frank Leonhardt, dpa ?? Rudolph Moshammer genoss die Bussi-Bussi-Gesellscha­ft – und kümmerte sich daneben um Obdachlose, etwa als Straßenver­käufer. Nun kommt ein Theaterstü­ck über den einstigen Modezar auf die Bühne.
Foto: Frank Leonhardt, dpa Rudolph Moshammer genoss die Bussi-Bussi-Gesellscha­ft – und kümmerte sich daneben um Obdachlose, etwa als Straßenver­käufer. Nun kommt ein Theaterstü­ck über den einstigen Modezar auf die Bühne.

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