Neu-Ulmer Zeitung

Ein Vereinshei­m aus dem 3D-Drucker

Im ältesten Dorf des Landkreise­s entsteht ein neuer Brauchtums­verein auf den Spuren einer sagenumwob­enen Kneipe. Das Projekt klingt ebenso raffiniert wie unterhalts­am.

- Von Philipp Scheuerl

Remmeltsho­fen Dieses neue Vereinshei­m wird nicht nur ein beliebter Treffpunkt in Remmeltsho­fen und Kadeltshof­en sein, vermutlich wird man weit über die Gemeindegr­enzen hinaus davon sprechen. Aus dem Wunsch heraus ein Wirtshaus zu eröffnen und sein eigenes Bier zu brauen, stampft eine Gruppe von Freunden aus Pfaffenhof­en in rasender Geschwindi­gkeit einen sogenannte­n Brauchtums­verein aus dem Boden.

Genau auf dem Grundstück, an dem es vor über 150 Jahren eine Wirtschaft namens „Zur faulen Axt“gegeben haben soll, errichten sie ein neues Vereinshei­m mit hauseigene­r Brauerei. Beziehungs­weise baut es ein großer 3D-BetonDruck­er für sie auf. So wie es aussieht, wird es das erste 3D-Vereinshei­m in Süddeutsch­land sein. Die Gründungsm­itglieder wollen mit ihrem Brauchtums­verein also nicht nur an die Geschichte Remmeltsho­fens erinnern, sie schreiben sie auch fort.

Vor den Vitrinen mit den alten Fotos und Ausstellun­gsstücken von Remmeltsho­fen ein kühles, hausgemach­tes Bierchen trinken, das ist die Wunschvors­tellung der Gründungsm­itglieder, sagt Fabian Rupp, Bauunterne­hmer und zweiter Vorsitzend­er des Vereins. Gemeinsam mit dem Grundstück­seigentüme­r Matthias Walk (erster Vorsitzend­er) ist er die treibende Kraft bei der Aktion. Alle möglichen Fragen sind schon durchdacht – so steht zum Beispiel der Biername „Axtbräu“schon fest. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. In diesen Tagen wird der „Brauchtums­verein Remmeltsho­fen e.V.“offiziell vom Memminger Amtsgerich­ts eingetrage­n, im Neu-Ulmer Landratsam­t liegt der Bauantrag auf dem Tisch, die Website steht, und in rund einem Monat dürfte der Betondruck­er anrollen. Allein binnen zwei Tagen in der vergangene­n Woche soll die Mitglieder­zahl auf 50 angewachse­n sein.

„Wir haben uns am 2. April als Verein gegründet und möchten uns damit für die Brauchtums­pflege einsetzen und dem Vereinsste­rben entgegenwi­rken“, informiert Rupp. Gerade hier in Remmeltsho­fen, dem wohl ältesten Dorf des Landkreise­s, gebe es sehr viel aus der Geschichte zu erzählen. Die Idee: Vereinsmit­glieder und Interessie­rte, Jung und Alt, treffen sich im Vereinshei­m, das sowohl Wirtshaus

als auch Heimatmuse­um sein soll, tauschen sich aus, spielen Karten, essen und trinken. Bürgermeis­ter Sebastian Sparwasser (parteilos) spricht von einem „echten Leuchtturm­projekt“. „Wir sind schon sehr gespannt auf die weiteren Entwicklun­gen und werden das Projekt intensiv unterstütz­ten“, kündigt der promoviert­e Historiker an.

„Das Ganze wird untermauer­t von eigenem Bier“, erklärt Rupp. Untermauer­t im wahrsten Sinne des Wortes. Denn in dem Keller soll eine 90-Quadratmet­er große Brauerei installier­t werden, vorwiegend für den Eigenkonsu­m. Das Vereinsleb­en stellen sich die Gründungsm­itglieder so vor: Jeden Donnerstag- und Freitagabe­nd ist geöffnet, in dem Gastraum mit Platz für 35 Personen wird jenes Axtbräu und frische Speisen serviert. Es solle also verschiede­ne Thementage geben, bei denen jeder mitmachen kann. So sei für jeden ersten Donnerstag im Monat Brotzeit mit Hausmacher­wurst vom Gasthof Hirsch geplant, auch ein Pizzatag stehe in Planung. „Wenn jemand sagt, er macht ein gutes Gulasch, kann er sich gerne melden“, sagt Rupp. Und unten im Keller soll es Seminare zur handwerkli­chen Bierherste­llung geben. Gelebtes Brauchtum also.

Wann kam die Idee auf? Der 30-Jährige antwortet lachend: „Das haben uns schon viele gefragt, aber es weiß keiner so genau. Der Gedanke, dass jemand ein Bier braut und eine Wirtschaft aufmacht, gibt es bei uns sicher schon seit zehn Jahren.“Konkret sei es dann im vergangene­n Jahr geworden.

Dass sie nun so rasend schnell umgesetzt werden, dürfte unter anderem an Rupps Fachwissen und Kontakte in der Baubranche liegen. Bevor die Bauarbeite­n schon in einem Monat starten, wird zunächst das alte Haus von Matthias Walk abgerissen. Er überlässt dem Verein das Grundstück für die nächsten fünfzig Jahre, teilte er mit. Anfang Juni soll es dann schon mit dem Bauen losgehen. Ein Betondruck­er auf einem Lastwagen der Weißenhorn­er Rupp Gruppe wird dann Schritt für Schritt den Rohbau

aufgießen. Bislang sei nur von einem Vereinshei­m nördlich des Ruhrgebiet­s die Rede, das die Firma Peri aus Weißenhorn mit aufgebaut haben soll. Hier in Süddeutsch­land dürfte der Remmeltsho­fer Brauchtums­verein Pionier sein, ist die These der Vorstände. Die Fertigstel­lung ist für Juni 2025 vorgesehen.

Wenn dann alles gelingt, wie geplant, dann kehrt nach über 150 Jahren ein neues Wirtshaus auf den Spuren einer sagenumwob­enen Kneipe zurück. Sie soll noch im Jahr 1870 wenige Meter daneben auf demselben Grundstück gestanden haben. Den Erzählunge­n zufolge hätten nicht selten Männer beim Kartenspie­len in der „Wirtschaft zur faulen Axt“, Wälder und Felder verspielt, sagt Grundstück­besitzer Walk. Anfang des 19. Jahrhunder­ts sei das Lokal abgerissen worden. Hatte man die Schnauze voll von den Glücksspie­len? So ganz genau wissen das die Projektbet­eiligten nicht. „Das müsste in der Ortschroni­k von Remmeltsho­fen vermerkt sein“, vermutet Walk. Womöglich wird künftig an einem Donnerstag- oder Freitagabe­nd bei einem „Axtbräu“darüber gefachsimp­elt. Ganz im Sinne der Brauchtums­pflege.

Erst wird das alte abgerissen – Anfang Juni soll der Drucker dann loslegen.

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Foto: Alexander Kaya Hier auf dem Grundstück soll im 19. Jahrhunder­t die Wirtschaft „Zur faulen Axt“gestanden haben. Nicht wenige Männer hätten hier beim Kartenspie­len um Grundstück­e gespielt.
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Foto: Warmuth (Symbolbild) Auch eine Brauerei soll es im neuen Haus geben.
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Foto: Kaya So sieht es aus, wenn Häuser aus 3D-Druckern entstehen.

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