§ 218: Donum Vitae fürchtet Einbruch bei Beratungen
Sollte der Abtreibungsparagraf in seiner aktuellen Form gestrichen werden, lassen sich vermutlich weniger Frauen vor einem Abbruch beraten. Das fürchtet der Verein Donum Vitae in Neu-Ulm.
Neu-Ulm In dieser an Konflikten nicht gerade armen Zeit droht ein neuer gesellschaftlicher Großkonflikt über den Abtreibungsparagrafen 218. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission empfiehlt, den Abbruch in der Frühphase der Schwangerschaft zu legalisieren. Die Frauen in der Neu-Ulmer Beratungsstelle von Donum Vitae halten wenig von einem solchen Vorhaben. Sie fürchten vielmehr, dass sich für die Betroffenen einiges verschlechtert.
Die aktuelle Regelung der Paragrafen 218 und 219 geht auf einen politischen Kompromiss aus dem Jahre 1995 zurück, wonach ein Schwangerschaftsabbruch zwar grundsätzlich gesetzeswidrig, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei ist. Dazu gehört unter anderem, dass sich Frauen mindestens drei Tage vor dem Eingriff beraten lassen müssen. Eine der stattlich anerkannten Stellen für die sogenannte Konfliktberatung ist Donum Vitae. Der Verein mit 70 Standorten in Bayern betreibt seine Neu-Ulmer Niederlassung seit Anfang des Jahres 2001. Sie ist zuständig für die beiden Kreise NeuUlm und Günzburg. Im vergangenen Jahr haben dort 1437 Menschen einen Beratungstermin wahrgenommen. Dabei ging es, wie die Jahresstatistik ausweist, mitnichten ausschließlich um eine mögliche Abtreibung, denn zum breit gestreuten Angebot gehören auch eine allgemeine Schwangerenberatung, dorthin können sich ebenso Frauen wenden, denen ein Kinderwunsch versagt blieb, die eine Fehlgeburt hatten oder sich allgemein Rat zur Familienplanung oder bei Partnerschaftsproblemen holen wollen. Auch Männer bekommen dort Termine.
Wie blickt nun Donum Vitae auf die aktuelle Debatte um den Paragrafen 218? „Wir stehen zur damals getroffenen Entscheidung“, sagt die Beratungsstellenleiterin
Birgit Wölfert mit Blick auf den 1995 gefundenen Kompromiss. Ihre Kollegin Johanna Mludek fragt sich, „ob das Thema gerade so eine Relevanz hat.“Beide meinen, es gebe ja schließlich „eine Regelung, die funktioniert.“In der gehe es doch nicht um eine Kriminalisierung der Frauen, wie in der Debatte argumentiert wird, es gehe nur um Straffreiheit. Die beiden fürchten, dass sich bei einer Reform des Paragrafen deutlich weniger Frauen vor einer Abtreibung beraten lassen, denn die Pflicht fiele dann weg.
Das können sie auch mit Zahlen untermauern. Der Verein Donum Vitae hat vergangenes Jahr eine Umfrage gestartet, an der 1169 Frauen teilnahmen. Nur 37 Prozent von ihnen hätten auch ohne gesetzliche Vorschrift eine Beratungsstelle aufgesucht, 39 Prozent wären nicht dort hingegangen, 24 Prozent zeigten sich unentschieden. Mehr als ein Drittel wäre also nicht zu einer dann freiwilligen Beratung gegangen, von den Unentschiedenen
müsste wohl auch noch ein gewisser Prozentsatz dazugezählt werden. Dabei gaben 94 Prozent der Befragten an, dass sie die Beratung als hilfreich empfunden haben.
Ohne Beratungszwang gehe viel verloren, das den Betroffenen für ihr weiteres Leben nützen würde, meinen Birgit Wölfert und Johanna Mludek. Sie sagt: „Viele Frauen sind froh, mit einer neutralen Person zu sprechen, denn es geht darum, mit der Entscheidung gut weiterleben zu können.“Da sei Unterstützung hilfreich. Die Beraterinnen widersprechen dem Klischee, dass zu ihnen vor allem junge Mädchen kommen: „Es geht nicht um die 16-Jährige, die gerade ihre Ausbildung starten will.“Vielmehr handle es sich um „gestandene Frauen, die im Leben stehen, zwischen 25 und 35 Jahre alt sind und oft bereits Kinder haben“. Als Grund für einen Abbruch werden drohende Überforderung genannt oder auch Probleme in der Partnerschaft. Nicht selten wünschen
Frauen über 40 eine Abtreibung, die ihre weitere Lebensplanung bedroht sehen. Die meisten der 308 Frauen, die vergangenes Jahr zu Donum Vitae kamen, um sich einen Beratungsschein zu holen, haben danach tatsächlich eine Abtreibung vornehmen lassen. Aber sie seien durch die Beratung gestärkt worden. „Wichtig ist“, sagt Birgit Wölfert, „dass sie sich für etwas entschieden haben, nämlich sich um ihre Kinder zu kümmern, die sie bereits haben.“
Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass der Beratungszwang irgendwann aus dem Gesetz gestrichen würde, „dann ginge uns die Arbeit nicht aus“, beteuert Johanna Mludek, „aber es würde ein wichtiger Teil wegfallen.“
Info: Die Neu-Ulmer Niederlassung von Donum Vitae, die ihren Sitz gegenüber dem Haupteingang des Dietrich-Theaters hat, bietet nicht nur dort Beratungen an, sondern auch in den Außenstellen Günzburg, Senden, Illertissen und Vöhringen.