Neu-Ulmer Zeitung

Die Renten steigen noch einmal kräftig

Die rund 21 Millionen Ruheständl­er in Deutschlan­d bekommen deutlich mehr Geld als erwartet. Warum das so ist und mit welchen Entwicklun­gen die Experten für die nächsten Jahre rechnen.

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Berlin Die Renten in Deutschlan­d steigen in diesem Jahr deutlich: Die mehr als 21 Millionen Rentnerinn­en und Rentner in Deutschlan­d erhalten um 4,57 Prozent höhere Bezüge. Das Bundeskabi­nett beschloss am Mittwoch eine entspreche­nde Verordnung von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD). Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Ist es eine ungewöhnli­ch starke Erhöhung der Renten?

Zumindest eine stärkere, als noch im vergangene­n Herbst vorhergesa­gt. Hauptgründ­e für die deutliche Erhöhung sind der stabile Arbeitsmar­kt in Deutschlan­d und gute Lohnabschl­üsse. Für die Rentenanpa­ssung maßgeblich waren Lohnsteige­rungen von 4,72 Prozent. Eine Rente von 1000 Euro steigt damit um 45,70 Euro.

Frisst die Inflation die Rentenerhö­hung wieder auf?

In diesem Jahr erstmals seit Jahren nicht. Im März lagen die Verbrauche­rpreise um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresm­onats. In den vergangene­n zwei Jahren war die Rentenerhö­hung hinter der Inflation zurückgebl­ieben, im Jahr davor hatte es im Westen eine Nullrunde gegeben und im Osten nur eine minimale Erhöhung.

Warum fällt die Rentenerhö­hung in Ost und West gleich aus?

Heil sagte: „Nach 34 Jahren ist endlich die Einheit auch im Rentensyst­em in Deutschlan­d geschafft.“2023 waren die Altersbezü­ge in den alten Ländern noch um 4,39 und im Osten um 5,86 Prozent gestiegen. Damit hatten sich die Renten aber bereits vergangene­s Jahr, früher als vorgesehen, angegliche­n. Denn die Löhne waren im Osten zuvor deutlich stärker gestiegen als im Westen.

Wie sind die Perspektiv­en? Rentenstei­gerungen dürfte es auch künftig geben – aber in geringerem Ausmaß. So geht der Rentenvers­icherungsb­ericht bis 2037 von einer durchschni­ttlichen Steigerung­srate von 2,6 Prozent pro Jahr aus – insgesamt gut 43 Prozent. Ohne gesetzlich­e Eingriffe würde der Übertritt von Millionen sogenannte­r Babyboomer in die Rente immer deutlicher spürbar werden. Laut dem Bericht dürfte das Rentennive­au ohne Reform von derzeit 48,2 Prozent bis auf 45,0 Prozent im Jahr 2037 sinken. Die Renten würden dann generell nicht mehr so stark wie die Löhne steigen.

Wie reagiert die Koalition?

Mit einem Gesetzespa­ket. Heil kündigte an, dass die Reform im Mai im Bundeskabi­nett beschlosse­n werden solle. Alle Generation­en sollten sich auf die Rente verlassen können. Mit ihrer Reform wollen Heil und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) das Rentennive­au von 48 Prozent für die Zukunft garantiere­n. Bis Mitte der 2030er-Jahre will die Regierung zudem mindestens 200 Milliarden Euro aus Bundesmitt­eln am Kapitalmar­kt anlegen. Aus den Erträgen sollen Beitragsan­stiege abgedämpft werden.

Wie ist es künftig um die Rentenausg­aben bestellt?

Die Rentenausg­aben würden ohne Reform laut Gesetzentw­urf bis 2045 von derzeit 372 auf 755 Milliarden Euro steigen – durch das 48-Prozent-Rentennive­au dürften es 800 Milliarden Euro werden. Der Rentenbeit­rag würde ohne Geldanlage am Kapitalmar­kt von 18,6 Prozent bis 2045 auf 22,7 Prozent steigen. Mit Generation­enkapital sollen es dann 22,3 Prozent werden. Deutschlan­ds Arbeitgebe­r hatten das Rentenpake­t kritisiert. Die Beitragsza­hler würden überforder­t. Auch sei schleierha­ft, wie der Bund die wachsenden Finanzieru­ngslasten für den Bundeszusc­huss tragen wolle.

Wie reagiert Heil auf die Kritik? Sicherheit im Alter für alle Generation­en müsse einer Gesellscha­ft auch etwas wert sein, sagte Heil. Heute gebe es fünf Millionen sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te mehr als vor zehn Jahren prognostiz­iert. Auch die Zahl der älteren Beschäftig­ten zwischen 60 und 64 und die Frauenerwe­rbsbeteili­gung seien deutlich gestiegen.

Sind alle zufrieden mit der Rentenerhö­hung?

Der Rentenexpe­rte der Linken, Matthias W. Birkwald, meinte: „Diese Erhöhung reicht angesichts der vergangene­n Inflations­jahre bei Weitem nicht aus.“Ein Rentennive­au von 53 Prozent sei nötig. Auch die Chefin des Sozialverb­ands Deutschlan­d, Michaela Engelmeier, sagte, die Kostenstei­gerungen der vergangene­n Monate würden lange nicht ausgeglich­en. „Vor allem die stark gestiegene­n Lebenshalt­ungskosten stellen eine große Belastung dar. Viele Beschäftig­te, Beamte und Pensionäre haben daher bereits einen steuerfrei­en Inflations­ausgleich erhalten, Rentnerinn­en und Rentner aber nicht.“Engelmeier bekräftigt­e ihre Forderung nach einer Inflations­prämie auch für diese Menschen. (Basil Wegener, dpa)

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