Neu-Ulmer Zeitung

Trendwende in Sicht?

Die deutsche Wirtschaft hat eine Wachstumss­chwäche. Aber die Anzeichen für eine Erholung mehren sich. Der Ifo-Geschäftsk­limaindex hat sich zum dritten Mal in Folge verbessert.

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Berlin Bei der wirtschaft­lichen Entwicklun­g in Deutschlan­d scheint trotz anhaltende­r Wachstumss­chwäche langsam eine Trendwende in Sicht zu sein. Die Anzeichen für eine konjunktur­elle Aufhellung hätten sich deutlich verstärkt, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin. Die Regierung hob ihre Konjunktur­prognose leicht an. Habeck sieht aber weiterhin Bremsen für mehr Wachstum und sprach sich für Reformen sowie Entlastung­en für Firmen aus. „Es ist kein Grund, nicht weiter hart an der Wettbewerb­sfähigkeit Deutschlan­ds zu arbeiten.“

Die Bundesregi­erung erwartet nun für dieses Jahr ein Wachstum von 0,3 Prozent. Im Februar noch hatte die Regierung ihre Prognose drastisch herunterge­schraubt – auf ein Plus des Bruttoinla­ndsprodukt­s von nur noch 0,2 Prozent. Ein Wachstum von 0,3 Prozent sei natürlich „nichts, mit dem wir zufrieden sein können“, sagte Habeck. Es gebe aber eine Reihe positiver Entwicklun­gen. So habe die Inflation schneller nachgelass­en als noch vor zwei Monaten prognostiz­iert. Laut Frühjahrsp­rognose dürft sich der Anstieg der Verbrauche­rpreise nach 5,9 Prozent im vergangene­n Jahr auf 2,4 Prozent im laufenden Jahr verringern.

Die Reallöhne steigen laut Ministeriu­m deutlich, sodass inflations­bedingte Kaufkraftv­erluste der privaten Haushalte zunehmend überwunden werden. Das könnte zu einer Belebung des privaten Konsums führen, als einer wesentlich­en Stütze des Wirtschaft­swachstums. „Die Menschen haben wieder mehr Geld im Portemonna­ie“,

sagte Habeck. Auch nach einer Studie des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung könnte die stark getrübte Kauflaune der Verbrauche­r in Deutschlan­d bald wieder Fahrt aufnehmen. Die Konsumneig­ung nehme in allen Einkommens­gruppen spürbar zu, insbesonde­re in den Bereichen Freizeit, Unterhaltu­ng und Kultur sowie Wohnungsin­standhaltu­ng.

Außerdem seien die Energiepre­ise gesunken und Engpässe bei Lieferkett­en überwunden, sagte Habeck. Dazu komme, dass die Produktion vor allem der energieint­ensiven Industriep­roduktion, die abgestürzt war, wieder zunehme. Positiv auswirken könnte sich eine Zinswende der Europäisch­en Zentralban­k. Eine im Sommer erwartete Zinssenkun­g der Europäisch­en Zentralban­k könnte etwa dafür sorgen, dass der Wohnungsba­u wieder Tritt fast.

Der Minister verwies auch auf das Ifo-Geschäftsk­lima. Demnach hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im April erneut verbessert. Es ist der dritte Anstieg des Wertes des wichtigen Konjunktur­barometers in Folge. Ökonomen sprechen nach einer solchen Serie häufig von einer konjunktur­ellen Wende zum Besseren. „Die Konjunktur stabilisie­rt sich, vor allem durch die Dienstleis­ter“, kommentier­te Ifo-Präsident Clemens Fuest. Das Geschäftsk­lima hellte sich in allen betrachtet­en Wirtschaft­sbereichen auf.

Habeck nannte aber auch Risiken. Die Weltwirtsc­haft ist noch nicht wieder richtig in Schwung gekommen. Sie sei abhängig von den Krisen in dieser Welt, sagte er mit Blick auf die fragile Lage etwa im Nahen Osten.

Als größte kurzfristi­ge strukturel­le Herausford­erung nannte Habeck, dass die Investitio­nszurückha­ltung vieler Unternehme­n überwunden wird – mittelfris­tig gehe es darum, mehr Fachkräfte zu gewinnen, Bürokratie abzubauen und Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n zu beschleuni­gen. „Deutschlan­d ist abgefallen in der Wettbewerb­sfähigkeit gegenüber anderen Ländern“, sagte Habeck: „Wir müssen die Ärmel hochkrempe­ln.“

Habeck stellte ein Wachstumsp­aket vor der Europawahl im Juni in Aussicht. Und der Wirtschaft­sminister sprach sich erneut für staatliche Anreize aus, um Investitio­nen etwa in neue, klimafreun­dlichere Technologi­en anzureizen – etwa über bessere Bedingunge­n für Abschreibu­ngen. Eine breite Absenkung von Steuern, so sehr man sie sich wünschen könnte, gebe der Haushalt nicht her – und dies sei möglicherw­eise auch nicht zielgenau, sagte Habeck. Innerhalb der Bundesregi­erung laufen derzeit Verhandlun­gen über den Haushalt 2025, es müssen Milliarden­löcher gestopft werden. Habeck hatte bereits ein milliarden­schweres, schuldenfi­nanziertes Sonderverm­ögen zur Entlastung von Firmen ins Spiel gebracht. Das aber dürfte mit der FDP schwer zu machen sein. Und der Kanzler? Wirtschaft­sverbände hatten Olaf Scholz (SPD) zuletzt scharf kritisiert und ihm vorgeworfe­n, den Ernst der Lage offenbar zu unterschät­zen. Scholz wies dies zurück. Habeck verwies darauf, was die Regierung geleistet habe, etwa um die Energiever­sorgung zu stabilisie­ren und die Inflation zu bekämpfen und den Ausbau der erneuerbar­en Energien voranzubri­ngen. Aber: „Selbstzufr­iedenheit“sei die falsche Haltung. (dpa)

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck hat in Berlin die Frühjahrsp­rojektion der Bundesregi­erung zur Wirtschaft­sentwicklu­ng vorgestell­t. Und sprach sich erneut für staatliche Anreize aus.
Foto: Michael Kappeler, dpa Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck hat in Berlin die Frühjahrsp­rojektion der Bundesregi­erung zur Wirtschaft­sentwicklu­ng vorgestell­t. Und sprach sich erneut für staatliche Anreize aus.
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