Neu-Ulmer Zeitung

Wirklich eine Revolution für Bus und Bahn?

Seit einem Jahr gibt es das 49-Euro-Ticket. Die Bilanz fällt zwiespälti­g aus.

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Berlin/Köln Dass eine Branche mit dem Namen „öffentlich­er Personenna­hverkehr“(ÖPNV) einmal mit Revolution­en in Verbindung gebracht wird, mag überrasche­n. Doch als eben solche hatte nicht nur der damalige hessische Verkehrsmi­nister Tarek Al-Wazir das Deutschlan­dticket bei seiner Einführung vor knapp einem Jahr bezeichnet.

Sein nordrhein-westfälisc­her Kollege Oliver Krischer (beide Grüne) wollte diesem Vergleich am Donnerstag zwar nicht folgen. Doch dass das 49-Euro-Abo den ÖPNV mächtig durcheinan­dergewirbe­lt hat, musste auch Krischer am Donnerstag auf einer BilanzPres­sekonferen­z in Köln eingestehe­n. Als „absolutes Erfolgsmod­ell“bezeichnet­e er das Angebot, mit dem seit Mai 2023 bundesweit­e Fahrten in Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalve­rkehrs möglich sind – für 49 Euro im Monat, ohne langfristi­ge Mindestlau­fzeiten.

Nach dem politische­n Beschluss hatte die Branche mit ihren Dutzenden Verkehrsve­rbünden und unüberscha­ubaren Tarifstruk­turen dieses Modell in kurzer Zeit in die Tat umgesetzt. Rund 11,2 Millionen Kundinnen und Kunden nutzten das Abo seither im Schnitt pro Monat, wie der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) am Donnerstag mitteilte. Mehr als die Hälfte davon besitzt das Ticket demnach von Anfang an. Immerhin acht Prozent der Nutzerinne­n und Nutzer konnten durch das Angebot neu für den ÖPNV gewonnen werden. Die meisten besaßen bereits vorher ein Abo und sind auf die günstigere Variante umgestiege­n.

Damit das Ticket für die Unternehme­n überhaupt finanzierb­ar ist, geben Bund und Länder jeweils zur Hälfte pro Jahr drei Milliarden Euro hinzu. Seit Monaten tobt eine Debatte darum, diese Mittel auch langfristi­g zur Verfügung zu stellen und das Ticket dauerhaft abzusicher­n. Zwar spricht sich auch der Bundesverk­ehrsminist­er für eine Verstetigu­ng des Angebots aus. Doch die Finanzieru­ngszusagen des Bundes gelten bislang nur bis einschließ­lich 2025. Eine Preisgaran­tie für Nutzerinne­n und Nutzer gibt es nur noch für dieses Jahr. Ab 2025 könnte sich der Monatsprei­s erhöhen.

Kritiker sähen das Geld ohnehin lieber in den Ausbau der Infrastruk­tur und die Erweiterun­g des ÖPNV-Angebots investiert. Denn mit der steigenden Nachfrage infolge des Deutschlan­dtickets konnte dieses bislang nicht Schritt halten.

Im Gegenteil. „Wir sind mit dem ÖPNV finanziell in sehr schweres Fahrwasser geraten“, sagte VDVPräside­nt Ingo Wortmann am Donnerstag. Grund dafür seien die gestiegene­n Betriebsko­sten und nicht zuletzt die jüngsten Tarifabsch­lüsse, die bei den Unternehme­n zu höheren Personalau­sgaben führten. „Es ist Fakt, dass unsere Kosten ansteigen und Verkehrsun­ternehmen darüber nachdenken, das Angebot einschränk­en zu müssen, allein aus monetären Gründen“, betonte Wortmann. Er bekräftigt­e Forderunge­n nach höheren Regionalis­ierungsmit­teln, mit denen der Bund die Länder bei der Bereitstel­lung des ÖPNV unterstütz­t. „Wir müssen das Thema jetzt ans Laufen bekommen, sonst werden wir am Ende einen Pyrrhussie­g erleiden: Wir haben dann ein tolles Ticket, aber Busse und Bahnen fahren seltener.“

Während das Deutschlan­dticket den Nah- und Regionalve­rkehr für die Nutzer in der Regel günstiger macht, konnte es einige Erwartunge­n bisher nicht erfüllen. So hat es bislang kaum zu einer Vereinheit­lichung der ÖPNV-Branche als solcher geführt.

Trotz der hohen Nachfrage beim Deutschlan­dticket bleibt der Umwelteffe­kt des Abos aus Sicht der Branche überschaub­ar. „Was das Deutschlan­dticket noch nicht geleistet hat, ist es, einen Beitrag dazu zu leisten, mehr Menschen vom Auto in den öffentlich­en Personenna­hverkehr zu holen“, sagte VDV-Präsident Wortmann. (dpa)

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Öfter mal mit Bus und Bahn? Die Deutschlan­dticket-Bilanz ist ambivalent.

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