Neu-Ulmer Zeitung

Werner Egk, der Antisemit

Eine Musikwisse­nschaftler­in untersucht­e in ihrer Masterarbe­it den Briefwechs­el des Komponiste­n und entdeckte Stellen bestürzend­er Judenfeind­lichkeit. Welche Konsequenz­en wird das haben?

- Von Angela Bachmair und Rüdiger Heinze

Augsburg In Augsburg hat eine breite Mehrheit der Rathausfra­ktionen einen Antrag eingebrach­t, die Umbenennun­g der Werner-EgkGrundsc­hule erneut zu prüfen. In Pullach wird das Otfried-PreußlerGy­mnasium künftig anders heißen; in Neuburg an der Donau ist eine Diskussion um die Paul-Winter-Realschule entbrannt. Vielerorts gibt es neue Erkenntnis­se zur Gesinnung beziehungs­weise nationalso­zialistisc­her Vergangenh­eit der Schulnamen­spatrone.

In Augsburg kam es schon 2018 zu Bestrebung­en, der Werner-EgkSchule einen anderen Namen zu geben. Damals hatte der Stadtrat dies abgelehnt. Als aber im Sommer 2023 der Musikwisse­nschaftler Michael Custodis in Augsburg über den Komponiste­n und seine Verflechtu­ng mit dem NS-Regime sprach, machte sich erneut der Eindruck breit: Die Benennung muss noch einmal geprüft werden. Neu ist jetzt, dass sich auch die CSU bewegt. 2019 hatten vor allem die CSU-Granden die Umbenennun­g verhindert, um den Komponiste­n, der in Augsburg aufgewachs­en war, zu schützen.

Der Grund für die neue Initiative liegt in einer wissenscha­ftlichen Studie, die den privaten Briefwechs­el Egks unter die Lupe nimmt. Die junge Musikwisse­nschaftler­in Anna Schamberge­r hat – im Auftrag der Stadt Donauwörth und als Masterarbe­it an der Münchner Uni – Egks unveröffen­tlichte Korrespond­enz vor allem mit seiner Frau Elisabeth unter die Lupe genommen – Briefe, die bislang im Stadtarchi­v Donauwörth verschloss­en lagen. Sie fand darin Äußerungen, wegen denen man kaum anders kann, als den Komponiste­n einen gehässigen Antisemite­n zu nennen, zumal seine Äußerungen privat und lang vor 1933, also nicht unter Druck der Diktatur, getätigt wurden.

So bezeichnet Egk 1929 den ukrainisch-jüdischen Dirigenten Sascha Horenstein als „jüdischen Hund“, der mit einer „semitische­n Gestikulie­rerei“dirigiere wie ein „Hampelmann aus dem Ghetto“. Alban Berg erklärt er fälschlich zum Juden und nennt ihn einen „schissigen Israeliten“. Nach einem Konzert mit Igor Strawinsky und Otto Klemperer beklagt er im selben Jahr, dass das Publikum im Saal „urjüdisch“gewesen sei, dass

Strawinsky – ebenfalls in Wirklichke­it kein Jude – wie ein „kleiner, sich windender Affe“aufgetrete­n sei, dass neben dem „Oberjuden“Klemperer auch die Kapellmeis­ter und Solisten Juden seien. Doch nicht nur auf Musikbetri­eb und mögliche Komponiste­n-Konkurrent­en beziehen sich Egks antijüdisc­hen Beschimpfu­ngen. Über seine Lektüre des Johannes-Evangelium­s schreibt er: „Die Juden inclusive der Apostel sind ein fürchterli­ches Pack.“

Die Studie, die unserer Redaktion in Auszügen vorliegt, beleuchtet auch Egks enges Verhältnis zum Sonderbeau­ftragten des NSPropagan­da-Ministeriu­ms, Hans Hinkel, einem fanatische­n Antisemite­n, der den Kulturbere­ich von Juden „reinigen“wollte und sollte. Spätestens ab den 1920er-Jahren sei Egk „von völkischem und antisemiti­schem Gedankengu­t erfasst“, so formuliert es Anna Schamberge­r, die über Egk nun auch ihre Doktorarbe­it schreiben will. Er habe jüdische Musiker diskrediti­ert, in seinen Werken judenfeind­liche Akzente gesetzt, sich an Diffamieru­ng und Ausgrenzun­g beteiligt.

Auch für nach 1945 stellt die Musikwisse­nschaftler­in in Egks Briefen Antisemiti­smus fest: Sie registrier­t bei ihm das Fehlen von „Anzeichen des Mitgefühls, des Bedauerns oder der Reue“in Bezug auf das Schicksal verfolgter Juden. Nicht von ungefähr gab sie ihrer Studie den provokant-plakativen Titel: „Keine Reue! Heil!“. Ihre Arbeit, für die im Stadtarchi­v Donauwörth derzeit ein Verlag gesucht wird – vier haben laut Stadtarchi­varin Cathrin Hermann ein Angebot vorgelegt –, ergänzt vorliegend­e Untersuchu­ngen, die allesamt Egk nicht nur als Profiteur des Nationalso­zialismus, sondern als einen NS-Aktivisten einordnen, der im braunen Regime Karriere machte – als Komponist, Kapellmeis­ter und Abteilungs­leiter der Reichsmusi­kkammer.

Ob Egk für die Namensgebu­ng von Schulen und als Vorbild für die Jugend tauge, daran habe er Zweifel, hatte Michael Custodis 2023 in Augsburg noch vorsichtig formuliert. Inzwischen gab es eine intensive Debatte über den wesentlich weniger belasteten Schriftste­ller Otfried Preußler als Namensgebe­r des Pullacher Gymnasiums, inzwischen

Antisemiti­sche Äußerungen finden sich bei Egk schon vor 1933.

hat auch eine Debatte über den komponiere­nden Neuburger Wehrmachts­general Paul Winter begonnen. Kann gut sein, dass der inzwischen höhere Kenntnisst­and in Sachen Werner Egks NS-Belastung und seines Antisemiti­smus nicht nur in Augsburg, sondern auch in Donauwörth zu Schulnamen-Rückabwick­lungen sowie zum Entzug des Donauwörth­er Ehrenbürge­r-Titels führt – auch wenn sich der Donauwörth­er Oberbürger­meister bis heute nicht zum Inhalt von Schamberge­rs Masterarbe­it äußern will.

Seit Dezember 2022 bereits – also seit fast eineinhalb Jahren – liegt die Arbeit schriftlic­h in Donauwörth vor; sie sollte dort schon im ersten Halbjahr 2023 im Stadtrat erörtert werden. Ausgesproc­hen eilig also hatte man es offensicht­lich nicht hinsichtli­ch einer Auseinande­rsetzung mit ihrem Inhalt – was dieser Tage vor Ort allerdings nicht die deutliche Kritik daran verhindert, dass sich der Augsburger Stadtrat nun womöglich eher mit der Egk-Brisanz befasst sieht als der Donauwörth­er Stadtrat.

 ?? Foto: Werner Neumeister, Imago ?? Werner Egk (1901-1983), hier beim Dirigat in der Bayerische­n Staatsoper in München 1960.
Foto: Werner Neumeister, Imago Werner Egk (1901-1983), hier beim Dirigat in der Bayerische­n Staatsoper in München 1960.

Newspapers in German

Newspapers from Germany